Lange: Monatelang haben die Verantwortlichen von UNO, EU und OSZE im Kosovo mit besorgtem Blick auf das Wochenende geschaut, das nun hinter uns liegt. In der Provinz sollten erstmals die Kommunalparlamente frei gewählt werden, und da hatte man vieles erwartet, nur nicht einen derart friedlichen Verlauf, wie er nun zu beobachten war. Entsprechend ist nun auch der Überschwang. Ein phantastischer 28. Oktober, so UNO-Verwalter Bernard Kouchner, der den Kosovaren für die demokratische Reifeprüfung dankte. Ein Wahlergebnis liegt noch nicht vor, aber allein dass die Wahlen stattfanden und wie sie stattfanden, das gilt als Erfolg. - Mein Kollege Elias Bierdel hatte Gelegenheit zu einem Gespräch mit Tom Koenigs, dem UNO-Beauftragten für den Aufbau der Zivilverwaltung im Kosovo.
Bierdel Herr Koenigs, wir kennen die endgültigen Resultate des Wahlgangs vom Samstag noch nicht, aber von drei Tatsachen können wir ausgehen: Die Wahlbeteiligung war sehr, sehr hoch, die gemäßigten Kräfte hier im Land gehen in der Fläche als Sieger aus dieser Wahl hervor und es ist friedlich geblieben. Haben Sie zunächst mal mit diesem Ergebnis so gerechnet?
Koenigs: Ich habe eigentlich damit gerechnet, weil wir haben uns sehr lange und sehr sorgfältig vorbereitet. Ich bin natürlich sehr froh, dass es so eingetreten ist. Da gab es ganz verschiedene politische Faktoren, die dort mitgespielt haben. Einer ist natürlich auch, dass wir hier keinen Krieg mehr befürchten müssen, denn das ist das zentrale Ergebnis auch für Kosovo von der Veränderung in Belgrad. Wir müssen nicht befürchten, dass es hier noch mal eine kriegerische Auseinandersetzung in der nächsten Zeit gibt, und das ist eine riesen Erleichterung. Die andere Seite ist natürlich nach wie vor ungelöst, und die löst auch diese Wahl, an der die Serben sich ja leider nicht beteiligt haben, nicht, nämlich wie kommen diese beiden Ethnien miteinander aus.
Bierdel Der Boykott der Serben ist sicherlich zu bedauern. Viele andere Minderheitengruppen hier im Land haben sich aber im Kosovo beteiligt. Ist das nicht immerhin ein unerwartet guter Erfolg?
Koenigs: Es haben sich ansonsten eigentlich alle Minderheitengruppen beteiligt. Wir hoffen natürlich, dass in den Gemeinderäten jetzt die Minderheiten auch so vertreten sind, dass sie aktionsfähig sind. Wenn das irgendwo nicht der Fall ist, dann muss man zusätzliche Leute ernennen. Das sieht das Gesetz vor. Einer der Schwerpunkte des Gemeindegesetzes war ja, den Schutz der Minderheiten in den Institutionen zu garantieren. Das wird es auch bei jeden anderen, meinetwegen provinzweiten Institutionen, die wir ja irgendwann auch in gewählter Form bekommen müssen, vorhanden sein. Wir müssen uns darum kümmern, dass auch institutionell abgesichert ist, dass die Minderheiten berücksichtigt werden, allerdings natürlich nicht als Mehrheiten, sondern als Minderheiten.
Bierdel Dies kann nun ein erster Schritt gewesen sein. Daann Everts, der OSZE-Botschafter hier im Kosovo, hat im Grunde gestern noch einmal versprochen, es wird nun rasch weitere Wahlen geben: Parlamentswahlen sicherlich, vielleicht auch Präsidentschaftswahlen. Geht Ihnen das zu schnell?
Koenigs: Ich bin der Meinung, dass man nachdem das bei den Gemeinden relativ gut gegangen ist eine Zeit braucht, um das in den Gemeinden dann auch arbeitsfähig zu machen, man sich dann aber sehr bald überlegen muss, wie sieht das eigentlich auf der zentralen Ebene aus. Auch um gegenüber den Serben in Belgrad verhandlungsfähig zu sein, muss man ja politische Führer des Landes haben, die mehr sind als nur von der internationalen Gemeinschaft oder vom Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ernannt. Dazu sind relativ baldige allgemeine Wahlen notwendig, und ich glaube, daran sollten wir uns machen, das zügig vorzubereiten. Nun fragen Sie mich nicht, in welchem der nächsten Monate das denn eigentlich sein sollte, aber ich finde, im Laufe des nächsten Jahres müßte es sein.
Bierdel Dies waren Kommunalwahlen, theoretisch zumindest, denn das große und alles beherrschende Thema für die Albaner hier ist natürlich die Unabhängigkeit, die sie weiterhin anstreben. Die internationale Gemeinschaft hat das bisher mit Hinweis auf die Unveränderbarkeit der Grenzen von Jugoslawien abgelehnt. Wir man jetzt und auch nach den Wahlen, die denn da in den nächsten Monaten kommen werden, tatsächlich den Albanern diesen Wunsch noch versagen können?
Koenigs: Zunächst einmal sind wir ja gebunden an die Sicherheitsratsresolution 1244, und die spricht eine sehr deutliche Sprache, dass zwar substanzielle Autonomie und auch Selbstregierung möglich gemacht werden sollen, aber im Rahmen der Bundesrepublik Jugoslawien. Innerhalb dieses Rahmens ist aber sehr viel möglich. Ich glaube, es ist weise, das was hier gewünscht wird, nämlich Unabhängigkeit, herunterzudeklinieren zu einzelnen Schritten, die dann auch gangbar sind. Das sind natürlich eigene Institutionen. Das sind natürlich eigene Repräsentanten. Das ist aber auch ein Institutionengefüge, das es möglich macht, dass sich die Minderheiten hier sicher fühlen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wenn Sie sich angucken, was denn eigentlich gewünscht wird von den unterschiedlichen Handelnden in Punkto Autonomie, dann ist es doch im wesentlichen ein normales Leben im Rahmen von Europa, möglichst auch der Europäischen Gemeinschaft, und nicht wieder unterjocht zu werden von Serbien. Das ist meines Erachtens jedoch etwas, was auf dem Verhandlungswege durchaus und dann auch mit den gewählten Repräsentanten in Belgrad zu erreichen wäre. Montenegro versucht das, Kosovo könnte das durchaus auch versuchen. Natürlich sind die Bedingungen mit einem gewählten Präsidenten in Serbien besser als mit einem Diktator, der ja gar nicht reden wollte und nicht reden brauchte. Die internationale Gemeinschaft und die Europäische Gemeinschaft kann natürlich sehr viel dazu tun, indem sie ihre notwendige und hoffentlich rechtzeitige Hilfe für Serbien damit verbindet, dass es hier eine Gesprächsbereitschaft gibt, eine Gesprächsbereitschaft in Richtung auch auf einen dauerhaften Friedenszustand, der dann auch die nötigen Formen der Demokratie, die nötigen Institutionen der Demokratie und auch die Durchsetzung der Demokratie gewährleistet.
Lange: So weit Tom Koenigs im Gespräch mit Elias Bierdel. - Das offizielle Wahlergebnis liegt wie gesagt noch nicht vor, aber die demokratische Liga, LDK, von Ibrahim Rugova hat sich bereits zum Sieger erklärt. Die radikalere demokratische Partei, PDK, sie ist aus den Rebellenverbänden der UCK hervorgegangen, sie soll angeblich nur zweitstärkste Kraft geworden sein. Wie geht es jetzt weiter im Kosovo? - Am Telefon ist nun Bujar Bukoshi, LDK-Politiker und frührer Premierminister der Exilregierung. Guten Morgen!
Bukoshi: Guten Morgen.
Lange: Herr Bukoshi, gehen wir mal davon aus, dass diese inoffiziellen Angaben stimmen. Wie erklären Sie sich, dass die Wähler im Kosovo Ihrer Partei das Vertrauen gegeben haben und nicht den verdienten Kämpfern der UCK?
Bukoshi: Die Wähler in Kosova haben zehn Jahre lang dasselbe gezeigt und immer neue Beweise gebracht. Diese Lokalwahlen haben noch einmal bewiesen, dass die Albaner in Kosova nicht einmal an irgendwelche Rückkehr des serbischen Staates in diese Region denken. Das ist für mich und für alle Albaner in Kosova ein großer Schritt in die Richtung der Unabhängigkeit des Kosova.
Lange: Werden die Anhänger der früheren UCK hinnehmen, wenn sie jetzt politisch nur noch die Nummer zwei sind?
Bukoshi: Die Anhänger der UCK sollen endlich begreifen, dass der Krieg im Kosovo vorbei ist, dass die Lage im Kosovo völlig anders geworden ist. Wenn sie Politik machen wollen, müssen sie Politik mit den politischen Mitteln betreiben, aber nicht mit Kalaschnikows und mit der Kriegslobby.
Lange: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die LDK und die PDK zu einem gemeinsamen politischen Kurs kommen?
Bukoshi: Wir bemühen uns immer, einen Konsens mit allen Beteiligten zu erreichen, aber diesmal hat man noch mal bewiesen: man hat die politischen Kräfte identifiziert, die Verantwortung für den Kosovo übernehmen können und sehr würdig diesen Weg, der in die Richtung einer Unabhängigkeit führt, konsequent weiter durchführen.
Lange: Wie stehen Sie zu dieser Äußerung von Tom Koenigs? Er sagte, die Unabhängigkeit herunterdeklinieren auf eine Autonomie.
Bukoshi: Für die Albaner ist die Tatsache ziemlich frustrierend, dass viele westliche Politiker sich so verhalten. Ich weis nicht warum. Teilweise verstehe ich nicht, ob eine Nostalgie für dieses Jugoslawien weiterhin besteht. Die Sache ist gelaufen, wie Altbundeskanzler Kohl damals Herrn Gorbatschow erklärt hat. Es ist ein irreversibler Prozess in Kosova. Es geht nicht um die Emotionen, sondern die Albaner als konstitutiver Faktor des früheren jugoslawischen Gesamtstaates haben das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit nach dem Zerfall Jugoslawiens. Die Albaner in Kosova werden natürlich mit allen Mitteln eine Rückkehr des serbischen oder jugoslawischen Staates in den Kosovo verhindern. Wie Sie wissen und wie alle wissen besteht kein Jugoslawien mehr. Selbst in Belgrad wird jetzt erklärt, es gibt kein Jugoslawien, sondern Serbien und Montenegro. Die Situation ist völlig verändert und es wird kein Weltuntergang geschehen, wenn auch Kosova unabhängig wird, denn wir können immer beweisen, dass Kosova nur ein Faktor der Stabilisierung sein kann und kein Störfaktor, wie Serbien es war.
Lange: Herr Bukoshi, was bedeutet das für die serbischen Parlamentswahlen im Dezember? Werden Sie und Ihre Landsleute dann akzeptieren, dass auch im Kosovo gewählt wird?
Bukoshi: Die Albaner in Kosova benehmen sich, als wenn der Kosovo unabhängig wäre. Der Kosovo ist praktisch und de facto unabhängig. Nur wir sind uns natürlich bewusst, dass uns ein mühsamer Prozess bevorsteht. Mit Serbien wollen wir aber nichts mehr zu tun haben, denn es ist eine inkompatible Sache. Man kann doch nicht erwarten, dass nach allem was geschehen ist eine Rückkehr des serbischen Staates nach Kosova möglich ist.
Lange: Aber die serbischen Parlamentswahlen würden davon ausgehen, dass Kosovo immer noch irgendwie zu Jugoslawien gehört?
Bukoshi: Ja. Auch Herr Koenigs spricht von dieser Resolution 12244. Wissen Sie, Resolutionen sind Resolutionen und die Realitäten sind etwas anderes. Das ist ein Papier, das durch die Entwicklungen und durch die Ereignisse in Kosova überholt worden ist. Auf der anderen Seite wissen wir, dass es schädlich wäre und auch politisch unklug wäre, wenn wir Gefangene dieser Resolution 1244 sein sollen, sondern wir müssen den Albanern und somit dem Kosovo helfen. Natürlich rechnen wir mit einer Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auf unser Grundrecht, den Willen der Albaner zu respektieren. Wir werden beweisen können - ich wiederhole das, denn es ist sehr wichtig -, dass auch ein unabhängiger Kosovo ein Stabilitätsfaktor für diese Region sein wird, denn auch Herr Kouchner hat gesagt und erklärt, diese Lokalwahlen waren die zivilisiertesten Wahlen auf dem Balkan.
Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Bujar Bukoshi, Politiker der LDK und früher Premierminister der Exilregierung von Kosovo. - Danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio
Bierdel Herr Koenigs, wir kennen die endgültigen Resultate des Wahlgangs vom Samstag noch nicht, aber von drei Tatsachen können wir ausgehen: Die Wahlbeteiligung war sehr, sehr hoch, die gemäßigten Kräfte hier im Land gehen in der Fläche als Sieger aus dieser Wahl hervor und es ist friedlich geblieben. Haben Sie zunächst mal mit diesem Ergebnis so gerechnet?
Koenigs: Ich habe eigentlich damit gerechnet, weil wir haben uns sehr lange und sehr sorgfältig vorbereitet. Ich bin natürlich sehr froh, dass es so eingetreten ist. Da gab es ganz verschiedene politische Faktoren, die dort mitgespielt haben. Einer ist natürlich auch, dass wir hier keinen Krieg mehr befürchten müssen, denn das ist das zentrale Ergebnis auch für Kosovo von der Veränderung in Belgrad. Wir müssen nicht befürchten, dass es hier noch mal eine kriegerische Auseinandersetzung in der nächsten Zeit gibt, und das ist eine riesen Erleichterung. Die andere Seite ist natürlich nach wie vor ungelöst, und die löst auch diese Wahl, an der die Serben sich ja leider nicht beteiligt haben, nicht, nämlich wie kommen diese beiden Ethnien miteinander aus.
Bierdel Der Boykott der Serben ist sicherlich zu bedauern. Viele andere Minderheitengruppen hier im Land haben sich aber im Kosovo beteiligt. Ist das nicht immerhin ein unerwartet guter Erfolg?
Koenigs: Es haben sich ansonsten eigentlich alle Minderheitengruppen beteiligt. Wir hoffen natürlich, dass in den Gemeinderäten jetzt die Minderheiten auch so vertreten sind, dass sie aktionsfähig sind. Wenn das irgendwo nicht der Fall ist, dann muss man zusätzliche Leute ernennen. Das sieht das Gesetz vor. Einer der Schwerpunkte des Gemeindegesetzes war ja, den Schutz der Minderheiten in den Institutionen zu garantieren. Das wird es auch bei jeden anderen, meinetwegen provinzweiten Institutionen, die wir ja irgendwann auch in gewählter Form bekommen müssen, vorhanden sein. Wir müssen uns darum kümmern, dass auch institutionell abgesichert ist, dass die Minderheiten berücksichtigt werden, allerdings natürlich nicht als Mehrheiten, sondern als Minderheiten.
Bierdel Dies kann nun ein erster Schritt gewesen sein. Daann Everts, der OSZE-Botschafter hier im Kosovo, hat im Grunde gestern noch einmal versprochen, es wird nun rasch weitere Wahlen geben: Parlamentswahlen sicherlich, vielleicht auch Präsidentschaftswahlen. Geht Ihnen das zu schnell?
Koenigs: Ich bin der Meinung, dass man nachdem das bei den Gemeinden relativ gut gegangen ist eine Zeit braucht, um das in den Gemeinden dann auch arbeitsfähig zu machen, man sich dann aber sehr bald überlegen muss, wie sieht das eigentlich auf der zentralen Ebene aus. Auch um gegenüber den Serben in Belgrad verhandlungsfähig zu sein, muss man ja politische Führer des Landes haben, die mehr sind als nur von der internationalen Gemeinschaft oder vom Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ernannt. Dazu sind relativ baldige allgemeine Wahlen notwendig, und ich glaube, daran sollten wir uns machen, das zügig vorzubereiten. Nun fragen Sie mich nicht, in welchem der nächsten Monate das denn eigentlich sein sollte, aber ich finde, im Laufe des nächsten Jahres müßte es sein.
Bierdel Dies waren Kommunalwahlen, theoretisch zumindest, denn das große und alles beherrschende Thema für die Albaner hier ist natürlich die Unabhängigkeit, die sie weiterhin anstreben. Die internationale Gemeinschaft hat das bisher mit Hinweis auf die Unveränderbarkeit der Grenzen von Jugoslawien abgelehnt. Wir man jetzt und auch nach den Wahlen, die denn da in den nächsten Monaten kommen werden, tatsächlich den Albanern diesen Wunsch noch versagen können?
Koenigs: Zunächst einmal sind wir ja gebunden an die Sicherheitsratsresolution 1244, und die spricht eine sehr deutliche Sprache, dass zwar substanzielle Autonomie und auch Selbstregierung möglich gemacht werden sollen, aber im Rahmen der Bundesrepublik Jugoslawien. Innerhalb dieses Rahmens ist aber sehr viel möglich. Ich glaube, es ist weise, das was hier gewünscht wird, nämlich Unabhängigkeit, herunterzudeklinieren zu einzelnen Schritten, die dann auch gangbar sind. Das sind natürlich eigene Institutionen. Das sind natürlich eigene Repräsentanten. Das ist aber auch ein Institutionengefüge, das es möglich macht, dass sich die Minderheiten hier sicher fühlen. Davon sind wir noch sehr weit entfernt. Wenn Sie sich angucken, was denn eigentlich gewünscht wird von den unterschiedlichen Handelnden in Punkto Autonomie, dann ist es doch im wesentlichen ein normales Leben im Rahmen von Europa, möglichst auch der Europäischen Gemeinschaft, und nicht wieder unterjocht zu werden von Serbien. Das ist meines Erachtens jedoch etwas, was auf dem Verhandlungswege durchaus und dann auch mit den gewählten Repräsentanten in Belgrad zu erreichen wäre. Montenegro versucht das, Kosovo könnte das durchaus auch versuchen. Natürlich sind die Bedingungen mit einem gewählten Präsidenten in Serbien besser als mit einem Diktator, der ja gar nicht reden wollte und nicht reden brauchte. Die internationale Gemeinschaft und die Europäische Gemeinschaft kann natürlich sehr viel dazu tun, indem sie ihre notwendige und hoffentlich rechtzeitige Hilfe für Serbien damit verbindet, dass es hier eine Gesprächsbereitschaft gibt, eine Gesprächsbereitschaft in Richtung auch auf einen dauerhaften Friedenszustand, der dann auch die nötigen Formen der Demokratie, die nötigen Institutionen der Demokratie und auch die Durchsetzung der Demokratie gewährleistet.
Lange: So weit Tom Koenigs im Gespräch mit Elias Bierdel. - Das offizielle Wahlergebnis liegt wie gesagt noch nicht vor, aber die demokratische Liga, LDK, von Ibrahim Rugova hat sich bereits zum Sieger erklärt. Die radikalere demokratische Partei, PDK, sie ist aus den Rebellenverbänden der UCK hervorgegangen, sie soll angeblich nur zweitstärkste Kraft geworden sein. Wie geht es jetzt weiter im Kosovo? - Am Telefon ist nun Bujar Bukoshi, LDK-Politiker und frührer Premierminister der Exilregierung. Guten Morgen!
Bukoshi: Guten Morgen.
Lange: Herr Bukoshi, gehen wir mal davon aus, dass diese inoffiziellen Angaben stimmen. Wie erklären Sie sich, dass die Wähler im Kosovo Ihrer Partei das Vertrauen gegeben haben und nicht den verdienten Kämpfern der UCK?
Bukoshi: Die Wähler in Kosova haben zehn Jahre lang dasselbe gezeigt und immer neue Beweise gebracht. Diese Lokalwahlen haben noch einmal bewiesen, dass die Albaner in Kosova nicht einmal an irgendwelche Rückkehr des serbischen Staates in diese Region denken. Das ist für mich und für alle Albaner in Kosova ein großer Schritt in die Richtung der Unabhängigkeit des Kosova.
Lange: Werden die Anhänger der früheren UCK hinnehmen, wenn sie jetzt politisch nur noch die Nummer zwei sind?
Bukoshi: Die Anhänger der UCK sollen endlich begreifen, dass der Krieg im Kosovo vorbei ist, dass die Lage im Kosovo völlig anders geworden ist. Wenn sie Politik machen wollen, müssen sie Politik mit den politischen Mitteln betreiben, aber nicht mit Kalaschnikows und mit der Kriegslobby.
Lange: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die LDK und die PDK zu einem gemeinsamen politischen Kurs kommen?
Bukoshi: Wir bemühen uns immer, einen Konsens mit allen Beteiligten zu erreichen, aber diesmal hat man noch mal bewiesen: man hat die politischen Kräfte identifiziert, die Verantwortung für den Kosovo übernehmen können und sehr würdig diesen Weg, der in die Richtung einer Unabhängigkeit führt, konsequent weiter durchführen.
Lange: Wie stehen Sie zu dieser Äußerung von Tom Koenigs? Er sagte, die Unabhängigkeit herunterdeklinieren auf eine Autonomie.
Bukoshi: Für die Albaner ist die Tatsache ziemlich frustrierend, dass viele westliche Politiker sich so verhalten. Ich weis nicht warum. Teilweise verstehe ich nicht, ob eine Nostalgie für dieses Jugoslawien weiterhin besteht. Die Sache ist gelaufen, wie Altbundeskanzler Kohl damals Herrn Gorbatschow erklärt hat. Es ist ein irreversibler Prozess in Kosova. Es geht nicht um die Emotionen, sondern die Albaner als konstitutiver Faktor des früheren jugoslawischen Gesamtstaates haben das Recht auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit nach dem Zerfall Jugoslawiens. Die Albaner in Kosova werden natürlich mit allen Mitteln eine Rückkehr des serbischen oder jugoslawischen Staates in den Kosovo verhindern. Wie Sie wissen und wie alle wissen besteht kein Jugoslawien mehr. Selbst in Belgrad wird jetzt erklärt, es gibt kein Jugoslawien, sondern Serbien und Montenegro. Die Situation ist völlig verändert und es wird kein Weltuntergang geschehen, wenn auch Kosova unabhängig wird, denn wir können immer beweisen, dass Kosova nur ein Faktor der Stabilisierung sein kann und kein Störfaktor, wie Serbien es war.
Lange: Herr Bukoshi, was bedeutet das für die serbischen Parlamentswahlen im Dezember? Werden Sie und Ihre Landsleute dann akzeptieren, dass auch im Kosovo gewählt wird?
Bukoshi: Die Albaner in Kosova benehmen sich, als wenn der Kosovo unabhängig wäre. Der Kosovo ist praktisch und de facto unabhängig. Nur wir sind uns natürlich bewusst, dass uns ein mühsamer Prozess bevorsteht. Mit Serbien wollen wir aber nichts mehr zu tun haben, denn es ist eine inkompatible Sache. Man kann doch nicht erwarten, dass nach allem was geschehen ist eine Rückkehr des serbischen Staates nach Kosova möglich ist.
Lange: Aber die serbischen Parlamentswahlen würden davon ausgehen, dass Kosovo immer noch irgendwie zu Jugoslawien gehört?
Bukoshi: Ja. Auch Herr Koenigs spricht von dieser Resolution 12244. Wissen Sie, Resolutionen sind Resolutionen und die Realitäten sind etwas anderes. Das ist ein Papier, das durch die Entwicklungen und durch die Ereignisse in Kosova überholt worden ist. Auf der anderen Seite wissen wir, dass es schädlich wäre und auch politisch unklug wäre, wenn wir Gefangene dieser Resolution 1244 sein sollen, sondern wir müssen den Albanern und somit dem Kosovo helfen. Natürlich rechnen wir mit einer Unterstützung der internationalen Gemeinschaft auf unser Grundrecht, den Willen der Albaner zu respektieren. Wir werden beweisen können - ich wiederhole das, denn es ist sehr wichtig -, dass auch ein unabhängiger Kosovo ein Stabilitätsfaktor für diese Region sein wird, denn auch Herr Kouchner hat gesagt und erklärt, diese Lokalwahlen waren die zivilisiertesten Wahlen auf dem Balkan.
Lange: In den "Informationen am Morgen" war das Bujar Bukoshi, Politiker der LDK und früher Premierminister der Exilregierung von Kosovo. - Danke für das Gespräch und auf Wiederhören!
Link: Interview als RealAudio