Oktober 2008. An der Seite seiner Kanzlerin Angela Merkel erlebt Peer Steinbrück seine Geburtsstunde als geachteter Krisenmanager. Ein Mann kämpft tapfer am Abgrund der Weltökonomie, der befürchtete Run auf die Banken bleibt aus.
Der einzelgängerische Sozialdemokrat empfiehlt sich fortan für höhere Weihen, muss aber als Protagonist von Schröders verhasster Agenda-Reform erhebliche Widerstände in seiner sperrigen Partei überwinden.
"Wer ist dieser Mann, dem mancher zutraut, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden?"
… fragt Daniel Friedrich Sturm zu Beginn seiner dreihundertseitigen Biografie. Der Autor, bei der konservativen Tageszeitung "Die Welt" für die SPD zuständig, hat dazu das Urteil von über hundert Zeitzeugen eingeholt und landete dabei ebenso bewundernde wie abfällige Einschätzungen. Denn
"Peer Steinbrücks Stärken sind zugleich seine Schwächen. Er redet schnell, strahlt Überlegenheit aus und kann zu jedem Zeitpunkt immer und alles beurteilen. Er zügelt sein Selbstbewusstsein selten und tritt eigentlich nie bescheiden
auf. Steinbrück kennt zwar die Ökonomie von Konflikten, aber er missachtet sie."
Auch wenn er ihm die Grenzen seines politischen Talents aufzeigt, macht der Autor keinen Hehl daraus, von der sprudelnden Persönlichkeit des "Staatsmannes im Wartestand" fasziniert zu sein.
"Mich fasziniert die Liebe zur Sprache, mich fasziniert die Analysekraft von ihm, die politische Erfahrung natürlich auch und vor allem die sehr, sehr vielfältigen Interessen, die er hat. Er interessiert sich für Kino, Theater. Er liest Belletristik, er ist schon ein sehr gebildeter Mensch, glaube ich. Er spricht perfektes Englisch. Dann hat er auch einen Sinn für Skurriles, für diesen britischen Humor. Das sind alles Dinge, die mich schon an ihm faszinieren."
Sturm schildert den Hanseaten als hierarchiefixierten Dezisionisten, dem autoritäre Gesten nicht fremd seien. Steinbrück findet als Mann der Ministerialbürokratie den Weg in die Politik. Er versteht sich nicht als "Mann der Legislative". Unter seiner Kanzlerschaft hätte seine diskussionsverwöhnte Partei nicht viel zu besprechen:
"Schröder hat, glaube ich, einmal 'Basta' gesagt. Steinbrück würde als Kanzler das vielleicht einmal die Woche sagen. Und manchmal würde er auch ein Basta um des Basta willen sagen."
Als Landesminister in Kiel sorgt er ebenso für einen Dauerkonflikt mit Regierungschefin Heide Simonis wie als NRW-Ministerpräsident mit den grünen Koalitionspartnern. Zudem verabscheut er in seiner Partei "die Tempelweisheiten sozialer Bannerträger" mit ihren politischen Lebenslügen. Parteilinke wie zum Beispiel Andrea Nahles oder Ralf Stegner könne er kaum ertragen:
"Er zeigt Reflexe, sobald einer der Beiden das Wort ergreift. Dann gerät Steinbrück unter Strom, kann sich nicht mehr beherrschen. Seiner Ansicht nach reden Parteifreunde wie Nahles und Stegner ausschließlich Unsinn."
Doch Daniel Friedrich Sturm nimmt die SPD gegen die professionelle Masche Steinbrücks in Schutz, die eigene Partei nur als antiquiert und überfordert vorzuführen. Ebenso versucht er die Aversionen seiner Parteigegner herunterzufahren, indem er einen versöhnlich gestimmten Vertreter des linken Parteiflügels zitiert:
"Der Peer muss nur etwas Demut zeigen, dann kann er unser Kanzlerkandidat werden. Und dann kleben wir auch gerne Parteiplakate für ihn."
Womit wir bei der K-Frage wären, bei der Sturm Steinbrück eine realistische Chance einräumt:
"Also ich würde mal im Moment sagen, vierzig Prozent Aussicht darauf, Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Und dann hat die SPD vielleicht noch ´ne fünfzigprozentige Chance. Ergibt nach Adam Riese etwa eine Chance von zwanzig Prozent, Bundeskanzler zu werden."
Nachdem bereits Helmut Schmidt für seinen Hamburger Landsmann in der K-Frage eintrat, legt jetzt auch Gerhard Schröder in Sturms Buch nach – sehr zum Verdruss des Parteivorsitzenden und Mitbewerbers Sigmar Gabriel, wie am Abend der NRW-Wahl im TV-Talk bei Günther Jauch deutlich zu vernehmen war:
- Gabriel:
"Ich war ja froh, dass er das sozusagen er selber gesagt hat und nicht Herr Putin bei dem Treffen dort."
- Jauch:
"Lupenreine Demokraten unter sich!"
- Gabriel:
"Ja, das ist so."
- Jauch:
"Also war`s nicht hilfreich?"
- Gabriel:
"Gerd Schröder gehört der SPD an. Der darf sozusagen sagen, was immer er will. Es bleibt bei uns dabei, dass wir das Ende des Jahres, Anfang des kommenden Jahres entscheiden werden."
Kein Zweifel, Steinbrücks Inthronisationsimpulse zeigen kaum Wirkung. Auch mit der wohlwollenden Biografie eines Journalisten aus dem Hause Springer dürfte er misstrauischen Parteikadern kaum imponieren können. Sein Biograf hofft eher auf die indirekte Hilfe der Wahlsiegerin von Düsseldorf, seiner früheren Landesministerin:
"Ich glaube, dass durch den Wahlsieg Hannelore Krafts Frau Kraft zwar nicht Kandidatin geworden ist, aber eine Frau sein könnte, die Herrn Gabriel verhindert."
Die materialreiche Steinbrück-Biografie des Daniel Friedrich Sturm ist ein typisches Produkt aus der Halbdistanz jener Berliner Hauptstadtjournaille, die gerne flankierend Politik macht. Offenkundig ist es die Absicht des Autors, das permanent angespannte Verhältnis zwischen dem wortgewandten Kandidaten und seiner widerborstigen Partei zu entdramatisieren. Ob aber Peer Steinbrück als innerparteilich wenig gelittener Kandidat oder als nichtausgetretener Salongenosse seinen weiteren Weg gehen wird, darüber dürfen noch Wetten angenommen werden. Zumindest scheint der offensive Selbstvermarkter - bei aller Abgehobenheit – ein realistisches Bild von der Wirkung seiner Person auf Parteifreunde zu haben:
"Ich glaube, dass meine Partei mich gelegentlich als Granate wahrgenommen hat."
Daniel Friedrich Sturm: Peer Steinbrück - Biografie.
Deutschen Taschenbuch Verlag, 300 Seiten, 14,90 Euro
Der einzelgängerische Sozialdemokrat empfiehlt sich fortan für höhere Weihen, muss aber als Protagonist von Schröders verhasster Agenda-Reform erhebliche Widerstände in seiner sperrigen Partei überwinden.
"Wer ist dieser Mann, dem mancher zutraut, Kanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden?"
… fragt Daniel Friedrich Sturm zu Beginn seiner dreihundertseitigen Biografie. Der Autor, bei der konservativen Tageszeitung "Die Welt" für die SPD zuständig, hat dazu das Urteil von über hundert Zeitzeugen eingeholt und landete dabei ebenso bewundernde wie abfällige Einschätzungen. Denn
"Peer Steinbrücks Stärken sind zugleich seine Schwächen. Er redet schnell, strahlt Überlegenheit aus und kann zu jedem Zeitpunkt immer und alles beurteilen. Er zügelt sein Selbstbewusstsein selten und tritt eigentlich nie bescheiden
auf. Steinbrück kennt zwar die Ökonomie von Konflikten, aber er missachtet sie."
Auch wenn er ihm die Grenzen seines politischen Talents aufzeigt, macht der Autor keinen Hehl daraus, von der sprudelnden Persönlichkeit des "Staatsmannes im Wartestand" fasziniert zu sein.
"Mich fasziniert die Liebe zur Sprache, mich fasziniert die Analysekraft von ihm, die politische Erfahrung natürlich auch und vor allem die sehr, sehr vielfältigen Interessen, die er hat. Er interessiert sich für Kino, Theater. Er liest Belletristik, er ist schon ein sehr gebildeter Mensch, glaube ich. Er spricht perfektes Englisch. Dann hat er auch einen Sinn für Skurriles, für diesen britischen Humor. Das sind alles Dinge, die mich schon an ihm faszinieren."
Sturm schildert den Hanseaten als hierarchiefixierten Dezisionisten, dem autoritäre Gesten nicht fremd seien. Steinbrück findet als Mann der Ministerialbürokratie den Weg in die Politik. Er versteht sich nicht als "Mann der Legislative". Unter seiner Kanzlerschaft hätte seine diskussionsverwöhnte Partei nicht viel zu besprechen:
"Schröder hat, glaube ich, einmal 'Basta' gesagt. Steinbrück würde als Kanzler das vielleicht einmal die Woche sagen. Und manchmal würde er auch ein Basta um des Basta willen sagen."
Als Landesminister in Kiel sorgt er ebenso für einen Dauerkonflikt mit Regierungschefin Heide Simonis wie als NRW-Ministerpräsident mit den grünen Koalitionspartnern. Zudem verabscheut er in seiner Partei "die Tempelweisheiten sozialer Bannerträger" mit ihren politischen Lebenslügen. Parteilinke wie zum Beispiel Andrea Nahles oder Ralf Stegner könne er kaum ertragen:
"Er zeigt Reflexe, sobald einer der Beiden das Wort ergreift. Dann gerät Steinbrück unter Strom, kann sich nicht mehr beherrschen. Seiner Ansicht nach reden Parteifreunde wie Nahles und Stegner ausschließlich Unsinn."
Doch Daniel Friedrich Sturm nimmt die SPD gegen die professionelle Masche Steinbrücks in Schutz, die eigene Partei nur als antiquiert und überfordert vorzuführen. Ebenso versucht er die Aversionen seiner Parteigegner herunterzufahren, indem er einen versöhnlich gestimmten Vertreter des linken Parteiflügels zitiert:
"Der Peer muss nur etwas Demut zeigen, dann kann er unser Kanzlerkandidat werden. Und dann kleben wir auch gerne Parteiplakate für ihn."
Womit wir bei der K-Frage wären, bei der Sturm Steinbrück eine realistische Chance einräumt:
"Also ich würde mal im Moment sagen, vierzig Prozent Aussicht darauf, Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Und dann hat die SPD vielleicht noch ´ne fünfzigprozentige Chance. Ergibt nach Adam Riese etwa eine Chance von zwanzig Prozent, Bundeskanzler zu werden."
Nachdem bereits Helmut Schmidt für seinen Hamburger Landsmann in der K-Frage eintrat, legt jetzt auch Gerhard Schröder in Sturms Buch nach – sehr zum Verdruss des Parteivorsitzenden und Mitbewerbers Sigmar Gabriel, wie am Abend der NRW-Wahl im TV-Talk bei Günther Jauch deutlich zu vernehmen war:
- Gabriel:
"Ich war ja froh, dass er das sozusagen er selber gesagt hat und nicht Herr Putin bei dem Treffen dort."
- Jauch:
"Lupenreine Demokraten unter sich!"
- Gabriel:
"Ja, das ist so."
- Jauch:
"Also war`s nicht hilfreich?"
- Gabriel:
"Gerd Schröder gehört der SPD an. Der darf sozusagen sagen, was immer er will. Es bleibt bei uns dabei, dass wir das Ende des Jahres, Anfang des kommenden Jahres entscheiden werden."
Kein Zweifel, Steinbrücks Inthronisationsimpulse zeigen kaum Wirkung. Auch mit der wohlwollenden Biografie eines Journalisten aus dem Hause Springer dürfte er misstrauischen Parteikadern kaum imponieren können. Sein Biograf hofft eher auf die indirekte Hilfe der Wahlsiegerin von Düsseldorf, seiner früheren Landesministerin:
"Ich glaube, dass durch den Wahlsieg Hannelore Krafts Frau Kraft zwar nicht Kandidatin geworden ist, aber eine Frau sein könnte, die Herrn Gabriel verhindert."
Die materialreiche Steinbrück-Biografie des Daniel Friedrich Sturm ist ein typisches Produkt aus der Halbdistanz jener Berliner Hauptstadtjournaille, die gerne flankierend Politik macht. Offenkundig ist es die Absicht des Autors, das permanent angespannte Verhältnis zwischen dem wortgewandten Kandidaten und seiner widerborstigen Partei zu entdramatisieren. Ob aber Peer Steinbrück als innerparteilich wenig gelittener Kandidat oder als nichtausgetretener Salongenosse seinen weiteren Weg gehen wird, darüber dürfen noch Wetten angenommen werden. Zumindest scheint der offensive Selbstvermarkter - bei aller Abgehobenheit – ein realistisches Bild von der Wirkung seiner Person auf Parteifreunde zu haben:
"Ich glaube, dass meine Partei mich gelegentlich als Granate wahrgenommen hat."
Daniel Friedrich Sturm: Peer Steinbrück - Biografie.
Deutschen Taschenbuch Verlag, 300 Seiten, 14,90 Euro