Die Wände im 14. Stock des Hotels in der kolumbianischen Hauptstadt wackelten bedenklich. Rapids Spieler, die sich zu einem Gastspiel in Cali aufhielten, schrien in Panik: "Zum Lift! Nix wie runter!" Nicht so Franz "Bimbo" Binder. Obwohl der Mittelstürmer durch die starken Erdstöße aus dem Bett gefallen war, schaute er seelenruhig aus dem Fenster …..
"…und mein Vater hat zu seinem Freund Robert Körner gesagt: Du, was brauch´ ma aufsteh´, wenn was schweres is, kom´ma unten sowieso nicht mehr an, hat sich umgedreht und weiter geschlafen"."
Und am nächsten Tag wieder ein Tor geschossen, erinnert sich Sohn Franz Binder junior. Diese Anekdote trifft den Charakter von "Bimbo" Binder haargenau. Stets zeichnete er sich durch große innere Ruhe und eine Portion Wiener Schmäh aus.
Der am 1. Dezember 1911 in St. Pölten geborene Binder stammte aus ärmlichen Verhältnissen – zusammen mit neun Geschwistern wuchs er in drei Räumen auf. Bereits im Alter von 15 Jahren spielte er in der ersten Mannschaft von Sturm 19 St. Pölten. Seine Torjägerqualitäten sprachen sich rasch bis nach Wien herum, so dass Rapid das noch nicht volljährige Talent verpflichten wollte. Seine Mutter ließ ihn ziehen, jedoch nicht ganz: Täglich musste er dritter Klasse mit der Eisenbahn zwischen St. Pölten und Wien-Hütteldorf pendeln. Noch bis 1936 lebte "Bimbo" Binder in der elterlichen Wohnung, wo er sich mit einem seiner Brüder ein Bett teilte.
Bei den Hütteldörfern avancierte der 1,90 Meter große Binder schnell zum Star. Sein unglaublich harter und präziser Schuss wurde zu seinem Markenzeichen. Der FC Bayern überreichte ihm 1939 ein zerrissenes Tornetz, das er mit einem seiner Gewaltschüsse durchlöchert hatte.
""Damals, ich glaub im Pokal war das, war es ein Freistoß und den hat er geschossen und der flog hinten weiter. Der Schiedrichter wollte Torabstoß geben und sogar die Münchner Spieler waren so fair und haben den Schiedsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass das alte, stark gespannte Hanfnetz im Münchner Tor Löcher aufwies und daraufhin hat der Schiedsrichter das Tor gegeben."
Zwar war Binder kein begnadeter Techniker, doch dieses Manko glich er mit enormer Laufbereitschaft und hervorragender Spielübersicht aus. Darüber hinaus konnte ihm im Kopfballspiel kaum ein Verteidiger das Wasser reichen.
Den Spitznamen "Bimbo" erhielt der untadelige Sportsmann, dessen einziges Laster das Rauchen war, anlässlich einer Nordafrika-Tournee Mitte der 30er Jahre. In Ägypten schaute sich die Mannschaft von Rapid den Kinofilm "Der Wüstensturm" an. Der schwarzafrikanische Hauptdarsteller, der auf den Namen "Bimbo" hörte, erinnerte in Laufstil und äußerer Erscheinung frappierend an den Rapid-Mittelstürmer. Fortan nannten ihn seine Mitspieler nur noch "Bimbo":
"Mein Vater war immer stolz auf den "Bimbo", er wurde mit den Jahren sein Markenzeichen. Er wurde auch nie falsch angewendet in einer rassistischen oder anderen Art und ich glaube ganz Europa und alle Fußballfans haben dieses Markenzeichen "Bimbo" Binder angenommen. Selbst zu Zeiten des Nationalsozialismus sind in deutschen Zeitungen die Ankündigungen für Spielaufstellungen – mein Vater hat ja neunmal in der deutschen Nationalmannschaft gespielt – auch unter "Bimbo" Binder gelaufen und da hat man sich also wirklich nichts schlechtes dabei gedacht"
Zweifellos zählt "Bimbo" Binder zu den größten Torjägern aller Zeiten. In 798 Spielen für Rapid und diverse Auswahlmannschaften erzielte er 1155 Tore, was einen im internationalen Fußball unerreichten Torquotienten von 1,45 ergibt. Nicht einmal Torjägerlegenden wie Pelé oder Gerd Müller können hier mithalten. Auch für das deutsche Nationalteam schoss der Rapid-Kapitän nach dem ´Anschluss` Österreichs an das Deutsche Reich in neun Spielen zehn Tore.
Seine Sternstunde als Fußballer erlebte der "Kanonier" von Hütteldorf aber am 22. Juni 1941. Im Finale um die Deutsche Meisterschaft lag Rapid gegen Schalke 04 im Berliner Olympiastadion bereits 0:3 zurück. Nach dem Anschlusstreffer von Georg Schors gelang Binder in weniger als zehn Spielminuten ein Hattrick zum 4:3-Sieg Rapids. Auf den Schultern begeisterter Zuschauer wurde der Matchwinner vom Feld getragen.
Nach seinem Karriereende schlug Binder die Trainerlaufbahn ein und betreute mit unterschiedlichem Erfolg unter anderem Rapid Wien, Jahn Regensburg, den 1. FC Nürnberg, PSV Eindhoven und 1860 München. "Seine Tragik war eine leichte Glücklosigkeit", bedauerte Franz Binder jr. und spielte dabei auf den Umstand an, dass sein Vater oft Mannschaften aufbaute und seine Nachfolger später die Früchte seiner Arbeit ernten durften.
Auch als Trainer bewies Binder etliche Male seine legendäre Gemütsruhe und seinen Schmäh. Beim Spiel des PSV Eindhoven gegen Groningen im Jahr 1962 stand es eine Minute vor dem Abpfiff 1:1, als der PSV vor dem gegnerischen Tor einen Freistoß erhielt. Eindhovens Rechtsaußen Jan Louwers hatte mit dem Spiel offensichtlich schon abgeschlossen und stand völlig unbeteiligt auf dem Platz herum. PSV-Trainer Binder erhob sich von der Bank, ging einen Meter ins Spielfeld hinein und sagte zu Louwers in bestem Wiener Dialekt:
""Herr Louwers, woll´n wir nicht, wenn wir einen Freistoß für uns haben, wenigstens in den gegnerischen Strafraum gehen? – Der ist auf einmal aufgewacht, die Zuschauer haben gelacht, ist in den Strafraum gelaufen, der Linksaußen hebt den Ball hinein, er köpft das 2:1 und mein Vater wird als Torschütze gefeiert"."
1976 beendete "Bimbo" Binder seine Trainerkarriere. Als er am 24.04.1989 mit 77 Jahren starb, erwiesen ihm Tausende auf dem Wiener Friedhof Baumgarten die letzte Ehre. Heute erinnert in St. Pölten eine Straße an den großen Sohn der Stadt: die Bimbo-Binder-Promenade.
Hinweis:
Franz "Bimbo" Binder wäre am 1. Dezember 100 Jahre alt geworden, auch aus diesem Anlaß ist gerade über ihn das Buch "Ein Leben für den Fußball" im Residenz Verlag erschienen", 304 Seiten, 29,90 Euro, verfasst natürlich von Sohn Franz Binder.
"…und mein Vater hat zu seinem Freund Robert Körner gesagt: Du, was brauch´ ma aufsteh´, wenn was schweres is, kom´ma unten sowieso nicht mehr an, hat sich umgedreht und weiter geschlafen"."
Und am nächsten Tag wieder ein Tor geschossen, erinnert sich Sohn Franz Binder junior. Diese Anekdote trifft den Charakter von "Bimbo" Binder haargenau. Stets zeichnete er sich durch große innere Ruhe und eine Portion Wiener Schmäh aus.
Der am 1. Dezember 1911 in St. Pölten geborene Binder stammte aus ärmlichen Verhältnissen – zusammen mit neun Geschwistern wuchs er in drei Räumen auf. Bereits im Alter von 15 Jahren spielte er in der ersten Mannschaft von Sturm 19 St. Pölten. Seine Torjägerqualitäten sprachen sich rasch bis nach Wien herum, so dass Rapid das noch nicht volljährige Talent verpflichten wollte. Seine Mutter ließ ihn ziehen, jedoch nicht ganz: Täglich musste er dritter Klasse mit der Eisenbahn zwischen St. Pölten und Wien-Hütteldorf pendeln. Noch bis 1936 lebte "Bimbo" Binder in der elterlichen Wohnung, wo er sich mit einem seiner Brüder ein Bett teilte.
Bei den Hütteldörfern avancierte der 1,90 Meter große Binder schnell zum Star. Sein unglaublich harter und präziser Schuss wurde zu seinem Markenzeichen. Der FC Bayern überreichte ihm 1939 ein zerrissenes Tornetz, das er mit einem seiner Gewaltschüsse durchlöchert hatte.
""Damals, ich glaub im Pokal war das, war es ein Freistoß und den hat er geschossen und der flog hinten weiter. Der Schiedrichter wollte Torabstoß geben und sogar die Münchner Spieler waren so fair und haben den Schiedsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass das alte, stark gespannte Hanfnetz im Münchner Tor Löcher aufwies und daraufhin hat der Schiedsrichter das Tor gegeben."
Zwar war Binder kein begnadeter Techniker, doch dieses Manko glich er mit enormer Laufbereitschaft und hervorragender Spielübersicht aus. Darüber hinaus konnte ihm im Kopfballspiel kaum ein Verteidiger das Wasser reichen.
Den Spitznamen "Bimbo" erhielt der untadelige Sportsmann, dessen einziges Laster das Rauchen war, anlässlich einer Nordafrika-Tournee Mitte der 30er Jahre. In Ägypten schaute sich die Mannschaft von Rapid den Kinofilm "Der Wüstensturm" an. Der schwarzafrikanische Hauptdarsteller, der auf den Namen "Bimbo" hörte, erinnerte in Laufstil und äußerer Erscheinung frappierend an den Rapid-Mittelstürmer. Fortan nannten ihn seine Mitspieler nur noch "Bimbo":
"Mein Vater war immer stolz auf den "Bimbo", er wurde mit den Jahren sein Markenzeichen. Er wurde auch nie falsch angewendet in einer rassistischen oder anderen Art und ich glaube ganz Europa und alle Fußballfans haben dieses Markenzeichen "Bimbo" Binder angenommen. Selbst zu Zeiten des Nationalsozialismus sind in deutschen Zeitungen die Ankündigungen für Spielaufstellungen – mein Vater hat ja neunmal in der deutschen Nationalmannschaft gespielt – auch unter "Bimbo" Binder gelaufen und da hat man sich also wirklich nichts schlechtes dabei gedacht"
Zweifellos zählt "Bimbo" Binder zu den größten Torjägern aller Zeiten. In 798 Spielen für Rapid und diverse Auswahlmannschaften erzielte er 1155 Tore, was einen im internationalen Fußball unerreichten Torquotienten von 1,45 ergibt. Nicht einmal Torjägerlegenden wie Pelé oder Gerd Müller können hier mithalten. Auch für das deutsche Nationalteam schoss der Rapid-Kapitän nach dem ´Anschluss` Österreichs an das Deutsche Reich in neun Spielen zehn Tore.
Seine Sternstunde als Fußballer erlebte der "Kanonier" von Hütteldorf aber am 22. Juni 1941. Im Finale um die Deutsche Meisterschaft lag Rapid gegen Schalke 04 im Berliner Olympiastadion bereits 0:3 zurück. Nach dem Anschlusstreffer von Georg Schors gelang Binder in weniger als zehn Spielminuten ein Hattrick zum 4:3-Sieg Rapids. Auf den Schultern begeisterter Zuschauer wurde der Matchwinner vom Feld getragen.
Nach seinem Karriereende schlug Binder die Trainerlaufbahn ein und betreute mit unterschiedlichem Erfolg unter anderem Rapid Wien, Jahn Regensburg, den 1. FC Nürnberg, PSV Eindhoven und 1860 München. "Seine Tragik war eine leichte Glücklosigkeit", bedauerte Franz Binder jr. und spielte dabei auf den Umstand an, dass sein Vater oft Mannschaften aufbaute und seine Nachfolger später die Früchte seiner Arbeit ernten durften.
Auch als Trainer bewies Binder etliche Male seine legendäre Gemütsruhe und seinen Schmäh. Beim Spiel des PSV Eindhoven gegen Groningen im Jahr 1962 stand es eine Minute vor dem Abpfiff 1:1, als der PSV vor dem gegnerischen Tor einen Freistoß erhielt. Eindhovens Rechtsaußen Jan Louwers hatte mit dem Spiel offensichtlich schon abgeschlossen und stand völlig unbeteiligt auf dem Platz herum. PSV-Trainer Binder erhob sich von der Bank, ging einen Meter ins Spielfeld hinein und sagte zu Louwers in bestem Wiener Dialekt:
""Herr Louwers, woll´n wir nicht, wenn wir einen Freistoß für uns haben, wenigstens in den gegnerischen Strafraum gehen? – Der ist auf einmal aufgewacht, die Zuschauer haben gelacht, ist in den Strafraum gelaufen, der Linksaußen hebt den Ball hinein, er köpft das 2:1 und mein Vater wird als Torschütze gefeiert"."
1976 beendete "Bimbo" Binder seine Trainerkarriere. Als er am 24.04.1989 mit 77 Jahren starb, erwiesen ihm Tausende auf dem Wiener Friedhof Baumgarten die letzte Ehre. Heute erinnert in St. Pölten eine Straße an den großen Sohn der Stadt: die Bimbo-Binder-Promenade.
Hinweis:
Franz "Bimbo" Binder wäre am 1. Dezember 100 Jahre alt geworden, auch aus diesem Anlaß ist gerade über ihn das Buch "Ein Leben für den Fußball" im Residenz Verlag erschienen", 304 Seiten, 29,90 Euro, verfasst natürlich von Sohn Franz Binder.