Archiv

"Der Nordschleswiger"
Die kleinste dänische Tageszeitung wird digital

In Dänemark hat die deutsche Minderheit eigene Schulen, Kindergärten – und eine eigene Tageszeitung. Mit ihren Themen will "Der Nordschleswiger" Brücken schlagen und vor allem Kitt der Gesellschaft sein. Weil sich die verkauften Printexemplare in den letzten Jahren stark reduzierten, will die Zeitung als Online-Medium Lesende zurückgewinnen.

Von Johannes Kulms |
    Um einen Tisch stehen vier Männer und eine Frau und halten eine Redaktionskonferenz ab. Sie sind Teil der Lokalzeitung Nordschleswiger.
    Die Redaktion der Lokalzeitung des Nordschleswiger (Johannes Kulms)
    Vor 30 Jahren zog Anke Christensen nach Dänemark und wurde Stammleserin des "Nordschleswiger" - der Zeitung der deutschen Minderheit in Dänemark.
    "Weil ich zu Anfang, als ich nach Dänemark kam, kein Wort Dänisch gesprochen hab‘ oder lesen konnte, das musste ich mir erst aneignen. Und weil ich das einfach als gute Zeitung seh‘. Informativ – und was hier auch angeboten wird in Sonderjylland kann ich daraus sehen."
    Umwandlung in reines Online-Medium steht bevor
    Die gebürtige Niedersächsin arbeitet in der deutschen Zentralbibliothek in Apenrade – dem Zentrum der deutschen Minderheit, zu der sich etwa 15.000 Personen rechnen. Noch gibt es auch hier in der Bücherei den Nordschleswiger auf Papier gedruckt. Doch spätestens 2021 soll die Tageszeitung nur noch im Internet erscheinen. Für Christensen wäre es dann vorbei mit ihrer Stammleserschaft.
    "Ich hab‘ keine Lust, den Computer anzumachen, mich an‘ Computer zu setzen. Ich möchte nebenbei bei `ner Tasse Kaffee am Esstisch meine Zeitung lesen – wie ich das gewohnt bin!"
    "Der Nordschleswiger" erschien erstmals 1946. In einer Zeit, in der die Erinnerungen an die deutschen Besatzer noch ganz frisch waren. Doch im Laufe der Jahrzehnte hat sich nicht nur das Miteinander an der deutsch-dänischen Grenze zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Auch "Der Nordschleswiger" ist zu einem kleinen aber beachteten Medium in der dänischen Medienlandschaft geworden.
    Mehr lesende erreichen – die Gesellschaft zusammenhalten
    Doch wie viele andere Zeitungen kämpft auch er inzwischen mit den veränderten Lesegewohnheiten und einer sinkenden Auflage. Noch vor 25 Jahren lag sie bei etwa 4.000 Exemplaren. Heute sind es noch knapp 1.400, sagt Chefredakteur Gwyn Nissen. Mit der Umwandlung zu einem reinen Online-Medium will der Nordschleswiger einerseits neue Leserschichten erschließen. Und gleichzeitig wieder die Rolle einnehmen, die die Zeitung Jahrzehnte lang gehabt hat, sagt Nissen.
    "Wir wollen gerne wieder Kitt der Minderheit werden. Die Zeitung ist heute kein generationenübergreifendes Medium, das ist das Internet. Vor allem in Dänemark. Hier sind die Leute ab 12, 13 im Internet unterwegs. Und auch wer 87 oder 90 ist, ist in Dänemark sehr oft digital."
    Lokal und regional aber auch landesweiter Blick nach Deutschland und Dänemark
    22 Redakteure arbeiten am Stammsitz in Apenrade und in den vier Lokalredaktionen. Bei der Redaktionskonferenz am Morgen wird der Fokus der Zeitung deutlich: lokal, regional aber auch der landesweite Blick nach Deutschland und Dänemark. Angerissen werden ein neues dänisches Kochbuch, die gesunkenen Rüstungsexporte der Bundesrepublik ebenso wie die Forderung der rechtspopulistischen Danks Folkeparti, die dänische Grenze auch bei der Ausreise nach Deutschland zu kontrollieren. Und dann ist da noch das neue Gesetz, das bei Einbürgerungszeremonien jetzt einen Handschlag vorschreibt. Damit will die Zuständige Ministerin den Integrationswillen der neuen Mitbürger überprüfen.
    "Das Händedruckgesetz wird heute sozusagen in Kraft gesetzt. Und Inga Stolberg schüttelt heute die ersten neun Hände."
    Zweidrittel des Budgets vom Bund Deutscher Nordschleswiger
    Herausgeber der Zeitung ist der Bund Deutscher Nordschleswiger – der Dachorganisation der deutschen Minderheit in Dänemark. Über den BDN erhält das Medium rund zwei Drittel seines vier-Millionen-Budgets. Das Geld stammt von der deutschen Bundesregierung. Den Rest finanziert die Zeitung durch das dänische Kulturministerium – das auch andere dänische Medien bezuschusst – sowie die Abo-Einnahmen. Man wolle Sprachrohr der Minderheit sein, sagt Nissen. Und trotzdem unabhängigen Journalismus machen.
    "Ich seh‘ da keinen Widerspruch. Wir können auch kritisch in Minderheitenangelegenheiten agieren. Die Minderheit mischt sich auch nicht ein. Da, wo wir eine Aufgabe haben ist, dass wir fair berichterstatten und das wir oft eben auch die Nuancen mitnehmen, das heißt die Welt ist selten schwarz-weiß."
    Eben weil die Zeitung finanziell durch die Zuschüsse aus Berlin und Kopenhagen abgesichert sei, könne "Der Nordschleswiger" nun den Weg der Digitalisierung gehen. Der Abschied von der gedruckten Zeitung wurde vom Herausgeber getroffen. Doch bei der Umsetzung dahin ließe der Bund Deutscher Nordschleswiger der Redaktion freie Hand.
    "Wir informieren auf der anderen Seite, wir suchen aber auch das Gespräch auf der anderen Seite in der Minderheit. Wir suchen das Gespräch mit allen Gruppen, mit den jüngeren, mit Eltern von Schul- und Kindergartenkindern, aber auch mit den Älteren um zu hören, welche Lösungen braucht ihr?"
    Ja, man werde einige ältere Leser verlieren. Aber auch neue dazugewinnen, hofft der 55-Jährige. Schon heute stellt der Nordschleswiger viele seiner Artikel kostenlos ins Netz. Gratis soll auch nach der Digital-Umstellung der Zugriff auf die Texte bleiben, um so die Reichweite des Mediums zu erhöhen. Und auch der Artikelaustausch mit den anderen Zeitungen der Region – Jyllands Vestkysten in Dänemark sowie dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und Flensborg Avis auf deutscher Seite soll beibehalten werden. Gelingt das Experiment, könnte das weltweite Netz am Ende eine kleine Zeitung deutlich größer machen als heute.