Archiv


Der Kampf um die Staudämme

Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan und Kirgistan teilen sich das Wasser von zwei großen Flüsse. Das sorgt regelmäßig auch für militärische Konflikte. Nur Russland scheint von diesem Konflikt um das Wasser zu profitieren.

Von Marcus Bensmann |
    Der Fluss Naryn schlängelt sich von den Anhöhen des Tienschangebirges in die zentralasiatische Ebene. Das jüngste Vorhaben der kirgisischen Regierung am Oberlauf dieses wichtigen Quellflusses des Stromes Syr-Darja Staudämme zu bauen, heizt den langjährigen Streit um die Wassernutzung in der Region erneut an.

    Die Anrainer der zwei zentralasiatischen Flüsse Syr- und Amu Darja Tadschikistan und Kirgistan wollen die Wasserkraft zur Energiegewinnung nutzen. Usbekistan, durch dessen Territorium beide Flüsse fließen, sorgt sich indes um den ungehinderten Wasserzufluss für die Landwirtschaft und besonders für die wasserintensive Baumwollwirtschaft.

    Der usbekische Präsident Islam Karimow warnte bei einem Besuch in Kasachstan Anfang September vor einer Eskalation:

    "Der Konflikt kann sich derart verschärfen, dass er sogar Kriege auslösen kann. Wenn wir über transnationale Flüsse sprechen, dann müssen wir uns daran halten, was die Weltgemeinschaft verfügt hat. Nämlich, dass alle Länder, die sich entlang der zwei Flüsse befinden, Vorhaben zustimmen müssen."

    Der Groll des usbekischen Präsidenten richtet sich gegen zwei konkrete Projekte.

    Tadschikistan will den Rogundamm an einem Zufluss des Amu Darja fertigstellen und Kirgistan am Oberlauf des Narynflusses eine der weltweit größten Staumauern von rund 300 Meter Höhe für das Kraftwerk Karambata-1 errichten. Zudem ist eine Kaskade von kleineren Kraftwerken geplant.

    In beiden Staaten stehen bereits gewaltige Stauwerke aus der Sowjetzeit. In Kirgistan ebenfalls am Narynfluss der Toktoguldamm, das bisher größte Kraftwerk des Landes.

    Allerdings galten damals andere Regeln, sagt der ehemalige Direktor des Kraftwerks.

    "Das Wasserkraftwerk von Toktogul wurde gebaut, um im Ferghanatal und im übrigen Einzugsgebiet des Sry-Darjas die Bewässerung der Felder und die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser sicherzustellen. Die Gewinnung von Energie war dabei zweitrangig."

    Der geplante Bau von neuen Dämmen in den jetzt unabhängigen Staaten soll nun vor allem der Energiegewinnung dienen.

    Nach der Unabhängigkeit müssen Tadschikistan und Kirgistan Weltmarktpreise für die fossilen Energieträger aus den rohstoffreichen Staaten Usbekistan und Kasachstan zahlen. Dazu sind sie wirtschaftlich kaum in der Lage. Deshalb fallen in den Wintermonaten in den jeweiligen Hauptstädten hin und wieder Strom und Gas aus.

    Die neuen Kraftwerke sollen nun die Energiekrise lösen und zudem Strom für den Export nach China liefern. Aber weder Kirgistan noch Tadschikistan können die Baukosten aus eigener Kraft stemmen.

    Wenige Wochen nach Karimows düsterer Kriegsrhetorik reiste nun in dieser Woche der russische Präsident Wladimir Putin nach Bischkek und versprach Investitionshilfen:

    "Wir haben entsprechende Dokumente über den zukünftigen Bau des Wasserkraftwerkes Karambata 1 und die Kaskade am Oberfluss des Naryn Flusses unterschrieben. Das sind gewaltige milliardenschwere Projekte, die der Wirtschaft Kirgistans zugutekommen."

    Im Gegenzug für diese Zusage stimmte Kirgistan dem Fortbestand der russischen Militärbasis zu, während die USA 2014 den Luftwaffenstützpunkt für den Afghanistankrieg in Kirgistan räumen sollen. Putins Unterschrift ist gleichzeitig auch ein Revancheakt gegen den abtrünnigen Bündnispartner Usbekistan, mutmaßt Zentralasienexperte Arkadi Dubnow.

    "Als Usbekistan sich im Sommer mit dem Verlassen aus dem gemeinsamen regionalen Militärbündnis gegen Russland positionierte, hatte Russland freie Hand. Vorher musste Russland die Interessen von Usbekistan und Kirgistan abwägen. Da Usbekistan jetzt kein enger Bündnispartner mehr ist, braucht Russland keine Rücksicht mehr zu nehmen und kann Kirgistan in dieser Frage leichter unterstützen."

    Nach Einschätzung von Arkadi Dubnow hat der Kreml bislang keine langfristige Strategie, um auf die Wasserkraft in Zentralasien dauerhaft Einfluss auszuüben. Moskau setze eher auf den kurzfristigen Effekt.

    Bereits 2008 hatte Russland Kirgistan den Bau der Dämme zugesagt. Dafür wollte die kirgisische Führung den Luftwaffenstützpunkt der USA schließen.

    Der damalige Präsident Kurmanbek Bakijew unterschrieb das Abkommen, ließ aber die US-Basis im Land. Zwei Jahre später fegte eine von Moskau gestützte Machtrevolte Bakijew aus dem Amt.

    Auch in Tadschikistan vereinbarte Putin schon 2004 den Bau des dortigen Rogundammes. Usbekistan hatte sich zu dieser Zeit von Russland abgewendet und den USA angenähert. Als danach Karimow erneut die Nähe zu Russland suchte, ließ der Kreml die tadschikischen Dammpläne kurzerhand fallen.

    Tadschikistan versucht seither den Damm eigenständig zu bauen, doch dazu reichen die Mittel wohl nicht. Zudem blockiert Taschkent immer wieder die Straßen- und Schienenwege nach Tadschikistan und stellt regelmäßig die Gaslieferungen ein. Drohen nun Kirgistan ähnliche Sanktionen? Der ehemalige Direktor des Kraftwerkes von Toktogul:

    ""Ich kann nicht verstehen, warum sie gegen den Dammbau sind. Denn dieser schafft für Usbekistan sogar noch bessere Bedingungen. Kirgistan braucht das Wasser nur für die Energie, aber für Usbekistan wird durch die bessere Regulierung die Wasserzufuhr sogar noch besser","

    wundert sich der kirgisische Spezialist über die unnachgiebige usbekische Haltung.

    Doch genau vor dieser Regulierungsmacht fürchtet sich Usbekistan. Immer wieder beschwört Präsident Karimow zudem die Erdbebengefahr für die Dämme in der seismografisch sensiblen Region.

    Die indirekte Kriegsdrohung Karimows steht im Raum, auch wenn Putin gerade vorschlug, Usbekistan an den Projekten zu beteiligen.

    Der Bau, der in der kirgisischen Hauptstadt beschlossenen Dämme, dauert jedoch mehr als ein Jahrzehnt.

    Bis dahin wird noch viel Wasser den Naryn runterfließen. Und vielleicht opfert Russland die langfristigen Energiepläne wieder für einen kurzfristigen geopolitischen Deal mit Usbekistan.