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"Der Klang der Solidarität - von Südafrika nach Gaza"

Zu Zeiten der Rassentrennung in Südafrika galt der kulturelle Boykott als Mittel, politische Veränderung zu fordern. Heute rufen Künstler des Landes zu einem solchen Boykott in Israel auf. Weltstars wie Madonna oder die Red Hot Chili Peppers, die dort auftreten, müssen sich deshalb den Vorwurf anhören, ihnen sei Geld wichtiger als Moral.

Von Kerstin Poppendieck |
    "Unsere Eltern haben das Biest einmal besiegt. Jetzt ist das Biest zurück und es muss wieder besiegt werden. Das ist der Klang der Solidarität, von Südafrika nach Gaza. Freiheit für Palästina"

    - so heißt es in einem Lied der "South African Artists Against Apartheid", eine Bewegung südafrikanischer Künstler, die zu einem kulturellen Boykott in Israel aufrufen. So wie sich zwischen 1960 und 1990 Künstler weltweit darauf geeinigt hatten, nicht in Südafrika aufzutreten, solange das Apartheidregime an der Macht ist, fordern dies immer mehr Künstler heute für Israel.

    Der ehemalige Minister für Kunst und Kultur Pallo Jordan kann sich noch sehr gut an die damaligen Diskussionen erinnern über Sinn und Unsinn eines solchen Boykotts.

    "Ein immer wieder genanntes Argument war, dass wenn wir Südafrika vom Rest der Welt kulturell isolieren, dann würden wir alles nur noch schlimmer machen. Aber wenn man ein Land so behandelt, als wäre alles ganz normal, dann kommt das bei den Bewohner des Landes so an, als würde man die Situation dort gutheißen und unterstützen. Ein Boykott zeigt, dass man das Problem im Land erkannt hat."

    Man könnte meinen, dass ein kultureller Boykott nur die kulturinteressierte Bevölkerung trifft, doch Freiheitskämpfer und ANC-Mitglied Pallo Jordan erkannte damals schnell, dass der Boykott eine große psychologische Wirkung auf diejenigen des Apartheidregimes hatte, die eine Vorliebe für Kunst oder beruflich mit Kunst und Kultur zu tun hatten. Es kamen keine internationalen Künstler, Stipendiaten oder Akademiker aus anderen Teilen der Welt nach Südafrika, es gab keinen internationalen Vergleich in Wettbewerben. Das habe alles enorme Auswirkungen auf die Einstellung der Apartheidregierung gehabt, berichtet Pallo Jordan. Gleichzeitig habe der Boykott die einheimische Kulturszene gefördert, wie Rozzano Davids, einer der Gründungsmitglieder von "South African Artists Against Apartheid" erzählt.

    "Ein positives Ergebnis des kulturellen Boykotts war, dass er die Menschen wieder stolz auf ihre eigenen Künstler gemacht hat. Heute klingen doch alle jungen Hip Hop Musiker wie Amerikaner, egal ob sie aus Kenia kommen, aus Kapstadt oder Johannesburg. Das war während des Boykotts anders. In Kapstadt sind zum Beispiel in dieser Zeit zwei ganz eigene Hip Hop Stile entstanden. Das hat die Leute hier stolz gemacht und das war ein positiver Effekt."

    Rozzano Davids sieht viele Parallelen zwischen Südafrika und Israel. Allerdings bezweifelt er, dass ein kultureller Boykott heute noch so effektiv wäre wie damals in Südafrika. Selbst wenn Künstler nicht in Israel auftreten, könne heute jeder Dank Internet und Handy jeden Künstler hören und sehen. In den 70ern und 80ern dagegen gab es keine sozialen Medien, kein Internet und keine Handys. Wer nicht ins Land kam, blieb ungehört. Für den ehemaligen Kulturminister Pallo Jordan ist ein kultureller Boykott trotzdem noch immer noch ein angemessenes Mittel, politische Veränderungen zu fordern.

    "Die Menschen, die einen kulturellen Boykott in Israel vorschlagen, machen das aus den gleichen Gründen wie wir damals in Südafrika: sie wollen die Politiker zurechtweisen und ihnen sagen, dass sie Fehler machen. Die Probleme in Israel gibt es jetzt mittlerweile seit den 50er-Jahren. Wenn der Boykott dort irgendeine Auswirkung auf das Verhalten der israelischen Regierung und der Bewohner hat, dann unterstütze ich das."

    Doch nicht alle südafrikanischen Künstler unterstützen einen Boykott in Israel. Immer wieder wird das Beispiel Paul Simon angeführt. Der kam 1986 zu Zeiten der Rassentrennung und trotz des Boykotts nach Südafrika, um sein Album "Graceland" aufzunehmen.

    Dieses Album und der Fokus, den es auf die Situation im Land gerichtet hat, habe viel mehr bewirkt als jeder Boykott, so die Meinung der Gegner. Musiker sollten vielmehr mit ihren Mitteln gegen die Missstände in Israel kämpfen – mit Musik.