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Der Kölner Dom
Das perfekte Logo

Der Kölner Dom steht Jahr für Jahr auf Platz 1 des Rankings um das beliebteste deutsche Städtewahrzeichen. Die Kölner danken es ihm mit Zuneigung - schon als der Dom noch nicht seine Zwillingstürme hatte. Inzwischen kommt die Kirche in fast jedem Karnevalslied vor.

Von Beatrix Novy |
Blick auf den Kölner Dom
Unverwechselbar: Die markanten Zwillingstürme des Kölner Doms ragen in den Nachthimmel (dpa / picture alliance / Horst Ossinger)
Musik
"Wenn ich su aan ming Heimat denke
Un' sin d'r Dom su für mir ston..."
"Man sieht diesen Dom und dann ist man glücklich." Barbara Schock-Werner, geborene Ludwigsburgerin, wohnt als langjährige Kölner Dombaumeisterin auch im Ruhestand nur einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt - da, wo 1945 nichts mehr stand und Willi Ostermanns sentimentales Lied aus den 30er Jahren einen neuen, in ganz Deutschland vertrauten Sinn bekam.
"Der Dom steht noch!"
"In diesem total zerstörten Köln, wenn die Leute wiederkamen, aus Gefangenschaft, Evakuierung, aus den Kellern: Man merkt heute noch, wie wichtig und emotional das war; man kommt in diese kaputte Stadt und der Dom steht noch!"
Kein Tourismus-Marketing hätte sich ein besseres Logo ausdenken können, um eine von Schicksal und Städtebau nicht verwöhnte Stadt trotzdem weltberühmt zu machen.
Barbara Schock-Werner braucht nur zwei Häschen-Finger zu heben, schon erscheinen vor dem inneren Auge zwei wohlbekannte Spitztürme. Es besteht keine Verwechslungsgefahr: "Durch diese markante Form ist das an Wiedererkennungswert ganz groß."
Domtürme auf Holzbrettchen
Der Kölner Dom ist wie ein Kölner Karnevalslied: Noch das schlichteste Gemüt kann ihn sich merken. Der Künstler Christo, in frühen Jahren Köln-Bewohner, hätte diese einprägsame Form 1992 gern verpackt, wurde aber abgewiesen. Eine Lithografie dieses sehr elegant wirkenden Projekts - "Mein Kölner Dom Wrapped" - wurde immerhin später teuer versteigert. Wie vergleichsweise mühelos auch weniger bedeutende Künstler aus dem Dom etwas machen können, zeigte vor ein paar Jahren ein junger Maler, der beim Zwischenaufenthalt in Köln die Domtürme drei Tage lang auf Holzbrettchen pinselte. Sie gingen weg wie warme Semmeln.
Ein gefundenes Fressen musste der Dom auch für die Pop-Art sein; aber Andy Warhol verweigerte sich der berühmten Silhouette und verwandelte sie in ein von unten gesehenes spitz aufragendes Gebirge. Die jüngste künstlerische Auseinandersetzung mit dem Dom lieferte Gerhard Richter mit seinem umstrittenen Fenster, das nun als Richter-Fenster zum Markenzeichen in eigener Sache wurde.
Das Unvollendete als Bild des Mittelalters
In früheren Jahrhunderten war für Landschaftsmaler der Dom kaum mehr als ein Stück Rheinromantik; auch William Turner malte eine Stadtansicht von Köln mit Rhein und Hafen. Der Dom, der mehr im Hintergrund zu sehen ist, war allerdings nicht das heute weltbekannte Wahrzeichen, sondern ein großartiger Torso ohne fertige Türme, dafür mit einem ächzenden mittelalterlichen Baukran. 1528, 280 Jahre nach Baubeginn, hatten die klammen Kölner das Großprojekt Dom aufgegeben. Die Gotik war sowieso unmodern geworden.
"Der Dom wird auch in diesen Umgebungen erst recht bedeutend, selbst das Unvollendete...erregt auf eine ungeheure Weise und ist das Bild des Mittelalters"
… schrieb Wilhelm Grimm in romantischer Bewunderung, mitten in die national-religiöse Begeisterung hinein, die seit den napoleonischen Kriegen auf die Vollendung des Doms drängte. 1848 feierte Jacques Offenbach das 600jährige Domjubiläum noch unbeschwert mit dem Kölner Männergesangsverein.
"Zwei perfekte Türme hochgezogen"
1880 war der Dom mit Hilfe der ungeliebten Preußen vollendet, etabliert im Lauf jahrzehntelanger Debatten als Inbegriff sogenannter deutscher Baukunst und nationalen Einigungsstrebens. Nichtsdestoweniger trauerten die Kölner um ihren geliebten Baukran, zahllose Reliquien wurden aus seinem Holz gebastelt und verkauft. Barbara Schock-Werner:
"Man muss sich vorstellen, dass der Dom ein merkwürdiges Gebilde war, der Chor, ein Turm, Wand dazwischen, und dann werden da zwei perfekte Türme hochgezogen!"
Eine unsterbliche Romanwidmung wie Victor Hugos "Glöckner von Notre-Dame" war dem Dom nicht vergönnt, dafür aber Heinrich Heines vehemente Verse gegen ein Sinnbild vaterländisch verbrämten reaktionären Pfaffentums:
"Und er wird nicht vollendet, der Kölner Dom, trotz allem Geschrei
Der Raben und der Eulen,
Die, altertümlich gesinnt, so gern
In hohen Kirchtürmen weilen."
Kirche und Karneval
Auch Heinrich Böll entwickelte nie ein herzliches Verhältnis zum Dom. Er empfahl lieber die romanischen Kirchen. Der Dom lebt heute am üppigsten in den Genres der modernen kommerzialisierten Heimatliebe: im Köln-Krimi, allen voran Frank Schätzings "Tod und Teufel", das dem sagenhaften ersten Dombaumeister Gerhard ein weiteres Denkmal setzt, und im Karnevalslied.
Barbara Schock-Werner:
"Eine Kirche, die in nahezu jedem Karnevalslied vorkommt, ist auch etwas Einmaliges."