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Der lange Winter der Römer

Meteorologie. - Europa 1816: der Wiener Kongress liegt ein Jahr zurück, der durch die "Bundesakte" gegründete "Deutsche Bund" der deutschen Fürsten und freien Städte gewinnt an politischem Einfluß. Europa sortiert sich in nach-napoleonischer Zeit neu. Das Jahr 1816 ist aber auch für die Meteorologie von ganz besonderer Bedeutung: es geht als "Jahr ohne Sommer" in die Annalen der Forscher ein. Auslöser waren riesige Staubmengen, die der Vulkan "Tambora" in Indonesien bis in die Stratosphäre warf und die als globaler Schleier für kalte Zeiten sorgten. Österreichische Forscher glauben jetzt, einen weiteren Fall von fataler Fernwirkung durch einen Vulkanausbruch gefunden zu haben: zur Römerzeit, im Jahr 185.

    Ausgerechnet ein Vulkan am anderen Ende der Welt und seit jetzt fast 2000 Jahren erloschen, könnte den Bürgern des aufstrebenden römischen Reiches kalte Füße bereitet haben, ist der Wiener Archäologe Heinrich Zabehlicky vom Österreichischen Archäologischen Institut in Wien überzeugt: "Damals lebten in dieser Gegend noch keine Menschen, und erst recht keine, die meteorologische Berichte verfasst hätten. Aber verschiedene geologische Datierungsmethoden weisen nach, dass der Vulkan Taupo im heutigen Neuseeland einen gewaltiger Ausbruch erlebte." Die Aschesäule der Erruption sei bis zu 50 Kilometer in die Höhe gestiegen und habe vermutlich auch das Weltklima in Mitleidenschaft gezogen. Noch heute zeugt ein eindrucksvoller, ganze 600 Quadratkilometer messender Kratersee von dem apokalyptisch anmutenden Ereignis, das Experten auf das Jahr 185 datieren. Auch in Europa habe man noch, so ist der Archäologe sicher, unter den Auswirkungen der Katastrophe gelitten. Denn der Vulkan-Ausbruch habe mit seinem gigantischen Staubentrag in die Atmosphäre über Jahre das Klima verschlechtert und für einen "langen Winter der Römer" gesorgt.

    "Auffällig waren einige Befunde gerade aus Österreich, die auf eine deutliche Verschlechterung des Klimas und größere Häufigkeit von Hochwässern in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts gedeutet haben", so Heinrich Zabehlicky. So seien auffallend viele Siedlungen und Legions-Lager in Flußnähe aufgegeben und Wohnräume mit der berühmten römischen Fußbodenheizung - dem Hypokaustum - nachgerüstet worden. Statt der üblichen kurzen Ärmel, wie sie für die Uniform der Legionäre üblich waren, schwenkte die Kleiderordnung um auf eine wärmende lange Version. Und selbst Hungersnöte hätten manche Teile des römischen Reiches ereilt. Alles in allem deutliche Hinweise auf eine Klima-Verschlechterung, die sogar spätere politische Umwälzungen begünstigt haben könnte, mutmaßt der Archäologe: "Das 3. Jahrhundert wird vielfach als ein Jahrhundert des Wandels bezeichnet. Ich bin nicht so kühn zu sagen, dass der Wandel nur auf ein klimatisches Ereignis zurück geht. Aber es muß ein Bündel von Ereignissen gewesen sein und ein Strang dessen war der Taupo-Ausbruch."

    Zwar klingt Zabehlickys These von vulkanischen Winter und seinen umwälzenden Folgen spannend, doch ob sie wirklich so zutrifft, ist sich auch der Experte selbst nicht absolut sicher: "Unsicherheit ist natürlich drin! Weder die Naturwissenschaften noch die Archäologie und historische Wissenschaft kann in jedem Fall ein Jahr genau angeben." So könnte der Taupo schon 170 nach Christus ausgebrochen sein - oder auch erst 30 Jahre später. Die archäologischen Klima-Befunde wiederum reichen sogar bis ins Jahr 250 und sorgen für erhebliche zeitliche Unschärfe in der Interpretation. Dass ein Vulkan-Ausbruch das Weltklima über Jahrzehnte beeinflussen könnte, schließt Thomas Litt, Professor für Paläontologie an der Universität Bonn, aus. Dies wisse man durch die starken Eruptionen der jüngsten Zeit wie die des Pinatubo vor zwölf Jahren: "Es hat mehr Einfluß auf die Witterung. Auch der Pinatubo hat nicht unbedingt nachher das Klima nachhaltig beeinflußt, sondern nur über ein oder zwei Jahre mit Temperaturanomalien von etwa einem oder 1,5 Grad Celsius." So dürfte auch der Mega-Ausbruch des Taupo am anderen Ende der Welt wohl nicht völlig allein die Kälte-Phase um das Jahr 200 ausgelöst haben.

    [Quelle Volker Mrasek]