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Der Muschel wird das Meer zu sauer

Die steigenden CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre säuern die Weltmeere, weil sich immer mehr Kohlensäure im Ozean löst. Muscheln reagieren empfindlich auf das veränderte Milieu. Besonders in asiatischen Ländern sind sie ein Wirtschaftsfaktor.

Von Frank Grotelüschen |
    Vor ein paar Jahren an der Ostküste der USA. Unter den Besitzern der Austernfarmen kommt Unruhe auf. Ihre Muscheln - sie wollen einfach nicht gedeihen. Der Grund:

    "Dort kam es zu einem Aufstau von sehr saurem Wasser aus dem tieferen Meeresgrund", "

    sagt Jan-Olaf Meynecke, ein deutscher Umweltforscher, der an der Griffith-Universität im australischen Brisbane arbeitet.

    " "Dieses saure Wasser wurde verwendet für die Aufzuchtbecken. Dort sind alle Larven verstorben. Da war die gesamte Aquakultur in diesem Jahr lahmgelegt."

    Ungewöhnliche Meeresströmungen hatten saures Wasser aus der Tiefe nach oben befördert und den Muschellarven in den Aquakulturbecken den Garaus bereitet. Eine Ausnahmesituation, die künftig zum Dauerzustand werden könnte. Denn je mehr CO2 in die Atmosphäre gelangt, umso mehr CO2 löst sich als Kohlensäure im Ozean - und er wird immer saurer. Seit Beginn der Industrialisierung sind die Weltmeere im Schnitt um 25 Prozent saurer geworden. Gegen Ende dieses Jahrhunderts könnten es 100 Prozent sein, schätzen Experten. Die Folgen für die Muscheln sind gravierend.

    "Offensichtliche Schäden treten bei der Kalzifizierung auf. Es braucht einfach mehr Energie für die Muschel, um Kalzium aufzubauen. Allgemein verlangsamt sich die Wachstumsrate."

    Die Muschelschalen bestehen hauptsächlich aus Kalk, enthalten also Kalzium. Und Säuren, das weiß man vom Entkalken der Kaffeemaschine, lösen Kalziumablagerungen auf. Das saure Meerwasser setzt dabei vor allem den Muschellarven zu, wenn sie ihr erstes zartes Kalkskelett aufbauen. Wenn die Larven nicht sterben, wachsen sie langsamer, die ausgewachsenen Muscheln werden kleiner und haben Schwierigkeiten, an Felsen oder dem Meeresgrund fest zu haften. Eine Gefahr natürlich vor allem für die Muschelpopulationen in freier Wildbahn. Doch auch ein Wirtschaftszweig ist betroffen, sagt Meynecke:

    "Das wird sicherlich ein zunehmend großes Problem sein - insbesondere im asiatischen Raum, wo Muschelaquakultur sehr weit verbreitet ist."

    In unseren Breitengraden gelten Muscheln als seltene Delikatesse. In Ländern wie China sind sie ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Hunderttausende von Tonnen werden in Aquakulturen gezüchtet.

    "Es werden die adulten Tiere aus dem Ozean gefangen und in ein Becken befördert. Dort findet dann die Befruchtung statt. Die Larven befinden sich dann in diesem Becken."

    Nur: Diese Becken sind mit normalem Meerwasser gefüllt. Und das ist natürlich genauso sauer wie der Ozean. Ein Problem, wo doch gerade die Larven gegenüber saurem Meerwasser besonders empfindlich sind.

    "Die Industrie merkt bereits jetzt den Effekt. Und es gibt auch schon ganz aktiv den Versuch bei der Industrie, diese Aufzuchtbecken vom Meereswasser abzukoppeln und dort den pH-Wert zu stabilisieren. Im Prinzip kann man einfach Kalk dazugeben. Das ist mit relativ wenig Kosten verbunden. Kalk hilft."

    Jan-Olaf Meynecke empfiehlt also, die Muschellarven in einer geschützten Umgebung aufwachsen zu lassen. Erst, wenn sie eine gewisse Größe haben, zum Beispiel 40 Millimeter, sollten sie am Meeresgrund ausgesetzt werden. Doch auch wenn sie dieser Strategie folgen - die Muschelfarmer werden mit Einbußen rechnen müssen. Denn da die Tiere im sauren Meer langsamer wachsen, wird man künftig wohl vier Jahre bis zur Ernte warten müssen statt drei wie bisher.