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Der "Kronprinz" Markus Söder

Markus Söder sitzt im Freistaat längst nicht mehr auf der Bank. Er stürmt nach ganz vorn. Neulich auch ins Bierzelt in Gerolfing.

Von Michael Watzke |
    Herr Binner ist gerade mächtig aufgeregt:

    "Koppi! Koppi! Herr Schneider!"

    Herr Schneider und Herr Binner stehen Spalier. Soeben rauscht Bayerns Finanzminister Markus Söder heran. Sein schwarzer Dienst-BMW wirbelt vor dem Gerolfinger Bierzelt den Staub auf. Der örtliche CSU-Vorsitzende Hans-Jürgen Binner atmet auf:

    "Wir brauchen halt für so ein Fest jemanden, der ein Zugpferd ist. Und der Söder ist halt jemand, der die Leute anzieht. Das sieht man schon. Wir hatten auch schon mal ein Fest mit dem Erwin Huber, da haben wir dann mit Müh und Not 300 Leute zusammengebracht."

    Diesmal ist das Zelt voll. Alle wollen den Kronprinzen sehen. Und das in Gerolfing, der Heimatgemeinde von Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer.

    "Deswegen ist es mir eine Ehre, in seinem Gäu aufzutreten."

    "Grüß Gott, hallo, Herr Minister, ich bin der Banklsitzer-Vorstand und Festleiter!"

    "Banklsitzer? Das hört sich wirklich beeindruckend an! Banklsitzen ist eigentlich das, was junge Kabinetts-Kollegen machen, wenn sie auf die Zukunft hoffen. Weil sie hoffen, von der Bank sozusagen aufs Spielfeld zu kommen."

    Markus Söder sitzt im Freistaat längst nicht mehr auf der Bank. Er stürmt nach ganz vorn. So sehen das auch die Bierzeltgäste in Gerolfing.

    "Am Ehrgeiz fehlt es ihm ned."
    "Am Ehrgeiz hat es bei ihm noch nie gefehlt. Der ist auch sprunghaft. Vom einen zum anderen. Da ist er voll dabei!"

    Söders CSU-Karriere verlief rasant: Junge-Unions-Chef, Generalsekretär unter Ziehvater Stoiber, Minister für Europa, Umwelt, Gesundheit – und das mit 45. Den jetzigen Posten als oberster Kassenwart hat er von Regierungschef Seehofer allerdings nur widerstrebend angenommen:

    "Also es ist nicht so, dass der Markus Söder bei mir eine Bewerbung abgeliefert hat: ’Ich möchte es unbedingt machen!"

    "Die Aufgabe jetzt ist schwierig, denn der Finanzminister sitzt bei jedem Kabinettskollegen irgendwie mit dabei, weil er die finanzielle Grundlage schafft. Ich hab mich nicht aufgedrängelt, hab auch nicht rumtelefoniert dafür."

    Ein kleiner Seitenhieb auf Kabinetts-Kollegin Christine Haderthauer, die es an Ehrgeiz locker mit Söder aufnehmen kann. Neulich, als Ministerpräsident Seehofer bei einem Presse-Empfang sein Kabinett vorstellte, begrüßte er "alle meine Kronprinzen und Prinzessinnen". Darauf Söder im Hintergrund: "Ist ja nur ein Prinz da.

    "Ich hab einen großen Ehrgeiz, das, was ich mache, gut zu machen. So hab ich das von meinen Eltern gelernt, so mach ich das auch. Es ist wie beim Fußball: Wer schon im Vorrundenspiel vom Finale träumt, ist selten drin."

    Söder, der Maurersohn aus Nürnberg, ist mindestens im Halbfinale. Seit seinem Eintritt in die Junge Union vor 29 Jahren wandelt er auf den Spuren seines großen Vorbildes: Franz Josef Strauß.

    "Ich hatte schon in der Pubertät ein zwei Meter großes Plakat zu Hause hängen von Strauß. Das hat die eine oder andere Dame verunsichert, die dann später eingeladen wurde von mir. Wer schlägt schon gern die Augen auf und sieht als Erstes Franz-Josef Strauß?"

    Eine typische Söder-Anekdote, die Konservatismus mit Coolness verbinden soll. Hier FJS – und dort die ein oder andere Dame, die beim jungen Markus morgens die Augen aufschlug. Die drei Damen vom Grill gegenüber des Gerolfinger Bierzeltes lassen Söder keinen Augenblick aus den Augen.

    "Vielleicht weil er ein schöner Mann ist?"

    "Der Söder ist für mich einer, der sich wirklich hochgedient hat. Der ist keiner wie der Guttenberg, der gekommen ist und gesagt hat: ‚Jetzt bin ich da!’ Der hat gemeint, er ist der King Louis. War er halt dann doch nicht."

    Der tiefe Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg – für Söder war er ein Segen. Der Baron hatte den parteiinternen Konkurrenten um höhere Ämter stets ein wenig von oben herab behandelt. Etwa als er auf dem Zenit seiner Beliebtheit über das Wesen von Popularität sprach:

    "Morgen werden 90 Prozent mich grauenvoll finden und 80 Prozent den Markus Söder ganz besonders toll. Die Dinge ändern sich immer wieder, deshalb sollte man darauf nichts geben."

    Vom Freiherr redet längt niemand mehr. Markus Söder ist allerdings auch noch nicht bei 80 Prozent Beliebtheit in Bayern - nicht mal in der CSU, wo ihn viele misstrauisch beäugen. Zwar erkennen die Parteifreunde durchaus an, dass Söder seriöser rüberkommt, seit er Finanzminister ist. Doch das Image als Strippen-ziehender Haudrauf mit losem Mundwerk, das sich Söder einst Generalsekretär verdiente – es ist noch nicht vergessen. "Wir brauchen weniger Kevin und mehr Klaus" – war so ein typischer Söder-Spruch:

    "Es gehört auch zur Politik dazu. Bisschen Charisma, eine klare Kante, die man da zeigt. Vor allem den Mut zu haben, in eine Auseinandersetzung zu gehen und zur Abstimmung".

    Mut hat Söder reichlich. Sein Landtags-Mandat in Nürnberg hat er in einer Kampfabstimmung errungen – mit 27 Jahren. Er zählt zur sogenannten 94er-Gruppe – ein Ziehkind von Edmund Stoiber wie sein Staatssekretär Franz Pschierer. Aber anders als der hat Söder die Gabe, pointiert zu formulieren und aufzuregen. Etwa beim Länderfinanzausgleich:

    "Jetzt reicht es. Wir sind solidarisch, aber bled sammer ned. Irgendwann muss jeder Mal bei Mama ausziehen."

    Erst einmal muss Söder aber einziehen – ins Festzelt von Gerolfing. Als Horst Seehofer noch Gesundheitsminister war, erzählt der CSU-Ortsvorsitzende Binner, da sei "der Horst" mal zum bayerischen Defiliermarsch einmarschiert:

    "…und dann hat der Horst Seehofer gesagt: eigentlich war das jetzt der falsche Marsch, weil der bayerische Defiliermarsch nur dem Ministerpräsidenten zusteht.
    Und der Kapellmeister antwortete:
    Was nicht ist, kann ja noch werden Weiß man’s?’"

    Weiß man’s? Für Markus Söder spielt die Gerolfinger Blaskapelle den "Bayerischen Defiliermarsch" – allerdings erst nach der Rede - beim Auszug.