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Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit

Es ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben für die große Koalition, an der schon die Vorgängerregierungen, nicht zuletzt die rot-grüne, kläglich gescheitert sind: die Schaffung von neuen Jobs und damit eine wirksame Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland. Mit einem ganzen Maßnahmenbündel wollen Union und SPD deshalb versuchen, das Problem anzugehen - ein zentraler Baustein dabei: neue Arbeitsplätze auch für gering Qualifizierte, die derzeit kaum eine Chance auf eine halbwegs auskömmliche Beschäftigung haben.

Von Ilka und Jörg Münchenberg |
    Es war nicht zuletzt Bundespräsident Horst Köhler persönlich, der an dieser Stelle auf dem Arbeitgeberforum in Berlin im März 2005 die politisch Verantwortlichen zu mehr Anstrengungen ermahnt hatte.
    " Ich glaube, dass wir das Instrument der Lohnkostenzuschüsse noch nicht ausreichend genutzt haben. Ich weiß, dass die bisherigen zaghaften Versuche noch nicht die gewünschten Erfolge gebracht haben. Davon sollten wir uns aber nicht entmutigen lassen, sondern in diesem schwierigen Bereich des Arbeitsmarktes weiter nach Lösungen zu suchen. "
    Eine Anregung, die gerade in der CDU auf offene Ohren gestoßen ist, zumal die Idee der Kombilöhne auf den ersten Blick tatsächlich bestechend ist. Demnach erhält, vereinfacht ausgedrückt, jeder Arbeitslose, der einen schlecht bezahlten Job annimmt, einen Zuschuss vom Staat. Am Ende, so der Grundgedanke, addieren sich Lohn und staatliche Subvention zu einem erträglichen Einkommen, so dass selbst eine geringe Entlohnung attraktiver ist, als Zuhause zu sitzen.
    Deshalb könnten durch Kombilöhne zwei bis drei Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden, so die euphorische Prognose des wirtschaftspolitischen Sprechers der CDU, Laurenz Meyer. Die Bundeskanzlerin selbst hat sich klugerweise auf eine konkrete Zahl nicht festgelegt, gleichwohl hält die CDU ungeachtet aller Einwände und Bedenken an ihrer Position fest - Unionsfraktionschef Volker Kauder:
    " Es ist eine Möglichkeit, um zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Und vom Grundsatz zeigt dies ja auch, dass es durchaus interessant sein kann, Kombilöhne einzuführen. Wir von der Union wollen dies und wir werden deshalb in der Koalition dafür werben, dass wir hier einen entscheidenden Schritt vorankommen. "
    Freilich, die Widerstände sind groß, nicht zuletzt beim traditionellen Verbündeten, der CSU. Ließ anfangs noch Ministerpräsident Edmund Stoiber durchaus Sympathie für die Überlegungen der Schwesterpartei erkennen, überwiegen inzwischen die Bedenken, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer:
    " Wir wissen auf der einen Seite, dass man kurzfristig Menschen aus Nichtbeschäftigung oder des zweiten Arbeitsmarktes hineinbringen kann in eine Beschäftigung, also in den ersten Arbeitsmarkt. Aber auf der anderen Seite wissen wir natürlich alle, dass dies eine auf Dauer angelegte massive Lohnsubvention ist, die sich keine Volkswirtschaft wirklich leisten kann. "
    Dennoch sind die Positionen der Parteien beim komplexen Thema Kombilohn nicht immer eindeutig: so ließ jetzt CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos wissen, die staatliche Lohnsubvention werde Anfang 2007 kommen, ohne jedoch Details zu nennen. Wohl zu Recht, denn selbst beim Regierungspartner sind die Widerstände gegen einen Kombilohn groß.
    " Wir sind unserem Verständnis nach ein Hochleistungs- und ein Hochlohnland. Wir dürfen Lösungen nicht darin sehen, dass ein größerer Teil von Löhnen flächendeckend aus der Steuerkasse dauerhaft dazugezahlt wird. Das ist meine Antwort. Ich habe nichts gegen den Begriff des Kombilohnes. Ich glaube, es gibt ihn bereits an bestimmten Stellen, aber man muss ausführlich darüber sprechen. "
    Erklärte Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering, SPD, nach der zweitägigen Kabinettsklausur in Genshagen Anfang dieser Woche. Angesichts dieser Vielstimmigkeit innerhalb von Union und SPD sind die nächsten Schritte, kein Wunder, bewusst vage gehalten: man will zunächst eine Arbeitsgruppe einsetzen, die bis zum Herbst Vorschläge präsentieren soll.

    Wann die Experten erstmals zusammentreten werden, und wer dieser Gruppe überhaupt angehören wird, ist derzeit aber noch unklar. Doch Müntefering verweist zur Begründung nicht zuletzt auf die komplexe Aufgabe der Arbeitsgruppe, die bei ihren Vorschlägen für den Niedriglohnbereich vielfache Folgewirkungen zu beachten habe:
    "(...)mit Kombilohn, mit gesetzlichem Mindestlohn, mit Entsendegesetz, was das für Mini, Midijobs bedeutet und was das bei der Beschäftigung von Schwarzarbeit bedeutet. Wir müssen hier eine größere Ordnung und Sicherheit wieder reinbringen. "
    Freilich, bei so vielen Vorgaben und Geheimniskrämerei ist Kritik vorprogrammiert. Nicht zuletzt die Grünen warnen vor einer Mogelpackung - Parteichef Reinhard Bütikofer:
    " Kombilöhne sind extrem teuer, sie vernichten Arbeitsplätze, sie höhlen die Tarifautonomie aus und sie degradieren die Bezieher. "
    Die Grünen wollen deshalb den Hebel der staatlichen Lohnsubvention an anderer Stelle ansetzen. Demnach sollen die Sozialbeiträge gestaffelt nach dem jeweiligen Einkommen abgesenkt werden - Geringverdiener müssten demnach deutlich geringere Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung bezahlen. Der Schönheitsfehler dieses Vorschlags: die Kosten dürften sich im zweistelligen Milliardenbereich bewegen - Geld, das angesichts der angespannten Haushaltslage kaum zu mobilisieren ist.

    Kritik an den Regierungsüberlegungen aber auch von der Linkspartei: schon jetzt gebe es sieben Millionen geringfügig Beschäftigte und weitere sechs Millionen schlecht bezahlte Jobs, heißt es. Helfen, so die Linkspartei, könnten da nur steigende Löhne - etwa durch die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne. Die Liberalen setzen dagegen auf ein eigenes Modell von Lohnzuschüssen, um nicht zuletzt die grassierende Schwarzarbeit in Deutschland zu bekämpfen. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel verweist dabei auf die liberale Idee eines Bürgergeldes, bei dem staatlich finanzierte Transferleistungen mit dem Steuersystem kombiniert werden sollen:
    " Es bedeutet, wenn jemand entsprechend seiner Produktivität bezahlt wird und kein existenzsicherndes Einkommen hat, dass er im Steuer- und Transfersystem einen Ausgleich durch das Finanzamt bekommt, der dazu führt, dass er mehr Geld zur Verfügung hat, als wenn er nicht arbeitet. "
    Außerdem, so Niebel, könnte das System nach einer Übergangsfrist von mehreren Jahren sogar zu Mehreinnahmen des Staates führen. Doch gerade diese Behauptung wird von Kritikern in Frage gestellt. Außerdem könnte auch das System einer negativen Einkommenssteuer reguläre Arbeitsplätze verdrängen, heißt es. Keine Frage, im Bereich des Kombilohnes gibt es wohl kein Patentrezept, zumal auch die bisherigen Ansätze - und die gibt es reichlich - nur mäßig erfolgreich waren.

    Seit rund zehn Jahren experimentieren einige Bundesländer mit Modellversuchen. Ob Hamburger Modell, "Magdeburger Alternative" oder das jetzt vom niedersächsischen Ministerpräsident Wulff titulierte "Niedriglohnkonzept Niedersachsen-Kombi" - sie alle sollen Arbeitslose mittels Zuschüssen dazu bringen, einen Billigjob anzunehmen. Viktor Steiner, Leiter der Abteilung Staat beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hält jedoch auch vom derzeit diskutierten Kombilohn wenig:

    " Seit gut 15 Jahren, seit ich das beobachte, wird immer wieder das neu aufgewärmt. Und ohne dass das grundsätzliche Problem wirklich angegangen wird, werden ständig irgendwelche neuen Namen erfunden für das gleiche, in der Regel vollkommen falsch umgesetzte Instrument. "

    Ein Beispiel: Das "Mainzer Modell" der damaligen rot-grünen Bundesregierung - einer der bekanntesten Versuche. Wegen zu geringer Förderzahlen in den Testländern Rheinland-Pfalz und Brandenburg wurde das Modell nach nur einem Jahr wieder eingestellt. Das Entgelt für den Erwerbstätigen setzte sich aus dem Lohn des Arbeitgebers und den Sozialbeiträgen als Zuschuss vom Arbeitsamt zusammen. Bei diesem Modell wurde nur der Arbeitnehmer gefördert, für die Unternehmen war dies nicht attraktiv genug. Nur wenige Stellen wurde geschaffen.

    Das ist eines der Hauptprobleme von Kombilöhnen, sagen die Wirtschaftsexperten. Fällt der Zuschuss zu gering auf Seiten der Arbeitgeber oder möglichen Arbeitnehmer aus, sind kaum positive Wirkungen zu erwarten. Liegt er zu hoch, steige die Gefahr von Mitnahmeeffekte. Das heißt, Unternehmen könnten den Kombilohn letztlich dazu nutzen, reguläre Stellen in subventionierte Kombilohnjobs umzuwandeln. Auf Kosten des Staates und damit der Steuerzahler.

    Eine durchaus begründete Kritik. Rund fünf Millionen Deutsche arbeiten heute in den so genannten Minijobs, in denen 400 Euro zum Arbeitslosengeld II hinzuverdient werden können, und die von Steuern und Sozialabgaben teilweise befreit sind. Wie viel reguläre Arbeit dadurch verdrängt wurde, darüber kann nur spekuliert werden. Dieses Problem sieht auch der SPD-Abgeordnete Rainer Wend, einer der wenigen in seiner Partei, der sich derzeit trotz Vorbehalte öffentlich für Kombilöhne ausspricht:

    " Selbst wenn man sie gezielt einsetzt, dann wird man auch einen Verdrängungseffekt nicht ganz ausschließen können. Ich sage auch noch einmal: Es gibt kaum eine arbeitsmarktpolitische Maßnahme, die sozusagen ausschließlich positive Effekte hat. Dann wird man aber diesen Effekt begrenzen können, weil Arbeitnehmer ja von ihren Qualifikationen her nicht beliebig austauschbar sind. Sondern man muss ja, wenn man die Lohnsubventionierung auf wenig oder schlecht Qualifizierte beschränkt, sind sie ja nicht in der gleichen Weise auszutauschen. "

    Die Zielgenauigkeit der Lohnzuschüsse ist also von enormer Bedeutung. Nicht zuletzt deshalb will die Union mit ihren Kombi-Löhnen besonders schwierig zu vermittelnde Langzeitarbeitslose erreichen: also Jugendliche unter 25 Jahren ohne Schulabschluss, über 55-Jährige oder allein erziehende Mütter: Wilhelm Adamy, Sozialexperte des DGB, bleibt dennoch skeptisch:

    " Wir sind durchaus offen, wenn es gelingt, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Wenn gleichzeitig allerdings sichergestellt ist, dass reguläre Arbeitsplätze nicht verdrängt werden. Und wenn insofern Unternehmen nicht auf diese Weise versuchen, billig ihr Geschäft zu machen. "

    Umstritten ist auch, ob das neue Konzept der Kombilöhne überhaupt zu finanzieren ist. Kombilöhne kosten Geld - also Arbeit um jeden Preis ? Die Opposition rechnet mit Kosten bis zu 40.000 Euro für jeden subventionierten Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften prophezeien der Großen Koalition ein Milliardengrab. Die Unionspolitiker gehen hingegen davon aus, dass der vom Staat gezahlte Kombilohn-Anteil für die Langzeitarbeitslosen sogar geringer ausfallen werde als das bisher für sie bezahlte Arbeitslosengeld II.

    Viele Experten halten Kombilöhne jedoch nur für möglich, wenn gleichzeitig die staatlichen Transferleistungen erheblich eingeschränkt werden. So sieht es auch Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung:

    " Es ist nicht möglich, ein relativ hohes Arbeitslosengeld II zu zahlen, relativ zum geringen Einkommen im Niedriglohnbereich, und gleichzeitig großzügige Hinzuverdienstmöglichkeiten anzubieten. Dieses ist einfach unfinanzierbar und würde die Arbeitsanreize der bereits Beschäftigten zerstören. "

    Schon heute wird das Einkommen von Geringverdienern auf verschiedene Weise vom Staat aufgestockt: etwa durch einen Kinderzuschlag, das so genannte "Einstiegsgeld" für Ältere, aber auch Hinzuverdienstmöglichkeiten neben dem Arbeitslosengeld II. Dennoch könnte die flächendeckende Einführung eines Kombilohnes zu einer generellen Absenkung des Lohnniveaus führen - schließlich würde der Staat die verbleibende Lücke auffüllen. Am Ende könnte es aber für die Betroffenen trotzdem nicht reichen. Gerade deshalb macht sich Bundesarbeitsminister Müntefering für gesetzliche Mindestlöhne stark:

    " Heute haben wir 700.000, die verdienen, nein, die bekommen so wenig für ihre Arbeit, dass sie weniger haben im Monat als ALG II ausmacht. 700.000, das sind so genannte Aufstocker. Das heißt, sie bekommen für ihre ehrliche Monatsarbeit so wenig, dass sie noch zusätzlich - früher hätte man gesagt Sozialhilfe, jetzt sagt man ALG II - dazubekommen. Das ist natürlich ein Kombilohn. "

    Wer etwa heute im Supermarkt an der Kasse oder im Wachdienst sein Geld verdient, erhält schon in manchen Regionen laut Tariftabelle Stundenlöhne zwischen 5 und 6 Euro. Rechnet man dies auf ein Monatsgehalt hoch, reicht das kaum zum Leben, geschweige denn, eine Familie zu ernähren. Allerdings kann der Staat auch nicht dauerhaft Lohnzuschüsse zahlen und damit letztlich die Lohnverpflichtung der Unternehmen mit übernehmen. Dies wäre eine Plan- und keine soziale Marktwirtschaft, so Müntefering. So sehen es auch die Gewerkschaften:

    " Weil auch sonst Unternehmen, die sich bemühen, existenzsichernde Löhne zu zahlen, tatsächlich in den Strudel des Sozialdumpings gezogen werden. Deswegen treten wir für eine Sockelung ein, dass Tarifverträge in weitaus stärkerem Maße mit Unterstützung des Gesetzgebers für allgemeinverbindlich erklärt werden können und daher für alle Arbeitnehmer und alle Betriebe beispielsweise eine Branche gelten, so wie das heute schon der Fall ist. "

    Betont der Sozialexperte Wilhelm Adamy vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Er fordert eine Diskussion darüber, was getan werden müsse, damit Vollerwerbstätige auch tatsächlich von ihrem Lohn leben können und nicht letztlich doch auf Hartz IV angewiesen seien. Viktor Steiner vom Deutschen Institut für Wirtschaft sieht hingegen keine Notwendigkeit von gesetzlichen Mindestlöhnen:

    " Der gesetzliche Mindestlohn existiert in Deutschland bereits über die Sozialhilfe, bzw. das ALG II, zum einen. Diese Transferleistung ALG II setzt einen effektiven Mindestlohn. Zum zweiten existiert über die Tariflöhne und die in einigen Bereichen bestehende allgemeine Verbindlichkeitserklärung, die eben den Tariflohn auch auf nichttariflich gebundene Unternehmen ausdehnt, ein zweiter Mindestlohn. "

    Will die Große Koalition der Beschäftigungsmisere ein Ende bereiten, führt kein Weg daran vorbei, einfache Jobs zu schaffen. Denn in keinem anderen Industrieland ist die Arbeitslosigkeit unter den gering Qualifizierten so hoch wie in Deutschland. Rund 40 Prozent aller Arbeitslosen sind minder qualifiziert, das heißt, sie haben nur eine geringe oder gar keine Ausbildung erhalten.

    Das Dilemma: Verlangen sie Löhne, die zum Leben ausreichen, sind sie den Unternehmen als Arbeitskräfte zu teuer. Längst verlagern die Firmen ihre Arbeitslätze ins billige Ausland. Wenn die Löhne jedoch auf ein Niveau sinken, das Einstellungen rentabel macht, sind sie oft nicht höher als das Niveau der Sozialleistungen. Auch Franz Müntefering sucht nach Auswegen und verweist dabei auf die Zielmarke des Koalitionsvertrages:

    " Wie können wir erreichen, dass möglichst viele dieser Jobs in Deutschland sind, dass sie in Deutschland bleiben und dass die Arbeit, die von diesen Menschen geleistet wird, legal ist? Und die zweite Maxime, die wir aufgeschrieben haben: es soll keine sittenwidrigen Löhne geben: Und ich frage mal ganz im Ernst: drei Euro die Stunde oder 170 Stunden im Monat, 510 Euro und dann jemandem sagen, mach mal den Job, Putzen oder weiß der Teufel, was. Ist das eigentlich in Ordnung in dieser Gesellschaft, ja oder nein? "

    Woher sollen aber die neuen Arbeitsplätze kommen? Die Befürworter des Kombimodells sehen Jobs im privaten Haushaltsbereich, in der Altenpflege oder in der Landschaftspflege. Sie erhoffen sich auch, illegalen Tätigkeiten das Wasser abzugraben. 2004 belief sich das Volumen der Schwarzarbeit in Deutschland auf geschätzte 375 Milliarden Euro. Dirk Niebel, Generalsekretär der FDP, sieht hier ein großes Potential:

    " Würde man das mit Durchschnittslöhnen dividieren, so sind das ungefähr 5 Millionen Arbeitsplätze. Das heißt, es geht also eigentlich nicht darum: Haben wir einen Niedriglohnsektor oder brauchen wird einen? Sondern, wie können wir die Tätigkeiten, die heute illegal ausgeübt werden, in die Legalität überführen? "

    Verlässliche Prognosen sind jedoch angesichts des unsicheren Zahlenmaterials kaum möglich. Aber es gibt auch grundsätzliche Bedenken. Jürgen Wuttke vom Bundesverband der deutschen Arbeitgeber etwa glaubt nicht an das große Jobwunder:

    " Man kann mit Arbeitsmarktpolitik viel machen. Aber man schafft mit Arbeitsmarktpolitik keine neuen zusätzlichen Arbeitslätze. Und es gibt hier auch nicht irgendwelche Königswege, Einzellösungen - ich mache dieses oder jenes Instrument und dann geht die Arbeitslosigkeit zurück. Sondern wir werden hier viel breiter nachdenken müssen. "

    Er plädiert dafür, statt immer auf neue Modelle zu setzen, erst einmal die bestehenden Instrumente der Hartz IV-Reformen auszubauen. Mit dieser Forderung hat er viele Wirtschaftsexperten hinter sich:

    " Das muss man ausschöpfen, bevor man neue, milliardenschwere flächendeckende Subventionsprogramme auflegt. Denn die haben uns in der Vergangenheit eher in die Irre geführt und die werden uns auch in Zukunft eher in die Irre führen. "

    Angesichts der vielen Details und Unwägbarkeiten, die es beim Kombilohn zu beachten gilt, ist die bedächtige Vorgehensweise der großen Koalition also kaum verwunderlich. Doch es war letztlich die Bundeskanzlerin persönlich, die hier den politischen Boden bereitet hat. Überraschend legte sich Angela Merkel zu Beginn dieser Woche fest, auch über Mindestlöhne sprechen zu wollen - trotz der enormen Widerstände in den eigenen Reihen:

    " Und da muss man einfach darüber nachdenken, wie das miteinander wirken kann. Und was wird die Aufgabe sein? Und ich habe mir fest vorgenommen, dass ich da frei denke. "

    Doch selbst wenn es keine Einigung innerhalb der Großen Koalition geben sollte: Das Thema bleibt auf der politischen Agenda, denn der Druck gerade im Niedriglohnbereich wird in den kommenden Jahren vor allem durch den internationalen Wettbewerb weiter wachsen, so die Warnung der Bundeskanzlerin:
    " Spätestens 2011 wird die Freizügigkeit mit den 10 neuen Beitrittsländern in vollem Umfang erreicht sein. Wir werden uns dann nach wie vor mit erheblichen Lohndifferenzen auseinandersetzen müssen. "
    Ob die Tarifpartner, aber auch die Parteien, auf diese Herausforderungen Antworten finden werden, bleibt abzuwarten.