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Der Narr vom Bodensee

Ferdinand Graf von Zeppelin war zeitlebens eine Legende; auf dem Höhepunkt seiner Popularität kannte ihn jedes Kind. Er war es, der den Bau von Luftschiffen so perfektioniert hatte, dass sie für eine komfortable, schnelle Atlantiküberquerung taugten, aber auch für den Krieg.

Von Mathias Schulenburg |
    "Zipp, Zapp, Zeppelin, s’ Luftschiff ist schon wieder hin", sangen die Kinder seinerzeit. Den Spott hatte Ferdinand Graf von Zeppelin, geboren am 8. Juli 1838 in Konstanz am Bodensee, eigentlich nicht verdient, doch sein Plan, ein großes Luftschiff mit einer Art Innenskelett zu bauen, ein "starres Luftschiff" im Gegensatz zu einem verformbaren Ballon, war wieder und wieder von Unfällen durchkreuzt worden. "Der Narr vom Bodensee" nannte man ihn gutmütig, denn der Graf war im Volke beliebt; nach der Bruchlandung seines Luftschiffs LZ-4 spendeten die Deutschen 1908 sechseinhalb Millionen Mark , damals eine sagenhafte Summe, die die Entwicklung der späteren legendären Riesenzeppeline erst möglich machte.

    Der Graf hatte sich aber schon lange vorher einen Namen gemacht. 1863 wurde er von seinem bis dahin bruchlos verlaufenen Werdegang als Militär bei der Württembergischen Armee beurlaubt, um als Beobachter auf der Seite der Nordstaaten am amerikanischen Sezessionskrieg teilzunehmen. Dabei lernte er den Nutzen von Fesselballons für die Feindbeobachtung kennen, mitsamt den Nachteilen der Technik – Ballons sind nicht steuerbar. Die Biografen sehen hier die Wurzel für Zeppelins Luftschiffbegeisterung.

    Der "Ritt von Schirlenhof"

    Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 führte Zeppelin als Hauptmann im Elsass einen Spähtrupp hinter die französischen Linien, der in der Gefangenschaft endete. Er allein schaffte es, auf einem Pferd der Franzosen zu entkommen, was die deutsche Presse als "Ritt von Schirlenhof" feierte. In Frankreich auch erfuhr sein Hang zur Luftfahrt eine weitere Bestätigung.
    Graf Zeppelin beobachtete - jetzt als Kavallerie- und Generalstabsoffizier – wie das belagerte Paris mit Heißluftballons Kontakt zum Umland hielt.

    Im Alter von 52 Jahren schied der Graf – nicht ganz freiwillig – frühzeitig aus dem Armeedienst aus (er hatte sich abschätzig über die Preussen geäußert) und wandte sich nun ernsthaft der Entwicklung eines Luftschiffs nach seinen Vorstellungen zu. Es sollte eine lange Leidenszeit werden, die seinen finanziellen Ruin hätte bedeuten können und der erst die großherzige Spende seiner Anhänger ein Ende setzte. Die Dankesrede ist eines der wenigen erhaltenen Tondokumente:

    "Meine Luftschiffe werden bald zu den betriebssichersten Fahrzeugen zählen, mit welchen weite Reisen bei verhältnismäßig geringster Gefahr für Leib und Leben der Insassen ausführbar sind. Mit großer Zuversicht darf das deutsche Volk demnach annehmen, ... dass es bald im Besitz von Luftschiffen sein wird, die zu höherer Wehrkraft und damit zur Erhaltung des Friedens beitragen."

    Ein Jahr vor Ende des Ersten Weltkriegs, am 8. März 1917, starb der berühmte Luftschiffer in Berlin. Mit dem Unglück von Lakehurst am 6. Mai 1937, bei dem das Riesenluftschiff Hindenburg in Flammen aufging, war auch die Ära der großen Zeppeline zu Ende.

    Zeppelins Vermächtnis

    Und was ist von den Träumen des Grafen Zeppelin geblieben? Nicht wenig. Er hat Eingang in die Technikmythologie der Menschheit gefunden; eine Phloxart ist nach ihm benannt – eine Staude mit weißen Blüten und roten Augen – und Luftschiffe aus Friedrichshafen gibt es auch noch. Die heißen heute "Zeppelin NT"; das "NT" steht für "Neue Technologie", sie sind zwergenhaft im Vergleich zu den Giganten von einst, dafür aber mit moderner Technologie ausgestattet und von unbrennbarem Helium getragen. Man kann mit ihnen nicht nur einen Rundflug über den Bodensee machen ... Wissenschaftler erkunden vom Zeppelin NT aus das Laubdach des Regenwaldes; und bei Fußballweltmeisterschaften hilft der NT, Menschenmengen aus der Luft zu managen.

    Und dann gibt es viele, viele Träumer, die in den fliegenden Riesenzigarren des Ferdinand Graf von Zeppelin Gebilde aus einem Paralleluniversum sehen, das sich doch, bitte schön, eines Tages wieder mit dem unseren verbinden möge, für lange, leise Fahrten hinter den Horizont. Mit Solarstrom, natürlich.
    Auftakt der Zeppelin-Fahrt im EU-Projekt "Pegasos".
    Ein moderner Zeppelin NT. (FZ Jülich)