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Der Müll von Palermo

Guerrilla Guardening in Palermo: Um das Erscheinungsbild ihres Stadtteils Albergheria zu verbessern, räumt eine Gruppe junger Leute Müll von einer verdreckten Piazza und legt Beete an. Die Anwohner spenden Geld, von den Behörden gibt es keine Unterstützung.

Von Javier Gago Holzscheiter |
    Ein kleiner Platz zwischen dem Grabmal Friedrichs II. und der Barockkirche Chiesa del Gesù – unweit des berühmten Markts Ballarò. Die Piazza ist kaum größer als der Strafraum eines Fußballfeldes. Hier parken die Autos quer, hier stapelt sich der Müll. Kein schöner Anblick, weder für die Touristen noch für die Anwohner.

    „Ich lebe im Ballarò, gehe täglich zum Markt, um Brot zu kaufen. Dabei komme ich ständig an dieser verdreckten Piazza vorbei. Immer wieder stehe ich vor diesen Müllbergen, warum? Das muss doch nicht sein!“

    Marta Ragusa will nicht länger von Touristen bedauert werden. Sie hat beschlossen aufzuräumen. Nicht alleine, sondern mit einer Gruppe von jungen Sizilianern, die sich Alberguerilla nennt. Ein Wortspiel mit dem Namen des Stadtteils Albergheria und dem sogenannten Guerilla Gardening.
    „Wir haben vor einem Jahr mit einem Beet angefangen – hier in der Nähe. Auch dort lagen alte Matratzen, Möbel, tote Katzen und andere Kadaver. Wir haben das alles weggeräumt und man kann sagen: Wir waren erfolgreich. Das Beet ist noch immer da.“

    Carmela D'Acchile ist die Begründerin der Initiative. Mit ihren Aktionen will Alberguerilla gemeinsam mit den Bürgern des Stadtteils die Lebensqualität in ihrem Viertel verbessern, Müll wegräumen, Grünanlagen schaffen.

    „Wir fordern die Menschen zum Nachdenken auf. Die entscheidende Frage ist dabei, wie man diese Brachflächen mit bloßer Eigeninitiative wiederbeleben kann. Wir wollen die Bürger, die hier leben, mit einbeziehen und nicht darauf warten, was die Kommunen oder die langsamen, öffentlichen Behörden am Ende sowieso nicht umsetzen.“

    Francesco, der Wirt einer Trattoria keine fünf Meter unweit des kleinen Platzes, lehnt locker an der Hauswand.

    „Wir sind aus dem Viertel hier und froh, dass die mal ein Zeichen setzen und hier aufräumen. Ja, auch ich war bei der Planung dabei und habe gesagt, dass man hier mal aufräumen muss. So eine kleine Grünfläche ist eben etwas Nützliches, besonders für die Kinder des Viertels. Wollen wir mal hoffen, dass es gelingt.“

    Die Zeit, selbst zum Spaten zu greifen, hat Francesco nicht, er muss seine Gäste versorgen. Eierverkäuferin Lia hat ebenfalls mit der Kundschaft alle Hände voll zu tun. Ohnehin ist sie noch unschlüssig, was sie vom Eifer der jungen Leute halten soll. Ihr kleines Geschäft liegt direkt an der Piazza. Sie fürchtet, dass ihr die Kunden wegbleiben, wenn man dort nicht mehr parken kann. Ein bisschen Ironie kann sie sich nicht verkneifen:

    „Es ist wirklich toll, was ihr da macht, wirklich toll!“

    Ihr Auto fährt sie als letzte von der Piazza weg, kommentarlos. Die jungen Leute packen inzwischen an. Schutt wird weggeräumt, Unkraut gejätet, Wurzelwerk aus dem Erdreich gerissen; ein linker Oppositionspolitiker hat den riesigen Container für die Abfälle spendiert. Von der Stadt Palermo bekommen die subversiven Gärtner keine Unterstützung. Typisch, findet Massimo Castiglia vom Verein „mediterraneo antirazzista“, der sich dem Projekt angeschlossen hat.

    „Das sagt schon einiges darüber aus, wie die lokalen Behörden zu solchen Aktionen stehen, die Integration und Toleranz fördern und dabei Rassismus bekämpfen wollen.“

    Dass keiner der direkten Anwohner mithilft, nehmen die jungen Leute mit Humor.

    „Ich schwitze, also bin ich.“

    Scherzt Antonio. Auch Marta ist nach zwei Wochen schwerer Arbeit zufrieden, bunte selbst gezimmerte Blumenkästen schmücken die Piazza. Aus dem verdreckten Parkplatz ist ein Treffpunkt für die Anwohner entstanden. Zwar haben die bei der Aktion selbst nicht mitangepackt. Aber sie haben doch etwas Geld gespendet.

    Und: Sie sorgen sich um die Pflanzen und greifen schonmal ein, wenn Jugendliche dort wie so häufig Flaschen zu Boden werfen. Die Ghanaerin gegenüber der Piazza hat die Lage besser im Blick als jede Videoüberwachung.

    „Sie ist auf den Balkon gestürzt und hat den Jungs zugebrüllt, dass sie die Mülleimer benutzen sollen.“

    Sagt Marta und fügt hinzu:

    „Zu verstehen, dass man gemeinsam etwas auf die Beine stellen kann, das gibt unglaublich viel Kraft.“