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Der Komponist Giovanni Battista Bononcini
Verehrt, verarmt, vergessen

Liebe und Eifersucht, Triumph und Rache, wilde Verzweiflung und zärtliche Hingabe: Der Opern-Komponist Giovanni Battista Bononcini gab dem Publikum, wonach es verlangte. Vor 350 Jahren geboren, wurde er in ganz Europa berühmt und zum großen Konkurrenten Händels - dann kam der Absturz.

Von Michael Stegemann |
    Portrait von Giovanni Battista Bononcini (1670-1747), italienischer Barock-Komponist und Cellist
    Mit Georg Friedrich Händel lieferte sich Giovanni Battista Bononcini in London regelrechte Kompositions-Wettstreite (picture alliance / dpa / Leemage / Luisa Ricciarini)
    Giovanni Battista Bononcini, geboren am 18. Juli 1670 in Modena als Sohn eines Kirchenmusikers, begann seine musikalische Laufbahn als Wunderkind auf dem Violoncello. Mit 18 wurde er Kirchenkapellmeister in Bologna und hätte wohl wie sein jüngerer Bruder Antonio Maria diesen Weg auch weiter beschritten – wäre er nicht Silvio Stampiglia begegnet, einem der angesehensten Opern-Librettisten der Zeit. Stampiglia lockte Bononcini zum Theater und die fünf Opern, die sie gemeinsam zwischen 1692 und ’96 herausbrachten, legten den Grundstein einer Karriere, die Bononcini kreuz und quer durch Europa führte.
    Ruhm weit über Italien hinaus
    Wie der 1695 in Rom uraufgeführte Muzio Scevola stehen alle der rund 60 Opern Bononcinis in der Tradition der barocken opera seria Alessandro Scarlattis: mythologische und historische Stoffe, die einem bunten Kaleidoskop von Affekt-Arien Raum geben – Liebe und Eifersucht, Triumph und Rache, wilde Verzweiflung und zärtliche Hingabe. Es war genau das, was das Publikum wollte; und da Bononcini zudem glänzend für die menschliche Stimme zu komponieren verstand, liebten ihn auch die Sängerinnen und Sänger und trugen maßgeblich dazu bei, dass sein Ruhm bald weit über Italien hinaus strahlte. Von Rom ging er über Venedig nach Wien und wurde Mitglied der Hofkapelle Kaiser Leopolds I. Ein zweijähriges Intermezzo führte ihn 1702/1703 nach Berlin, wo er mehrere Opern für die Königin Sophie Charlotte schrieb – darunter Cefalo e Procride.
    "Bononcinis Genius ermöglichte ihm den Ausdruck zarter und pathetischer Gefühle. Seine Melodien – die reichsten und süßesten, die wir kennen – bezeugen einen ganz eigenen Stil; seine Harmonien sind originell, dabei aber natürlich, und seine Rezitative haben alle Vielfalt der Modulationen, wie wir sie auch im Sprechen verwenden."
    Kompositions-Wettstreit mit Händel
    Das Lob des englischen Musiklexikon-Autors John Hawkins von 1776 zeigt, in wie hohem Ansehen Giovanni Battista Bononcini auch fast 30 Jahre nach seinem Tod noch in Fachkreisen stand. Tatsächlich waren seine Opern und seine wenigstens 350 Kantaten Meisterwerke, wie man sie sonst nur von seinem großen Konkurrenten Georg Friedrich Händel kannte, mit dem er sich in London regelrechte Kompositions-Wettstreite um die Gunst des Publikums lieferte. Nach einigen Reisejahren war Bononcini 1720 nach England gegangen, und zeitweise hatte Händel alle Mühe, mit den Erfolgen des 15 Jahre älteren Italieners Schritt zu halten.
    Vor allem Bononcinis hochvirtuose Kantaten wie Chi d’amor tra le catene waren so sehr in Mode, dass Bononcini kaum mit dem Komponieren nachkam.
    Wenig Weiterentwicklung und Plagiatskandal
    Mit der Zeit jedoch verblasste Bononcinis Ruhm, zumal er sich stilistisch kaum weiterentwickelte; dann kam auch noch ein Plagiatskandal hinzu: Bononcini hatte ein Werk von Antonio Lotti als eigene Komposition ausgegeben und musste London 1733 unrühmlich verlassen. Mit inzwischen 63 Jahren hätte er sich wohl zurückziehen können, doch es trieb ihn weiter: nach Paris, wo er für das renommierte Concert spirituel komponierte; nach Lissabon, wo er Cellolehrer des portugiesischen Königs wurde; und schließlich wieder nach Wien, wo 1737 seine letzte Oper Zenobia kaum mehr Beachtung fand.
    Verarmt und fast vergessen
    Nachdem er bei dubiosen Spekulationen fast sein ganzes Geld verloren hatte und nur dank einer Leibrente der Kaiserin Maria Theresia über die Runden kam, starb Giovanni Battista Bononcini – verarmt und fast völlig vergessen – am 9. Juli 1747 in Wien, neun Tage vor seinem 77. Geburtstag.