Auf dem Baumwollfeld in Yougounini herrscht ein reges Treiben. Etwa 30 Menschen stehen verstreut zwischen den trockenen Stengeln auf roter Erde. Sie zupfen kleine weiße Flauschpakete aus den aufgesprungenen Hülsen und stecken sie in einen Jutesack. Wenn sie dabei singen, geht die Arbeit ein bisschen leichter von der Hand.
Yougounini ist ein Dorf mit etwa 1.000 Einwohnern. Weitab von der Landstraße liegt es mit seinen strohgedeckten Lehmhütten fast malerisch auf einer Anhöhe. Bis zum Baumwollfeld ist es nur ein Katzensprung. Ein kleines Feld, gerade einmal zwei deutsche Schrebergärten würden darin Platz finden.
Marcel Ouedraougou steht etwas abseits von den anderen Erntehelfern. Er trägt eine Wollmütze auf dem Kopf und eine zerschlissene Anzugjacke über der weiten Hosen. Er hat das Feld von einem anderen Dorfbewohner gepachtet. Die Menschen aus Yougounini nennen ihn den "Baumwollchef":
"Wenn viele mithelfen, werden wir vielleicht heute noch fertig. Die Baumwolle muss jetzt dringend gepflückt werden, sonst verdirbt sie. Später werden wir dolo trinken und zusammen essen."
Dolo heißt in Burkina Faso das selbstgebraute Hirsebier. Das Bier und die gemeinsamen Mahlzeit spendiert der Pächter des Feldes seinen Erntehelfer. Bezahlen kann er nicht.
Die Menschen aus Yougounini arbeiten fast ausschließlich als Subsistenzbauern. Das heißt, sie ernähren sich von dem, was auf ihren Feldern wächst und von ihren Tieren. Wie die meisten Menschen in Afrika südlich der Sahara.
Das Baumwollfeld in Yougounini ist für die Dorfbewohner ein Schritt in Richtung Marktwirtschaft. Denn die Ernte kann der Pächter Marcel Ouedraogo am Ende des Jahres an eine staatliche Firma verkaufen. So kommt wenigstens ein bisschen Geld ins Dorf.
"Wenn wir Baumwolle ernten, verdienen wir Geld. Dann können wir unsere Kinder zur Schule schicken."
Die meisten Eltern in Yougounini wollen, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Der Schulbesuch ist in Burkina Faso kostenlos. Aber die Kinder brauchen Hefte und Stifte und können weniger auf den Feldern oder bei der Hausarbeit helfen. Marie ist elf Jahre alt. Seit einer Stunde steht sie am Dorfplatz und stampft die Hirse für das Mittagessen. Marie trägt ihre jüngste Schwester in einem Tuch auf dem Rücken, während sie den Holzpflock immer wieder in den ausgehöhlten Baumstamm mit der Hirse sausen lässt.
Seit der Weltmarktpreis für Baumwolle durch die amerikanische Subventionspolitik zusammengebrochen ist, bekommen die Bauern nur noch sehr wenig Geld für ihre Ernte. Darum bauen sie jetzt wieder mehr Sorghum und Hirse für sich selbst an. Rudolf Buntzel ist der Beauftragte für Welternährungsfragen beim Evangelischen Entwicklungsdienst:
"Viele leben in Subsistenzlandwirtschaft, nicht weil sie primitv sind, wie das immer unterstellt wird, sondern das ist die letzte chance wie sie sich überhaupt noch am Leben halten können. Subsistenzlandwirtschaft ist eine Überlebenstrategie, weil die Märkte so unattraktiv sind. Sie sind zu weit weg, sie haben keine Chance sich an den Märkten zu beteiligen, also produzieren sie für den eigenen Bedarf. Sie haben nicht die Ausbildung, den Zugang zu Krediten, Land, um diesen Weg des Unternehmertums zu gehen."
Die Gegend um Yougounini gehört zum Sahelgürtel. Weil immer mehr Bäume für Feuerholz geschlagen werden und das Vieh die magere Grasnarbe abnagt, frisst sich die Wüste unaufhaltsam in ehemals bewaldetem Gebiet. Heute ist der Baumbestand locker. Zwischen Akazien, Karité- und Tamarindenbäume breiten sich Dornenbüsche aus. Die Äcker sind in den letzten Jahren immer trockener geworden, die Böden sind ausgelaugt.
Dass die Bauern in dieser klimatisch schwierigen Region bald mehr für den Export anbauen, ist kaum vorstellbar. Garnelen, Blumen oder Kaffee, hochwertiges Obst und Gemüse schlägt der Entwicklungsbericht der Weltbank vor. Das ließe sich auf dem Weltmarkt verkaufen. Dabei sind gerade in Burkina Faso schon viele Bauern mit ihrer Baumwolle auf dem Weltmarkt gescheitert.
Dorfversammlung in Yougounini. Etwa 50 Menschen aller Alterstufen sitzen auf Holzbänken unter dem Palaverbaum zusammen und überlegen, was in ihrem Dorf besser werden muss.
"Wir wollen von unseren Äckern leben können. Wir wollen die Kinder und die Frauen ernähren. Unsere Arbeit ist sehr anstrengend, darum hätten wir gerne Pflüge. Wir pflanzen Hirse, Mais, Bohnen, Sesam, und Erdnüsse. Aber es regnet zu wenig, was wir anbauen, reicht nicht, um die Familie zu ernähren. "
Auf den Regen kann man sich nicht mehr verlassen, sagt auch der Dorfchef Naba Sigri. Er trägt ein mit Silberfäden und kleinen Spiegeln besticktes Käppi und sitzt als einziger auf einem Klappstuhl:
"Normalerweise haben wir im Dorf zwei Mahlzeiten am Tag, mittags und abends. Als der Regen ausblieb, gab es oft nicht mal eine Mahlzeit. Das war vor allem für die Kinder, die Frauen und die Schwangeren schlimm. Als Dorfchef ist es meine Aufgabe, dass es allen gut geht, aber damals konnte ich einfach nicht helfen. Nachts kamen die Frauen zu Besuch und erklärten mir, dass ihre Kinder seit zwei Tagen nichts zu essen gekriegt hatten. Ich war für sie die letzte Rettung. Also habe ich die letzte Hirse aus meinem Getreidespeicher verteilt. "
Naba Sigris Vorrat hielt nicht lange. Die Deutschen Welthungerhilfe musste mit einer Getreidelieferung einspringen.
Inzwischen hat die Welthungerhilfe in Yougounini Saatgut verteilt und den Bauern beigebracht, wie man Kompost macht und damit den Boden verbessert. Marie Badini, Mutter von fünf Kindern, bekam einem Mikrokredit:
Seit wir Hilfe bekommen, hat sich unser Leben geändert. Ich züchte jetzt Ziegen und Schweine und braue Bier, erzählt die 38 jährige. Die tiefen Furchen in ihrem Gesicht lassen sie zehn Jahre älter aussehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verdient sie Geld. Bei den Gemeinschaftsarbeiten im Dorf ist sie trotzdem jedesmal dabei.
Auf den abgeernteten Hirse- und Sorghumfelder stapeln Männer in ausgebeulten Jeans und Frauen mit bunten Röcken Steine zu einem hohen Wall. Sie stehen in einer langgestreckten Grube im Sandboden, einem Erosionsgraben, durch den in der Regenzeit große Wassermengen abfließen und dabei die fruchtbare Humusschicht in tiefer gelegene Regionen spülen. Klaus Lohmann ist der Regionaldirektor der Welthungerhilfe in Burkina Faso:
"Hier fällt in einer halben Stunde soviel Wasser, wie in Deutschland in einem ganzen Monat, also ungeheure Wassermassen in wenig Zeit. So viel Wasser kann nicht einsickern. Aus diesem Grund werden diese Rückhaltedämme gemacht."
Die Steine stammen aus einem nahegelegenen Steinbruch. Die Dorfbewohner müssen sie mit der Axt aus den Felsen schlagen. Nur der LKW für den Transport wird aus Spendengeldern finanziert. Jedes einzelne Feld der Dorfbewohner soll in den nächsten vier Jahren mit einem niedrigen Steinwall umrandet werden, insgesamt 120 Hektar.
"Seit wir unsere Felder mit Steinen umranden, ernten wir wieder mehr. Diese Wälle sind eine gute Sache."
Im letzten Jahr hat die burkinische Regierung begonnen, eine Straße nicht weit von Yougounini zu bauen. Die Straße besteht aus einem Wall aus roter Lehmerde, durch Sonne und Regen gefestigt, irgendwann soll sie asphaltiert werden. Ab und zu fährt ein Auto oder ein Moped vorbei und wirbelt eine große rote Staubwolke hinter sich her.
Bis jetzt besitzt niemand im Dorf einen Wagen, auch nicht der Dorfchef. Aber wenn die Ernte in diesem Jahr gut wird, wollen die Bauern Bohnen und Erdnüsse auf einen Eselskarren laden und zum Markt ins zehn Kilometer entfernte Koungoussi fahren.
Yougounini ist ein Dorf mit etwa 1.000 Einwohnern. Weitab von der Landstraße liegt es mit seinen strohgedeckten Lehmhütten fast malerisch auf einer Anhöhe. Bis zum Baumwollfeld ist es nur ein Katzensprung. Ein kleines Feld, gerade einmal zwei deutsche Schrebergärten würden darin Platz finden.
Marcel Ouedraougou steht etwas abseits von den anderen Erntehelfern. Er trägt eine Wollmütze auf dem Kopf und eine zerschlissene Anzugjacke über der weiten Hosen. Er hat das Feld von einem anderen Dorfbewohner gepachtet. Die Menschen aus Yougounini nennen ihn den "Baumwollchef":
"Wenn viele mithelfen, werden wir vielleicht heute noch fertig. Die Baumwolle muss jetzt dringend gepflückt werden, sonst verdirbt sie. Später werden wir dolo trinken und zusammen essen."
Dolo heißt in Burkina Faso das selbstgebraute Hirsebier. Das Bier und die gemeinsamen Mahlzeit spendiert der Pächter des Feldes seinen Erntehelfer. Bezahlen kann er nicht.
Die Menschen aus Yougounini arbeiten fast ausschließlich als Subsistenzbauern. Das heißt, sie ernähren sich von dem, was auf ihren Feldern wächst und von ihren Tieren. Wie die meisten Menschen in Afrika südlich der Sahara.
Das Baumwollfeld in Yougounini ist für die Dorfbewohner ein Schritt in Richtung Marktwirtschaft. Denn die Ernte kann der Pächter Marcel Ouedraogo am Ende des Jahres an eine staatliche Firma verkaufen. So kommt wenigstens ein bisschen Geld ins Dorf.
"Wenn wir Baumwolle ernten, verdienen wir Geld. Dann können wir unsere Kinder zur Schule schicken."
Die meisten Eltern in Yougounini wollen, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Der Schulbesuch ist in Burkina Faso kostenlos. Aber die Kinder brauchen Hefte und Stifte und können weniger auf den Feldern oder bei der Hausarbeit helfen. Marie ist elf Jahre alt. Seit einer Stunde steht sie am Dorfplatz und stampft die Hirse für das Mittagessen. Marie trägt ihre jüngste Schwester in einem Tuch auf dem Rücken, während sie den Holzpflock immer wieder in den ausgehöhlten Baumstamm mit der Hirse sausen lässt.
Seit der Weltmarktpreis für Baumwolle durch die amerikanische Subventionspolitik zusammengebrochen ist, bekommen die Bauern nur noch sehr wenig Geld für ihre Ernte. Darum bauen sie jetzt wieder mehr Sorghum und Hirse für sich selbst an. Rudolf Buntzel ist der Beauftragte für Welternährungsfragen beim Evangelischen Entwicklungsdienst:
"Viele leben in Subsistenzlandwirtschaft, nicht weil sie primitv sind, wie das immer unterstellt wird, sondern das ist die letzte chance wie sie sich überhaupt noch am Leben halten können. Subsistenzlandwirtschaft ist eine Überlebenstrategie, weil die Märkte so unattraktiv sind. Sie sind zu weit weg, sie haben keine Chance sich an den Märkten zu beteiligen, also produzieren sie für den eigenen Bedarf. Sie haben nicht die Ausbildung, den Zugang zu Krediten, Land, um diesen Weg des Unternehmertums zu gehen."
Die Gegend um Yougounini gehört zum Sahelgürtel. Weil immer mehr Bäume für Feuerholz geschlagen werden und das Vieh die magere Grasnarbe abnagt, frisst sich die Wüste unaufhaltsam in ehemals bewaldetem Gebiet. Heute ist der Baumbestand locker. Zwischen Akazien, Karité- und Tamarindenbäume breiten sich Dornenbüsche aus. Die Äcker sind in den letzten Jahren immer trockener geworden, die Böden sind ausgelaugt.
Dass die Bauern in dieser klimatisch schwierigen Region bald mehr für den Export anbauen, ist kaum vorstellbar. Garnelen, Blumen oder Kaffee, hochwertiges Obst und Gemüse schlägt der Entwicklungsbericht der Weltbank vor. Das ließe sich auf dem Weltmarkt verkaufen. Dabei sind gerade in Burkina Faso schon viele Bauern mit ihrer Baumwolle auf dem Weltmarkt gescheitert.
Dorfversammlung in Yougounini. Etwa 50 Menschen aller Alterstufen sitzen auf Holzbänken unter dem Palaverbaum zusammen und überlegen, was in ihrem Dorf besser werden muss.
"Wir wollen von unseren Äckern leben können. Wir wollen die Kinder und die Frauen ernähren. Unsere Arbeit ist sehr anstrengend, darum hätten wir gerne Pflüge. Wir pflanzen Hirse, Mais, Bohnen, Sesam, und Erdnüsse. Aber es regnet zu wenig, was wir anbauen, reicht nicht, um die Familie zu ernähren. "
Auf den Regen kann man sich nicht mehr verlassen, sagt auch der Dorfchef Naba Sigri. Er trägt ein mit Silberfäden und kleinen Spiegeln besticktes Käppi und sitzt als einziger auf einem Klappstuhl:
"Normalerweise haben wir im Dorf zwei Mahlzeiten am Tag, mittags und abends. Als der Regen ausblieb, gab es oft nicht mal eine Mahlzeit. Das war vor allem für die Kinder, die Frauen und die Schwangeren schlimm. Als Dorfchef ist es meine Aufgabe, dass es allen gut geht, aber damals konnte ich einfach nicht helfen. Nachts kamen die Frauen zu Besuch und erklärten mir, dass ihre Kinder seit zwei Tagen nichts zu essen gekriegt hatten. Ich war für sie die letzte Rettung. Also habe ich die letzte Hirse aus meinem Getreidespeicher verteilt. "
Naba Sigris Vorrat hielt nicht lange. Die Deutschen Welthungerhilfe musste mit einer Getreidelieferung einspringen.
Inzwischen hat die Welthungerhilfe in Yougounini Saatgut verteilt und den Bauern beigebracht, wie man Kompost macht und damit den Boden verbessert. Marie Badini, Mutter von fünf Kindern, bekam einem Mikrokredit:
Seit wir Hilfe bekommen, hat sich unser Leben geändert. Ich züchte jetzt Ziegen und Schweine und braue Bier, erzählt die 38 jährige. Die tiefen Furchen in ihrem Gesicht lassen sie zehn Jahre älter aussehen. Zum ersten Mal in ihrem Leben verdient sie Geld. Bei den Gemeinschaftsarbeiten im Dorf ist sie trotzdem jedesmal dabei.
Auf den abgeernteten Hirse- und Sorghumfelder stapeln Männer in ausgebeulten Jeans und Frauen mit bunten Röcken Steine zu einem hohen Wall. Sie stehen in einer langgestreckten Grube im Sandboden, einem Erosionsgraben, durch den in der Regenzeit große Wassermengen abfließen und dabei die fruchtbare Humusschicht in tiefer gelegene Regionen spülen. Klaus Lohmann ist der Regionaldirektor der Welthungerhilfe in Burkina Faso:
"Hier fällt in einer halben Stunde soviel Wasser, wie in Deutschland in einem ganzen Monat, also ungeheure Wassermassen in wenig Zeit. So viel Wasser kann nicht einsickern. Aus diesem Grund werden diese Rückhaltedämme gemacht."
Die Steine stammen aus einem nahegelegenen Steinbruch. Die Dorfbewohner müssen sie mit der Axt aus den Felsen schlagen. Nur der LKW für den Transport wird aus Spendengeldern finanziert. Jedes einzelne Feld der Dorfbewohner soll in den nächsten vier Jahren mit einem niedrigen Steinwall umrandet werden, insgesamt 120 Hektar.
"Seit wir unsere Felder mit Steinen umranden, ernten wir wieder mehr. Diese Wälle sind eine gute Sache."
Im letzten Jahr hat die burkinische Regierung begonnen, eine Straße nicht weit von Yougounini zu bauen. Die Straße besteht aus einem Wall aus roter Lehmerde, durch Sonne und Regen gefestigt, irgendwann soll sie asphaltiert werden. Ab und zu fährt ein Auto oder ein Moped vorbei und wirbelt eine große rote Staubwolke hinter sich her.
Bis jetzt besitzt niemand im Dorf einen Wagen, auch nicht der Dorfchef. Aber wenn die Ernte in diesem Jahr gut wird, wollen die Bauern Bohnen und Erdnüsse auf einen Eselskarren laden und zum Markt ins zehn Kilometer entfernte Koungoussi fahren.