Karin Fischer: "Geschichte wird gemacht", heißt es, und manchmal führt das zu unguten Allianzen - zum Beispiel, wenn Adolf Hitler sein Führertum direkt auf Friedrich den Großen zurückführte. Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt ... " sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann dazu:
O-Ton Bernd Neumann: "Jedes zu seiner Zeit - die Epoche der Verklärung bis nach dem Kriege, wo er eher ja im Hinblick auch auf das preußische Erbe, welche mit dem der Nationalsozialisten gleichgesetzt wurde, verdammt wurde, und ich finde, wir sind gerade jetzt in der richtigen Zeit, wo wir die nötige Distanz haben, beides miteinander zu verbinden. Es gab immer um diese Person so einen Mythos und jeder machte sich seine Vorstellungen. Ich glaube, die Zeiten sind vorbei, wir sehen das alles in dem Falle doch sehr aufgeklärt und rational, aber dennoch nicht emotionslos."
Fischer: Jede nachfolgende Generation hat sich ihr Friedrich-Bild gebastelt, diese Tatsache ist in diesem Jubiläumsjahr schon so oft erwähnt worden, dass man sich fast fragt, wozu man noch eine Ausstellung zur Rezeptionsgeschichte eigentlich braucht. Ist das erhellend, was im Deutschen Historischen Museum zu sehen ist, habe ich den Journalisten und Publizisten Eckhard Fuhr gefragt?
Eckhard Fuhr: Ja, ich finde es doch sehr erhellend. Es ist ja auch ein Unterschied, ob man über etwas, was an sich selbstverständlich ist, dass jede Generation sich von der Geschichte ein neues Bild macht, ob man über diese Selbstverständlichkeit nur redet, oder ob man diese Selbstverständlichkeit gewissermaßen sinnlich vor Augen geführt bekommt, und das macht die Ausstellung in einer sehr professionellen Weise. Vor allen Dingen kann die Ausstellung wie andere vor ihr auch mit dem unglaublich großen Fundus des Deutschen Historischen Museums punkten. Also allein das lohnt, da hinzugehen, um zu sehen, was die alles haben, und das ist schon ...
Fischer: Was ist denn zu sehen?
Fuhr: Zum Beispiel eine Fülle von Radierungen, Flugschriften, Blättern, die das Friedrich-Bild im 19., im frühen 19. Jahrhundert popularisiert haben – eine wunderbare Gegenüberstellung unterschiedlicher Porträts, die schon zu Lebzeiten gemacht worden sind, zum Teil sozusagen aus dem Gedächtnis oder aus indirekter Anschauung, zum Teil aber auch in direkter Porträtmalerei. Da hat Friedrich dann gesessen und da kann man sehen, dass in den Jahren so um 1763/64 völlig unterschiedliche Herrscherbildnisse entstanden sind, die alle eine Facette von Friedrich wiedergeben, aber die man eigentlich auf den ersten Blick gar nicht als Porträts ein und desselben Menschen betrachten würde.
Fischer: Friedrich der Philosoph, Friedrich der gute Soldatenkönig, Friedrich der übergriffige Feldherr. Wo in der Geschichte ist denn auch so was wie eine Instrumentalisierung zu weit gegangen, also im Sinne von an seiner Persönlichkeit vorbei, oder war dieser Mann tatsächlich so vielfältig, dass jede Zeit was anderes aus ihm machen konnte?
Fuhr: Also einen Anknüpfungspunkt fand jeder, und die Formulierung, dass er als Feldherr ein bisschen – wie sagten Sie? – übergriffig war und zu weit gegangen sei, das ist ja nun schön formuliert, das halte ich für ein bisschen untertrieben. Er war schon unter den Herrschern des 18. Jahrhunderts einer der gewalttätigsten, das muss man einfach so sagen. Insofern finden auch gewalttätige Regime einen Anknüpfungspunkt an ihm, aber trotzdem: Die Eroberungskriege, die er geführt hat, das waren keine Vernichtungskriege, sondern das waren Kriege, die immer das Ziel hatten, einen möglichst komfortablen Friedensschluss zu finden, und das ist der grundlegende Unterschied. Das heißt also, es ist nicht legitim, wenn man so will, dass die Nationalsozialisten, dass Hitler sich auf Friedrich den Großen berufen haben und ihn zu einem der ihren gemacht haben. Das alles, kann man sagen, geht zu weit, ist aber auf der anderen Seite die Geschichtsinstrumentalisierung, die zur nationalsozialistischen Propaganda und zu totalitärer Propaganda überhaupt eben gehört.
Fischer: Interessant ist ja, dass diese Mythisierung von der Zeitgeschichte selbst beantwortet wird im Sinne von, dass das Pendel wieder auf die andere Seite zurückschlägt, zum Beispiel bei der Ablehnung des gesamten Preußentums etwa in der DDR.
Fuhr: Das ging dann sehr weit, aber er war dadurch nicht totzukriegen, dieser Friedrich. Er hat eben noch andere Facetten gehabt und es gab immer Bildungsbürger, die eben den Philosophen Friedrich in der Erinnerung hatten, oder den Musensohn in Rheinsberg, oder die Friedrich wahrgenommen haben über dieses Vater-Sohn-Drama, das ja dann auch in den Zeiten, in denen Preußen, um es mal salopp zu sagen, ein Verschiss war, doch immer noch ein faszinierendes Thema für die Literatur und auch für die Medien gewesen ist. Also so ganz wegbeseitigen konnte man ihn aus der Erinnerung nicht, und dann kam Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre eben diese Rückbesinnung beider deutscher Staaten in einer schönen Parallele auf ihr historisches Erbe, und das war nun einmal in der DDR rein regional betrachtet überwiegend oder zu einem guten Teil preußisch.
Und auch in Westberlin und auch in der Bundesrepublik gab es ja dann so etwas wie eine Preußenwelle. Man hat Preußen wiederentdeckt, man war ein bisschen vorsichtig natürlich zunächst und man hat sich geniert und man wusste nicht so genau, was geht, was nicht geht. Das ist inzwischen völlig entspannt, würde ich mal sagen, da gibt es nicht den geringsten Anlass, vor einer Wiederkehr eines schlechten Preußentums zu warnen. Man kann sich eher ein bisschen darüber ärgern, dass auch Friedrich den Weg aller Medienfiguren geht und eben in einer Weise zur Popfigur wird, die manchmal ein bisschen lächerlich ist.
Fischer: Ja es gibt den Alten Fritz dann auch noch in der Werbung. Auf welche Weise hat er das denn geschafft?
Fuhr: Ja das ist gar nicht so neu, das gab es ja schon in der Weimarer Republik. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe aus dieser Ausstellung, dass vor allen Dingen Tabakfirmen mit Friedrich geworben haben. Dann gab es dieses berühmte Bier in Potsdam mit dem Namen Rex, das, glaube ich, noch aus DDR-Zeiten kam. Da gab es einen Wettbewerb unter den Werktätigen, um einen Namen für das Bier zu finden, und die Werktätigen erinnerten sich da an den Alten Fritz, an den König.
Fischer: Herzlichen Dank an Eckhard Fuhr für diesen Einblick in die Ausstellung "Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt". Ein Stück Rezeptionsgeschichte im Deutschen Historischen Museum in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
O-Ton Bernd Neumann: "Jedes zu seiner Zeit - die Epoche der Verklärung bis nach dem Kriege, wo er eher ja im Hinblick auch auf das preußische Erbe, welche mit dem der Nationalsozialisten gleichgesetzt wurde, verdammt wurde, und ich finde, wir sind gerade jetzt in der richtigen Zeit, wo wir die nötige Distanz haben, beides miteinander zu verbinden. Es gab immer um diese Person so einen Mythos und jeder machte sich seine Vorstellungen. Ich glaube, die Zeiten sind vorbei, wir sehen das alles in dem Falle doch sehr aufgeklärt und rational, aber dennoch nicht emotionslos."
Fischer: Jede nachfolgende Generation hat sich ihr Friedrich-Bild gebastelt, diese Tatsache ist in diesem Jubiläumsjahr schon so oft erwähnt worden, dass man sich fast fragt, wozu man noch eine Ausstellung zur Rezeptionsgeschichte eigentlich braucht. Ist das erhellend, was im Deutschen Historischen Museum zu sehen ist, habe ich den Journalisten und Publizisten Eckhard Fuhr gefragt?
Eckhard Fuhr: Ja, ich finde es doch sehr erhellend. Es ist ja auch ein Unterschied, ob man über etwas, was an sich selbstverständlich ist, dass jede Generation sich von der Geschichte ein neues Bild macht, ob man über diese Selbstverständlichkeit nur redet, oder ob man diese Selbstverständlichkeit gewissermaßen sinnlich vor Augen geführt bekommt, und das macht die Ausstellung in einer sehr professionellen Weise. Vor allen Dingen kann die Ausstellung wie andere vor ihr auch mit dem unglaublich großen Fundus des Deutschen Historischen Museums punkten. Also allein das lohnt, da hinzugehen, um zu sehen, was die alles haben, und das ist schon ...
Fischer: Was ist denn zu sehen?
Fuhr: Zum Beispiel eine Fülle von Radierungen, Flugschriften, Blättern, die das Friedrich-Bild im 19., im frühen 19. Jahrhundert popularisiert haben – eine wunderbare Gegenüberstellung unterschiedlicher Porträts, die schon zu Lebzeiten gemacht worden sind, zum Teil sozusagen aus dem Gedächtnis oder aus indirekter Anschauung, zum Teil aber auch in direkter Porträtmalerei. Da hat Friedrich dann gesessen und da kann man sehen, dass in den Jahren so um 1763/64 völlig unterschiedliche Herrscherbildnisse entstanden sind, die alle eine Facette von Friedrich wiedergeben, aber die man eigentlich auf den ersten Blick gar nicht als Porträts ein und desselben Menschen betrachten würde.
Fischer: Friedrich der Philosoph, Friedrich der gute Soldatenkönig, Friedrich der übergriffige Feldherr. Wo in der Geschichte ist denn auch so was wie eine Instrumentalisierung zu weit gegangen, also im Sinne von an seiner Persönlichkeit vorbei, oder war dieser Mann tatsächlich so vielfältig, dass jede Zeit was anderes aus ihm machen konnte?
Fuhr: Also einen Anknüpfungspunkt fand jeder, und die Formulierung, dass er als Feldherr ein bisschen – wie sagten Sie? – übergriffig war und zu weit gegangen sei, das ist ja nun schön formuliert, das halte ich für ein bisschen untertrieben. Er war schon unter den Herrschern des 18. Jahrhunderts einer der gewalttätigsten, das muss man einfach so sagen. Insofern finden auch gewalttätige Regime einen Anknüpfungspunkt an ihm, aber trotzdem: Die Eroberungskriege, die er geführt hat, das waren keine Vernichtungskriege, sondern das waren Kriege, die immer das Ziel hatten, einen möglichst komfortablen Friedensschluss zu finden, und das ist der grundlegende Unterschied. Das heißt also, es ist nicht legitim, wenn man so will, dass die Nationalsozialisten, dass Hitler sich auf Friedrich den Großen berufen haben und ihn zu einem der ihren gemacht haben. Das alles, kann man sagen, geht zu weit, ist aber auf der anderen Seite die Geschichtsinstrumentalisierung, die zur nationalsozialistischen Propaganda und zu totalitärer Propaganda überhaupt eben gehört.
Fischer: Interessant ist ja, dass diese Mythisierung von der Zeitgeschichte selbst beantwortet wird im Sinne von, dass das Pendel wieder auf die andere Seite zurückschlägt, zum Beispiel bei der Ablehnung des gesamten Preußentums etwa in der DDR.
Fuhr: Das ging dann sehr weit, aber er war dadurch nicht totzukriegen, dieser Friedrich. Er hat eben noch andere Facetten gehabt und es gab immer Bildungsbürger, die eben den Philosophen Friedrich in der Erinnerung hatten, oder den Musensohn in Rheinsberg, oder die Friedrich wahrgenommen haben über dieses Vater-Sohn-Drama, das ja dann auch in den Zeiten, in denen Preußen, um es mal salopp zu sagen, ein Verschiss war, doch immer noch ein faszinierendes Thema für die Literatur und auch für die Medien gewesen ist. Also so ganz wegbeseitigen konnte man ihn aus der Erinnerung nicht, und dann kam Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre eben diese Rückbesinnung beider deutscher Staaten in einer schönen Parallele auf ihr historisches Erbe, und das war nun einmal in der DDR rein regional betrachtet überwiegend oder zu einem guten Teil preußisch.
Und auch in Westberlin und auch in der Bundesrepublik gab es ja dann so etwas wie eine Preußenwelle. Man hat Preußen wiederentdeckt, man war ein bisschen vorsichtig natürlich zunächst und man hat sich geniert und man wusste nicht so genau, was geht, was nicht geht. Das ist inzwischen völlig entspannt, würde ich mal sagen, da gibt es nicht den geringsten Anlass, vor einer Wiederkehr eines schlechten Preußentums zu warnen. Man kann sich eher ein bisschen darüber ärgern, dass auch Friedrich den Weg aller Medienfiguren geht und eben in einer Weise zur Popfigur wird, die manchmal ein bisschen lächerlich ist.
Fischer: Ja es gibt den Alten Fritz dann auch noch in der Werbung. Auf welche Weise hat er das denn geschafft?
Fuhr: Ja das ist gar nicht so neu, das gab es ja schon in der Weimarer Republik. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe aus dieser Ausstellung, dass vor allen Dingen Tabakfirmen mit Friedrich geworben haben. Dann gab es dieses berühmte Bier in Potsdam mit dem Namen Rex, das, glaube ich, noch aus DDR-Zeiten kam. Da gab es einen Wettbewerb unter den Werktätigen, um einen Namen für das Bier zu finden, und die Werktätigen erinnerten sich da an den Alten Fritz, an den König.
Fischer: Herzlichen Dank an Eckhard Fuhr für diesen Einblick in die Ausstellung "Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt". Ein Stück Rezeptionsgeschichte im Deutschen Historischen Museum in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.