Der Weg zum Salon Denon des Louvre führt vorbei an der klassizistischen Historienmalereien des Jacques-Louis David, große Formate mit heroischem Gestus, Ewigkeitsmenschen in der Pose einer unendlicher Kraft. So als gelte es, Jon Fosses verhuschte Gegenwartmenschen und allen voran den unentschiedenen, nur eben als "Mann" bezeichneten Theater-Protagonisten von vorn herein in den größtmöglichen Kontrast zu stellen, erfindet der Meisterregisseur ein Eingangsbild noch vor jedem Wortwechsel: Pascal Greggory schlurft auf die Spielfläche, legt seinen Mantel auf einer kleinen Bank ab und eine Zeitung zu seinen Füßen. Dann legt er sich auf den Boden, den man sich im Fosse-Stück als einen Totenacker vorzustellen hat und wird für Augenblicke zum Friedhofspenner. Dann kauert sich die von Valeria Bruni Tedeschi verkörperte "Frau" zu ihm, bevor beide wie aus einem Traum aufschrecken und auseinanderweichen.
Immer wieder hat Chérau dieses Paar, das sich nie wirklich finden wird, in Ritualen der Annäherung und Abstoßung choreografiert. Durch die fünf gewaltigen Flügeltüren können die Figuren dieses Museumstheaters immer wieder in die Weite von drei angrenzenden Sälen ausweichen und seine Akteure immer wieder aus diesem Jenseits ins Geschehen zurückkehren. Anders als in der meditativen und leise hingehauchten Inszenierung von Luc Perceval mit dem Münchener Kammerspielen 2002 setzt Chéreau aufs markante Illustrieren, auf den Gefühlsausbruch und das Ausspielen der Familienkonflikte:
Chéreau, dessen Inszenierung es im Verlauf der Aufführung immer mehr mit dem malerischen Umfeld aufnehmen will, reichert das karge Stück des Norwegers mit allegorischem Beiwerk an. So sind bei ihm auch bereits gestorbene Figuren präsent, oder solche, von denen nur die Rede ist: Die verstorbene Großmutter geistert durch den leeren Raum, der mit zwei museumsüblichen Bänken und wenigen Stühlen ausgestattet ist.
Der Sohn des geschiedenen Mannes stürzt ins Geschehen, als Mann und Ex-Frau sich festhalten und aneinander zerren, um die verquere gescheiterte Beziehung auf bildhafter Ebene endgültig zu lösen. Dann gehört auch er zu den Toten männlichen Geschlechts, wie der Vater des Mannes und später auch der Mann selbst. Die Zeitmaschine Friedhof lässt nur Frauen zurück. Sie erleben Zeit ganz anders als Männer, für die sich das Leben in eine Chronik reiht, von der die ältesten Elemente kaum noch der Erinnerung zugänglich sind.
"Nichts ist lange her" schimpft dagegen die Ex-Frau Gry und mit ihr scheinen alle Muttergottheiten, scheinen Gaja und Rheia gegen den zerstörerischen Nihilismus der Männer das Prinzip zu behaupten, dass alle ihre Geschöpfe für immer da und nie vergangen sind.
Die Schauspieler lassen an dem Charakter ihrer Figuren keine Zweifel aufkommen: Bulle Ogier spielt eine resolute, immerfort vorwurfsvolle Mutter des Mannes. Ihr unerschütterliches Gespür für das rechte Verhalten ist auch für ihren konventionellen, geradezu auffällig normalen Mann schwer zu ertragen. Valeria Bruni Tedesschi spielt eine verhuschte allein stehende Frau, die mit scheuen Gesten Kontakt sucht zu einem Mann, dem sie immer schon nahe sein wollte. Pascal Greggory schließlich lässt alle Annährungsversuche an einer verquälten Griesgrämigkeit abprallen, einer undurchdringlichen Verdruss-Fassade, in der sich nur noch ganz selten kleine emotionale Risse auftun.
Nach Filmen, Opern und seiner letzten großen Theaterarbeit ist Chéreau an barocke Gefühlsemphase gewöhnt. Das Zarte, das Traumspielhafte in Fosses Stück ist bei ihm nur in der Melancholie des Soundtracks zu spüren. Außerdem lässt er in dem theaterfremden Raum ein fahles Licht gleichmäßig auf die Schauspieler fallen; wenig unterscheidet sie in ihrem Kommen und Gehen auf dem so beleuchteten Museumsfriedhof von normalen Besuchern des Louvre. Etwas scheint nicht ganz aufzugehen in dieser Fusion aus unsterblicher Kunst und theatralischer Vergänglichkeit. Chéreaus kräftige Pinselstriche wollen nicht so ganz zu den luftigen Pastellfarben von Fosses Traum im Herbst passen.
Immer wieder hat Chérau dieses Paar, das sich nie wirklich finden wird, in Ritualen der Annäherung und Abstoßung choreografiert. Durch die fünf gewaltigen Flügeltüren können die Figuren dieses Museumstheaters immer wieder in die Weite von drei angrenzenden Sälen ausweichen und seine Akteure immer wieder aus diesem Jenseits ins Geschehen zurückkehren. Anders als in der meditativen und leise hingehauchten Inszenierung von Luc Perceval mit dem Münchener Kammerspielen 2002 setzt Chéreau aufs markante Illustrieren, auf den Gefühlsausbruch und das Ausspielen der Familienkonflikte:
Chéreau, dessen Inszenierung es im Verlauf der Aufführung immer mehr mit dem malerischen Umfeld aufnehmen will, reichert das karge Stück des Norwegers mit allegorischem Beiwerk an. So sind bei ihm auch bereits gestorbene Figuren präsent, oder solche, von denen nur die Rede ist: Die verstorbene Großmutter geistert durch den leeren Raum, der mit zwei museumsüblichen Bänken und wenigen Stühlen ausgestattet ist.
Der Sohn des geschiedenen Mannes stürzt ins Geschehen, als Mann und Ex-Frau sich festhalten und aneinander zerren, um die verquere gescheiterte Beziehung auf bildhafter Ebene endgültig zu lösen. Dann gehört auch er zu den Toten männlichen Geschlechts, wie der Vater des Mannes und später auch der Mann selbst. Die Zeitmaschine Friedhof lässt nur Frauen zurück. Sie erleben Zeit ganz anders als Männer, für die sich das Leben in eine Chronik reiht, von der die ältesten Elemente kaum noch der Erinnerung zugänglich sind.
"Nichts ist lange her" schimpft dagegen die Ex-Frau Gry und mit ihr scheinen alle Muttergottheiten, scheinen Gaja und Rheia gegen den zerstörerischen Nihilismus der Männer das Prinzip zu behaupten, dass alle ihre Geschöpfe für immer da und nie vergangen sind.
Die Schauspieler lassen an dem Charakter ihrer Figuren keine Zweifel aufkommen: Bulle Ogier spielt eine resolute, immerfort vorwurfsvolle Mutter des Mannes. Ihr unerschütterliches Gespür für das rechte Verhalten ist auch für ihren konventionellen, geradezu auffällig normalen Mann schwer zu ertragen. Valeria Bruni Tedesschi spielt eine verhuschte allein stehende Frau, die mit scheuen Gesten Kontakt sucht zu einem Mann, dem sie immer schon nahe sein wollte. Pascal Greggory schließlich lässt alle Annährungsversuche an einer verquälten Griesgrämigkeit abprallen, einer undurchdringlichen Verdruss-Fassade, in der sich nur noch ganz selten kleine emotionale Risse auftun.
Nach Filmen, Opern und seiner letzten großen Theaterarbeit ist Chéreau an barocke Gefühlsemphase gewöhnt. Das Zarte, das Traumspielhafte in Fosses Stück ist bei ihm nur in der Melancholie des Soundtracks zu spüren. Außerdem lässt er in dem theaterfremden Raum ein fahles Licht gleichmäßig auf die Schauspieler fallen; wenig unterscheidet sie in ihrem Kommen und Gehen auf dem so beleuchteten Museumsfriedhof von normalen Besuchern des Louvre. Etwas scheint nicht ganz aufzugehen in dieser Fusion aus unsterblicher Kunst und theatralischer Vergänglichkeit. Chéreaus kräftige Pinselstriche wollen nicht so ganz zu den luftigen Pastellfarben von Fosses Traum im Herbst passen.