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Der Placeboeffekt

Der Placeboeffekt bedeutet, dass allein der Glaube an eine Behandlung die Symptome bessert. Inzwischen interessieren sich auch die Hirnforscher für diesen Effekt. Vergangene Woche in Washington, auf der Tagung der amerikanischen Gesellschaft für Neurowissenschaften, versuchten sie unter anderem hinter das Geheimnis der Wirkung ohne Wirkstoff zu kommen.

Von Volkart Wildermuth |
    Placeboeffekt, die meisten Ärzte verbinden damit etwas Negatives. Schließlich sind sie stolz darauf, anders als die Quacksalber früher, Medikamente einzusetzen, die tatsächlich etwas bewirken. Das ist auch gut und richtig, gleichwohl ist die Heilkraft der Hoffnung nicht zu verachten. Sie ist sogar wein wichtiger Teil jeglicher Behandlung in der Medizin, glaubt Dr. Fabrizio Benedetti aus. Um die Bedeutung des Placeboeffektes in der normalen Therapie zu erforschen verabreichte er Schmerzpatienten Morphium. Und zwar einmal ganz normal mit einer Spritze und versicherte ihnen dabei, "Das ist ein wirksames Schmerzmittel, es wird Ihnen gleich besser gehen". Andere Patienten dagegen bekamen genau die gleiche Menge Morphium über eine computergesteuerte Pumpe, ohne die Anwesenheit eines Arztes.

    "Entscheidend ist, dass der Patient in diesem Fall nicht weiß, dass er Morphium erhält. Im Vergleich zeigt sich, dass Morphium sehr viel wirksamer ist, wenn es offen verabreicht wird, als wenn man es unbemerkt bekommt. "

    Das heißt, die Schmerzlinderung geht nicht nur auf den biochemischen Effekt des Morphiums zurück, sondern zu einem guten Teil auch auf die den psychischen Einfluss der ganzen Situation, auf die beruhigenden Worte des Arztes, auf die so effektiv erscheinende Technik rund ums Krankenbett, auf positive frühere Erfahrungen des Patienten mit der modernen Medizin. Diesen Effekt können sich Mediziner ganz bewusst zunutze machen, eben in dem sie nicht nur Pillen austeilen, sondern sich Zeit nehmen und ganz gezielt die positiven Erwartungen ihrer Patienten stärken. Wie wichtig das ist, zeigt auch das Beispiel Schüttellähmung. Wenn ihnen Medikamente nicht mehr helfen, bekommen manche Parkinsonpatienten eine Elektrode ins Gehirn eingesetzt, die ihre Bewegungen sozusagen wieder frei schaltet. Wenn der Arzt dabei den Apparat mit großem Aufwand aktiviert, ist der Effekt viel größer, als wenn der gleiche heilende Strom unbemerkt eingeschaltet wird. Neben den Schmerzen und der Parkinsonschen Krankheit sprechen Depressionen besonders gut auf Placebos an. Helen Mayberg von der amerikanischen Emory Universität hat untersucht, wie das sich im Gehirn von depressiven Patienten abspielt, wenn sie glaubten, eine wirksames Medikament zu bekommen aber nur eine Zuckerpille erhalten hatten.

    "Bei dem Placebo waren fast alle Regionen aktiv, die auch auf das echte Medikament reagierten. Die Effekte des Placebos gleichen also denen der aktiven Pille. Dagegen ähneln sie überhaupt nicht den Reaktion auf eine ebenfalls wirksame Psychotherapie. "

    Das ist überraschend. Viele hatten vermutet, ein Placebo würde eine Art generellen Wohlfühleffekt auslösen, der sich durchaus mit einer Psychotherapie vergleichen lassen sollte. Der Effekt ist aber sehr viel spezifischer, wie Dr. Christan Stohler von der Universität von Maryland an Schmerzpatienten herausgefunden hat.

    "Unser Gehirn wird wirklich behandelt, wenn wir einen Placebo bekommen. Sobald wir Schmerzen empfinden, bildet das Gehirn natürliche Schmerzmittel und es ist dieses System, dass ein Placebo noch weiter aktiviert. Wir erwarten eine Besserung und allein dadurch werden diese Substanzen vermehrt freigesetzt."

    Konkret sorgen die Zuckerpillen dafür, dass Endorphine, sozusagen die körpereigene Variante des Morphiums, ausgeschüttet werden. Das konnte Christian Stohler direkt im Gehirn nachweisen. Verantwortlich sind vor allem höhere Hirnzentren, die Erfahrungen speichern und Erwartungen ausbilden können. Genau diese Hirnzentren werden allerdings im Verlauf der Alzheimerschen Krankheit geschädigt. Das beeinträchtigt nicht nur das Gedächtnis, so Fabrizio Benedetti, sondern auch den Placeboeffekt.

    "Wir haben erste Hinweise, dass die Wirksamkeit einer Behandlung nachlässt, wenn das Gehirn keine Erwartungen mehr aufbauen kann. Das sollten die Ärzte bei der Behandlung von Alzheimerpatienten berücksichtigen. Konkret sollte die Dosis von Schmerzmitteln gesteigert werden, um den Verlust der Erwartungssysteme und damit des Placeboeffekts auszugleichen."

    Denn auf den Placeboeffekt kann man in der medizinischen Behandlung nicht so ohne weiteres verzichten. Das ist die Botschaft der Hirnforscher an die Ärzte. Auf der anderen Seite sollten die Patienten die Wirkung der Zuckerpillen nicht überbewerten, betont Helen Mayberg.

    "Da sind die Dinge etwas aus dem Ruder gelaufen. Auch wenn ich den Einfluss des Placebos im Gehirn nachweisen kann, sollte man nicht die Antidepressiva wegwerfen. Die Zuckerpillen haben in kurzen Studien eine deutliche Wirkung, aber die Rückfallrate ist bei Placebos erheblich höher als bei den echten Medikamenten."

    Die Heilung durch die Hoffnung ist zwar viel wirksamer, als oft geglaubt, Wunder kann sie aber nicht bewirken.