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Der Krieger aus dem Eis

Archäologie. - Vor 2300 Jahren starb ein skythischer Krieger im mittelasiatischen Altaigebirge. Vor zwei Jahren hat ein deutsches Grabungsteam die Mumie im Permafrostboden entdeckt und zur weiteren Untersuchung nach Göttingen gebracht, ins Zentrum für Anatomie der Universitätsklinik. Jetzt haben die Wissenschaftler Ihre Untersuchungen an der Eismumie abgeschlossen und die Ergebnisse präsentiert.

Von Elke Drewes |
    Auf grünes Tuch gebettet liegt die Eismumie auf einem Seziertisch. Säuren im Humusboden haben die Knochen und Hautreste braun verfärbt. Bis auf Gesicht und Oberkörper ist sie gut erhalten, am Schädel klebt noch ein grau-blonder Haarschopf, die Beine sind gekrümmt – in dieser Hockhaltung lag die Mumie in ihrem Grab im Permafrostboden des Altai-Gebirges, sagt Michael Schultz vom Zentrum für Anatomie der Göttinger Universitätsklinik. Der Paläopathologe hat den skythischen Krieger vor allem auf Spuren von Verletzungen und Krankheiten untersucht.

    "Dieser skythische Reiter hatte Arthrose, nicht nur im Bereich der Extremitätengelenke, sondern auch der Wirbelgelenke, vor allem im Bereich der Halswirbel."

    Abnutzungserscheinungen als Folge vom Reiten, vermutet der Mediziner. Der Reiter war ca. 1,67 groß und ist etwa 60 Jahre alt geworden, ein für damalige Verhältnisse durchschnittliches Alter. Der Archäologe Hermann Parzinger hat die Mumie vor zwei Jahren mit seinem Grabungsteam entdeckt. Zehn Jahre lang hatte er zuvor auf der russischen Nordseite des Altaigebirges gegraben und dort auch Skythengräber entdeckt. Dieser Fund ist der erste auf der Südseite des Gebirges im mongolischen Teil, in 2500 Metern Höhe. Die Mumie lag in einem Grabhügel über dem Eis, im Permafrostboden wurde sie quasi gefrier getrocknet.

    "Und dass wir dann noch einen teilweise mumifizierten Körper mit gesamter Bekleidung vorfinden, das ist natürlich einmalig im Leben eines Archäologen."

    Der Skythe gehörte zur gehobenen Mittelschicht, das zeigen Grabbeigaben und Kleidung: Er trug eine rote Filzmütze, kniehohe Stiefel und einen prächtigen Murmeltierpelzmantel mit Zobelbesatz. Bestattet wurde er mit einem Streitpickel, sowie Dolch und Bogen. Der Paläopathologe Michael Schultz konnte aber keine Kriegsverletzungen finden, nur einen Bruch in der Speiche des linken Unterarms, vermutlich nach einem Sturz vom Pferd. Die Untersuchungen belegen auch, dass der skythische Reiter chronisch verschnupft war, entzündete Ohren, Zahnfleischtaschen und Zahnschmerzen hatte. Fünf kräftige, weiße Backenzähne im Unterkiefer der Mumie zeigen jedoch keine Abriebspuren.

    "Er hat weiche Nahrung und keine harten Körner gegessen. Eher Fleisch, da er der Nomadenbevölkerung angehörte, die Viehzucht betrieben hat und, da er der oberen Mittelschicht angehörte, ist das vermutbar."

    Woran der nomadische Reiter vor mehr als 2300 Jahren gestorben ist, dieses Geheimnis konnten die Forscher noch nicht mit hundertprozentiger Gewissheit lüften. Allerdings haben mikroskopischen Untersuchungen auffällige Fraß-Spuren in den Knochen gezeigt:

    "Wir haben im Knochen Einschmelzungen gefunden, die nicht dem Alter entsprechen und die durch einen systemischen, Knochen fressenden Prozess ausgelöst wurden. Das ist auffällig."

    Der Mediziner vermutet eine Systemerkrankung der blutbildenden Organe, möglicherweise einen Tumor. Die inneren Organe wurden wahrscheinlich heraus genommen, um die Leiche zu konservieren. Haaranalysen zeigen Spuren von Quecksilberpaste, eine für die Region damals typische Einbalsamierungsart. Nächsten Monat kehrt der skythische Krieger in seine Heimat, in die Mongolei zurück. Im Museum von Ulan Bator wird er dann voraussichtlich mit seinen Grabbeigaben ausgestellt.