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Der Mann der Versprechungen

Am 11. Mai hat Nawaz Sharif die Wahl in Pakistan gewonnen. Um Premierminister zu werden, braucht er allerdings Koalitionspartner. Für seine Wahlversprechen, wie einer verstärkten Terrorbekämpfung, müsste Sharif zudem eine neue politische Kultur aufbauen.

Von Sandra Petersmann: | 25.05.2013
    An Selbstbewusstsein mangelt es Nawaz Sharif nicht. Er hält sich für den Mann der Stunde. Seit seinem Erdrutsch-Sieg vom 11. Mai präsentiert er sich staatsmännisch als Mann des Dialogs. Beispiel Terrorbekämpfung.

    "Es ist an der Zeit, dass sich alle Akteure gemeinsam an einen Tisch setzen. Wir müssen an einem Strang ziehen, um dieses Problem zu lösen. So sind schon viele schwierige Probleme auf dieser Welt gelöst worden. Man hat sich gemeinsam an den Tisch gesetzt. Was kann eine bessere Lösung sein, als miteinander zu reden? Unsere erste Wahl muss der Dialog sein."

    Pakistanische Intellektuelle und westliche Experten werfen ihm vor, extremistische Gruppen in seiner Heimatprovinz Punjab freischalten und walten zu lassen. Darunter Lashkar-e-Jhangvi, die regelmäßig in den anderen Provinzen des Landes mörderische Anschläge auf die schiitische Minderheit verübt. Die pakistanische Verfassung, der Nawaz Sharif seinen Wahlsieg verdankt, definiert das Land als demokratische islamische Republik. Doch die pakistanischen Taliban, mit denen er vor allen Dingen verhandeln will, wollen einen fundamentalistischen Gottesstaat errichten, in dem ihre Interpretation der göttlichen Ordnung der Scharia gilt. Sharif gibt nicht zu erkennen, wo für ihn die rote Verhandlungslinie ist.

    "Wenn du ernsthaft und aufrichtig und ohne schlechte Absichten handelst, dann kannst du die größten Probleme lösen. Die Taliban haben ein ernsthaftes Gesprächsangebot gemacht, dass die alte Regierung in die Mülltonne geschmissen hat. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, ernsthaft und überlegt mit dem Thema umzugehen. Wir setzen uns zusammen, wägen ab und diskutieren einen Fahrplan. Das ist nicht unmöglich. Das ist sogar sehr möglich."

    Dem religiös-konservativen Nawaz Sharif fehlen im zukünftigen Parlament in Islamabad nur wenige Stimmen zur absoluten Mehrheit. Der 63-Jährige hat der einzigen islamistischen Partei, die den Einzug ins Parlament geschafft hat, eine Mitarbeit in seiner Regierung angeboten. Der Religionsgelehrte Maulana Abdul Jalil Jan aus Peshawar gehört zum Führungskreis der Jamiat Ulema-i-Islam-Fazl.

    "Die Situation hier ist wirklich sehr schlecht. Die fehlende Sicherheit ist das größte Problem. Aber wir haben Hoffnung, und unsere Hoffnung heißt Gott. Gott wird für unsere Sicherheit sorgen. Unsere Regierung sollte für eine offene Außenpolitik eintreten. Wir sollten auf Augenhöhe mit den USA und mit Europa verhandeln. Wir stehen für friedliche Beziehungen. In den vergangenen fünf Jahren haben wir in diesem Land nur Blut, Tod, Preissteigerung und Stromdiebstahl erlebt. Wir haben zugelassen, dass Tausende Kinder zu Waisen geworden sind."

    Die islamistische JUI-F steht für zwei große Projekte: für die landesweite Einführung der Scharia und für Verhandlungen mit den pakistanischen und afghanischen Taliban im Rahmen einer großen Friedensjirga. Noch ist nicht abzusehen, wie sehr Nawaz Sharif seine Politik mit Religion verquicken wird. Er ist auch Pragmatiker. Der schwerreiche Großindustrielle hat ein ureigenes Interesse daran, die kollabierte Wirtschaft wiederzubeleben. Er will Handel mit dem benachbarten Erzrivalen Indien treiben. Er hofft auf Auslandsinvestitionen. Aus den USA und Europa. Aus Saudi-Arabien und China. Er muss eine Balance finden, die er als Oppositionschef in den vergangenen fünf Jahren ignorieren konnte.

    "Meine erste Priorität ist die Wirtschaft, und meine zweite und dritte Priorität ist auch die Wirtschaft. Wir müssen zuerst unsere wirtschaftlichen Probleme in den Griff kriegen. Mit Gottes Hilfe werden wir danach dann alles andere lösen. Wenn sich unsere Wirtschaft erholt, werden Terror und Gewalt abnehmen. Die Arbeitslosigkeit wird zurückgehen, die Armut wird sinken und es wird mehr Leute geben, die lesen und schreiben können. Die Wirtschaft ist die aller wichtigste Priorität."

    Deswegen hat ihm die große Mehrheit der Wähler am 11. Mai das Vertrauen geschenkt. Wohl wissend, dass auch Nawaz Sharif in der Vergangenheit durch Korruption aufgefallen ist. Wohl wissend, dass auch die Sharif-Familie zur alten, kleptokratischen Feudalelite gehört, die Politik als einträgliches Familienunternehmen betreibt. Sharif steht bei der Bevölkerung im Wort. Es wäre ein Desaster, wenn die erste zivile Machtübergabe in der Geschichte der Atommacht Pakistan in einer Lüge enden würde. Davon würden nur die Extremisten und das mächtige Militär profitieren. Den Preis würde einmal mehr das Volk zahlen.