Die Gefährlichkeit von radioaktiver Strahlung für den menschlichen Körper wird oft überschätzt. So sieht es Evan B. Douple. Der Biophysiker erforscht an einem Institut in Hiroshima, welche gesundheitlichen Folgen die Atombombenexplosionen vom August 1945 auf die Überlebenden gehabt haben. Von 100.000 dieser Menschen haben nur rund 850 einen Tumor entwickelt, der durch die Strahlung der Bombe verursacht worden ist.
"Zu Beginn, in den ersten fünf Jahren ungefähr, entwickelten sich die Fälle von Leukämie. Nach zehn Jahren gingen die Zahlen aber wieder zurück. Dann kamen die Tumorerkrankungen. Es dauert schließlich ungefähr zehn Jahre, bis ein Tumor entsteht. Diese Rate sank auch nicht wieder. Interessanterweise steigt sie noch immer an – jetzt wo die Überlebenden in ein Lebensalter kommen, wo jeder Mensch anfällig für Krebs wird."
Radiation Effects Research Foundation – so nennt sich die Forschungsanstalt, wo die meisten der aufwändigen Studien durchgeführt wurden. Seit den frühen 1950er-Jahren werden bis zu 100.000 Menschen regelmäßig auf ihre Gesundheit untersucht – und das nun schon über ein halbes Jahrhundert hinweg. Weil genau bekannt ist, wo die Überlebenden sich damals in der Stadt aufgehalten haben, kennen die Forscher recht genau die Strahlendosis, der die Überlebenden ausgesetzt waren. Das ist eine wertvolle Information, um die Wirkung auf den Körper bewerten zu können. Mit der Katastrophe von Tschernobyl lassen sich die Atombombenabwürfe aber nur bedingt vergleichen.
"Das ist fast wie Äpfel und Birnen. Die Überlebenden hier in Japan sind schlagartig einer sehr hohen Dosis ausgesetzt gewesen – einem Blitz von Gammastrahlen und Neutronen vor allem. Und der ganze Körper ist gleichmäßig getroffen worden."
In Tschernobyl zog hingegen eine Wolke vor allem aus Iod und Cäsium über weite Teile Europas. Die Belastung war sehr viel geringer, aber gerade das Jod lagerte sich in den Schilddrüsen ab. Daher spielte Schilddrüsenkrebs besonders bei den Kindern von Tschernobyl eine deutliche Rolle. Für Leukämie konnte dort im Gegensatz zu Hiroshima und Nagasaki jedoch kein eindeutiger Zusammenhang nachgewiesen werden. Ob aber hohe, kurzzeitige Dosen grundsätzlich anders auf den Körper wirken als niedrige, langfristige Belastungen, darüber herrscht noch keine Einigkeit bei den Experten. Dazu der Strahlenbiologe Wolfgang-Ulrich Müller vom Universitätsklinikum Essen.
"Es deutet sich eigentlich immer mehr an, dass entscheidend ist die Gesamtdosis und nicht so sehr die Verteilung der Dosis über die Zeit. Das ist noch keine wirklich endgültig geklärte Frage, aber die Hinweise sind doch recht stark, dass, wenn man alle Tumoren zusammen betrachtet, mehr die Gesamtdosis eine Rolle spielt."
Nicht nur die Menschen, die den Atombombenabwurf überlebt haben, sondern auch ihre Kinder wurden in Hiroshima untersucht. Denn man befürchtete, dass sich Schäden im Erbgut der Eltern weiter vererben würden. Noch einmal Evan Douple:
"Viele Studien haben sich dieser Vererbung von Genschäden gewidmet. Aber in einer verhältnismäßig großen Gruppe von ungefähr 80.000 Kindern, bei denen mindestens ein Elternteil den Bombenabwurf überlebt hat, haben wir keinen signifikanten Zuwachs sehen können."
Allerdings, so räumt Wolfgang-Ulrich Müller ein, sei ein gewisser Trend hin zu vererbten Genschäden in der ersten Kindergeneration sichtbar – aber eben nicht statistisch signifikant.
"Also der Trend, der zu sehen ist, da gehen schon die meisten Strahlenforscher davon aus, dass er wirklich was mit der Strahlung der Atombomben zu tun hat. Aber er ist sehr schwach, so dass das Erbrisiko, das man früher sehr hoch eingeschätzt hat, inzwischen nicht mehr die ganze große Rolle spielt, sondern das Tumorrisiko eindeutig im Vordergrund steht."
Manche Experten vermuten, dass strahlenbedingte Schäden auf der Erbsubstanz von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aber diese Mutationen müssen nicht unbedingt auf DNA-Abschnitten sitzen, die Geninformationen tragen, also den Bauplan von Proteinen. Es könnten auch Sequenzen geschädigt sein, die für die Ablesung von Genen oder das Funktionieren der Genom-Maschinerie wichtig sind. Die Vererbung von Schäden auf nicht-kodierenden Bereichen hat man in Tschernobyl nachgewiesen – mit noch ungewissen Konsequenzen für die Gesundheit. Ähnliche Untersuchungen sind auch für Japan geplant.
Zur Übersichtsseite der Sendereihe "Strahlendes Erbe"
Zum Portal "Katastrophen in Japan"
"Zu Beginn, in den ersten fünf Jahren ungefähr, entwickelten sich die Fälle von Leukämie. Nach zehn Jahren gingen die Zahlen aber wieder zurück. Dann kamen die Tumorerkrankungen. Es dauert schließlich ungefähr zehn Jahre, bis ein Tumor entsteht. Diese Rate sank auch nicht wieder. Interessanterweise steigt sie noch immer an – jetzt wo die Überlebenden in ein Lebensalter kommen, wo jeder Mensch anfällig für Krebs wird."
Radiation Effects Research Foundation – so nennt sich die Forschungsanstalt, wo die meisten der aufwändigen Studien durchgeführt wurden. Seit den frühen 1950er-Jahren werden bis zu 100.000 Menschen regelmäßig auf ihre Gesundheit untersucht – und das nun schon über ein halbes Jahrhundert hinweg. Weil genau bekannt ist, wo die Überlebenden sich damals in der Stadt aufgehalten haben, kennen die Forscher recht genau die Strahlendosis, der die Überlebenden ausgesetzt waren. Das ist eine wertvolle Information, um die Wirkung auf den Körper bewerten zu können. Mit der Katastrophe von Tschernobyl lassen sich die Atombombenabwürfe aber nur bedingt vergleichen.
"Das ist fast wie Äpfel und Birnen. Die Überlebenden hier in Japan sind schlagartig einer sehr hohen Dosis ausgesetzt gewesen – einem Blitz von Gammastrahlen und Neutronen vor allem. Und der ganze Körper ist gleichmäßig getroffen worden."
In Tschernobyl zog hingegen eine Wolke vor allem aus Iod und Cäsium über weite Teile Europas. Die Belastung war sehr viel geringer, aber gerade das Jod lagerte sich in den Schilddrüsen ab. Daher spielte Schilddrüsenkrebs besonders bei den Kindern von Tschernobyl eine deutliche Rolle. Für Leukämie konnte dort im Gegensatz zu Hiroshima und Nagasaki jedoch kein eindeutiger Zusammenhang nachgewiesen werden. Ob aber hohe, kurzzeitige Dosen grundsätzlich anders auf den Körper wirken als niedrige, langfristige Belastungen, darüber herrscht noch keine Einigkeit bei den Experten. Dazu der Strahlenbiologe Wolfgang-Ulrich Müller vom Universitätsklinikum Essen.
"Es deutet sich eigentlich immer mehr an, dass entscheidend ist die Gesamtdosis und nicht so sehr die Verteilung der Dosis über die Zeit. Das ist noch keine wirklich endgültig geklärte Frage, aber die Hinweise sind doch recht stark, dass, wenn man alle Tumoren zusammen betrachtet, mehr die Gesamtdosis eine Rolle spielt."
Nicht nur die Menschen, die den Atombombenabwurf überlebt haben, sondern auch ihre Kinder wurden in Hiroshima untersucht. Denn man befürchtete, dass sich Schäden im Erbgut der Eltern weiter vererben würden. Noch einmal Evan Douple:
"Viele Studien haben sich dieser Vererbung von Genschäden gewidmet. Aber in einer verhältnismäßig großen Gruppe von ungefähr 80.000 Kindern, bei denen mindestens ein Elternteil den Bombenabwurf überlebt hat, haben wir keinen signifikanten Zuwachs sehen können."
Allerdings, so räumt Wolfgang-Ulrich Müller ein, sei ein gewisser Trend hin zu vererbten Genschäden in der ersten Kindergeneration sichtbar – aber eben nicht statistisch signifikant.
"Also der Trend, der zu sehen ist, da gehen schon die meisten Strahlenforscher davon aus, dass er wirklich was mit der Strahlung der Atombomben zu tun hat. Aber er ist sehr schwach, so dass das Erbrisiko, das man früher sehr hoch eingeschätzt hat, inzwischen nicht mehr die ganze große Rolle spielt, sondern das Tumorrisiko eindeutig im Vordergrund steht."
Manche Experten vermuten, dass strahlenbedingte Schäden auf der Erbsubstanz von Generation zu Generation weitergegeben werden. Aber diese Mutationen müssen nicht unbedingt auf DNA-Abschnitten sitzen, die Geninformationen tragen, also den Bauplan von Proteinen. Es könnten auch Sequenzen geschädigt sein, die für die Ablesung von Genen oder das Funktionieren der Genom-Maschinerie wichtig sind. Die Vererbung von Schäden auf nicht-kodierenden Bereichen hat man in Tschernobyl nachgewiesen – mit noch ungewissen Konsequenzen für die Gesundheit. Ähnliche Untersuchungen sind auch für Japan geplant.
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