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Der Oscar-Macher Harvey Weinstein

In diesem Jahr gehört ein französischer Stummfilm in schwarz-weiß zu den Top-Favoriten im Oscar-Rennen. Heute Morgen bekam "The Artist" zehn Nominierungen. Ein Artfilm der Sonderklasse ist auch dank Filmproduzent Harvey Weinstein zum Publikumsliebling geworden.

Von Kerstin Zilm |
    Am Abend der Golden Globes dankten viele Gewinner einem Mann. Madonna nannte ihn augenzwinkernd 'den Folterer', Filmproduzent Thomas Langmann 'den Boss' und Meryl Streep bedankte sich bei 'Gott' - Harvey Weinstein.

    Schmunzelnd sitzt er da - der imposante Mann mit charakteristischem Drei-Tage-Bart und schütterem Haar. Das weiße Hemd spannt über dem Bauch. So nimmt er Danksagungen entgegen. Sie spiegeln das Image des fast 60jährigen leidenschaftlichen Filmliebhabers wider. Mitarbeiter seines Unternehmens sowie Schauspieler und Regisseure, die mit ihm gearbeitet haben, beschreiben Harvey Weinstein als brutalen Zuchtmeister, launischen Chef und genialen Vermarkter seiner Produkte. Dass er so ist, wie er ist, das liege alles darin begründet, dass er liebt, was er tut, sagt er in einem Fernsehinterview.

    "Ich versuche Filme zu machen, die mir selbst gefallen und die anders sind, als das, was man üblicherweise sieht. Ich habe meine helle Freude an Kritik. Als Chef eines Unternehmens gehe ich soweit an die Grenzen, wie man es mit rechtem Verstand tun kann. Und manchmal weiter."

    Weinstein, den in Hollywood alle nur 'Harvey' nennen, gründete die Filmverleihfirma Miramax Ende der 70er-Jahre mit seinem Bruder Bob. Ihr Durchbruch kam 1989 mit drei Erfolgen jenseits von Hollywoods Mainstream-Kino: Steven Soderberghs 'Sex, Lügen und Video', Peter Greenaways 'Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber' sowie Pedro Almodovars 'Fessle mich!'. 1993 kaufte Disney Miramax. Es folgten Hits wie 'Pulp Fiction' und Oscars zum Beispiel 1996 mit 'Der englische Patient'. Drei Jahre später schockte Harvey Weinstein Hollywood damit dass die Romanze 'Shakespeare in Love' aus seinem Haus einen Kriegsfilm mit den beiden Hollywood-Überlieblingen Steven Spielberg und Tom Hanks schlagen konnte. Inzwischen folgen im Kampf um Stimmen für die goldenen Statuetten alle großen Hollywood-Studios Weinsteins Vorbild. Sie verschicken Tausende DVDs in Geschenkpaketen an Akademiemitglieder, schmeißen extravagante Partys mit Staraufgebot und machen hinter den Kulissen Stimmung gegen die Konkurrenz. Harvey sieht sich selbst als Kampagnen-König. Melena Ryzik, Hollywood-Kolumnistin der New York Times:

    "Es ist schwer, ihm zu widersprechen. Letztes Jahr hat er mit 'The King's Speech' den Oscar für besten Film bekommen. Gerissene Kampagnen-Berater helfen ihm. Das ist inzwischen ein Berufszweig in Hollywood. Sie gehen so weit, Spione zu einer Filmvorführung in die Oscar-Akademie zu schmuggeln. Wie reagieren die? Was mögen Sie an dem Film? Darauf wird die Werbung zugeschnitten."

    Es lief nicht immer gut für Harvey Weinstein. Auf teure Flops Anfang des neuen Jahrtausends folgten ein giftiger Trennungskrieg mit Disney und erfolglose Versuche, in anderen Medien und der Modeindustrie Fuß zu fassen. Die Weinsteins schienen vor drei Jahren am Ende ihrer Filmkarriere. Harvey gab zu: Er war ausgebrannt. Auferstanden von den Todgesagten ist er streitsüchtig, munter, enthusiastisch und erfolgreich wie eh und je. Drei Filme hat er dieses Jahr im Oscar-Rennen: 'My Week with Marilyn' mit Michelle Williams, 'Die eiserne Lady' mit Merryl Streep und 'The Artist'.

    Die französische Stummfilm-Romanze in schwarz-weiß ist der Hollywood-Liebling der Saison. Fachblatt "Variety" warnte 'So inspirierend der Film auch ist, es wird sorgfältiger Behandlung bedürfen, um ihn zum Kassenerfolg zu machen. Das Publikum zeigt wenig Nostalgie für die Wurzeln des Kinos." Harvey Weinstein gab ihm die notwendige sorgfältige Behandlung. 'The Artist' hat inzwischen in den USA fast zehn Millionen Dollar eingespielt - ein bemerkenswerter Erfolg für einen Film ohne Superhelden und Spezialeffekte. Die "Los Angeles Times" nannte ihn 'eine perfekte Balance zwischen Tradition und Anforderungen der Gegenwart, die Widerbelebung einer verborgenen Kunst' und die New York Times schwärmt: "Die Kritiker hatten unrecht! Es war clever, einen Stummfilm zu schaffen als Gegenmittel zur modernen Seuche des sinnlosen Geschwätzes'.

    Harvey Weinstein zieht unterdessen alle Register im Oscar-Wahlkampf, lädt Enkelinnen von Charlie-Chaplin zu Filmvorführungen ein, schüttelt Tausende Hände und verteilt ebenso viele DVDs. Aus Sicht des Königs der Oscar-Kampagnen schafft er damit lediglich Chancengleichheit im Wettbewerb um den begehrtesten Filmpreis der Welt:

    "Oscars sind ein Symbol von Exzellenz. Die Öffentlichkeit weltweit akzeptiert dieses Symbol. Ein Film wie 'The Artist', der 14 Millionen gekostet hat tritt an gegen Filme, die 140 Millionen kosten. Wie soll David Goliath schlagen?"