Es war weder ein verquasselter Abend noch ein langatmiges Literaturseminar. Ebenso verhedderten sich die auf der Bühne sitzenden nicht in endlosen Analysen zum Realismusbegriff. Im Belgischen Haus war unter den drei Diskutanten Sibylle Lewitscharoff, Martin Mosebach und Juri Andruchowytsch schnell klar: Der platte Realismus darf in der Literatur nicht das letzte Wort haben. "Wider die Alleinherrschaft des Realismus" lautete somit auch das einhellige Motto des Abends.
Ein Lieblingsthema der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die als "Literator"- Dozentin für Weltliteratur die gut besuchte Podiumsdiskussion leitete.
"Bei mir ist das Bedürfnis da in den Figuren, die man darstellt, oder auch als Leser, wenn ich mir Figuren zu Gemüte führe, dass sie im Grunde fast mehr sind, als was wir direkt in einem menschlichen Wesen vermuten. Das würde ich auch unter dem Stichwort Ambivalenz auch verbuchen und das ist eben nicht ein planes Realismuskonzept, sondern die plane Überraschung, zu denen Menschen ja auch wirklich fähig sind."
Sibylle Lewitscharoff vermied es, über das eigene Werk zu sprechen. Vielmehr trat sie als Vermittlerin auf und lenkte - flankiert von Martin Mosebach - das Hauptaugenmerk auf die Arbeit des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch, der aus seinem aktuellen Roman "Perversion" auf Deutsch vorlas. Der mehrfach preisgekrönte Autor und Übersetzer erzählt darin die Geschichte eines Helden, der angeblich sein Freund ist und nach einem Vortrag über die ukrainischen Urvölker in Venedig spurlos verschwindet. Andruchowytsch entwickelt in "Perversion" ein Vexierbild seiner selbst; ein fantasievolles Spiel mit der Realität
"Wir können träumen, das ist etwas, was ich bis heute noch bewundere. Weil die Realität der Träume so unfassbar ist für uns. Und das ist eine wichtige Ebene in der Debatte über den Realismus."
Sibylle Lewitscharoff ordnet Andruchowytschs Spiel mit der Identität seiner Romanfigur unter den Begriff der "Zeugenschaft" ein, die innerhalb der Realismusdebatte für Lewitscharoff eine zentrale Rolle spielt.
"Ich vermute, dass viele literarische Modelle von dieser großen Figur schmausen, dass sie sich in die Zeugenschaft hüllen, um sich einen bedeutenderen Mantel zuzulegen. Und daran glaube ich nicht, dass das so gut funktioniert."
Genauso wenig wie Juri Andruchowytsch sieht sich Martin Mosebach als purer Realist. Wenn auch in abgeschwächter Form, entdeckt man in Mosebachs Romanen ein fantastisches, gar surreales Moment, dass die Realität in einem neuen Licht wider gibt
"In meiner Jugend gab es so japanische Muscheln, die man ins Wasserglas warf und nach einer Weile gingen sie auf, und es kamen dann Papierblumen raus. Das ist ein guter Hinweis für den Umgang mit Wirklichkeit für einen Romanautor, die Dinge so lange anzuschauen, bis sie sich öffnen."
Andruchowytschs Roman "Perversion" während der gesamten Diskussion interessiert zugewandt, entdeckt Martin Mosebach darin auch einen Bezug zum Mythos und plädiert für einen erweiterten Begriff des Realismus. Der Mythos als Ausdruck von Wirklichkeit
"Es gibt nicht realistischeres als Mythos!"
Diesen deklamatorischen Worten wurde auch im Zuschauerraum zugestimmt. Was nicht verwundert. Denn über das jeweils beschriebene Sichtbare hinaus zu gehen, macht die Arbeit eines Schriftstellers erst möglich und auch erst dann für den Leser interessant. Somit ist der Veranstaltungstitel "Wider die Alleinherrschaft des Realismus" des abwechslungsreichen Diskussionsabends durchaus als Arbeitsgrundlage der schriftstellerischen Tätigkeit zu verstehen.
Ein Lieblingsthema der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, die als "Literator"- Dozentin für Weltliteratur die gut besuchte Podiumsdiskussion leitete.
"Bei mir ist das Bedürfnis da in den Figuren, die man darstellt, oder auch als Leser, wenn ich mir Figuren zu Gemüte führe, dass sie im Grunde fast mehr sind, als was wir direkt in einem menschlichen Wesen vermuten. Das würde ich auch unter dem Stichwort Ambivalenz auch verbuchen und das ist eben nicht ein planes Realismuskonzept, sondern die plane Überraschung, zu denen Menschen ja auch wirklich fähig sind."
Sibylle Lewitscharoff vermied es, über das eigene Werk zu sprechen. Vielmehr trat sie als Vermittlerin auf und lenkte - flankiert von Martin Mosebach - das Hauptaugenmerk auf die Arbeit des ukrainischen Schriftstellers Juri Andruchowytsch, der aus seinem aktuellen Roman "Perversion" auf Deutsch vorlas. Der mehrfach preisgekrönte Autor und Übersetzer erzählt darin die Geschichte eines Helden, der angeblich sein Freund ist und nach einem Vortrag über die ukrainischen Urvölker in Venedig spurlos verschwindet. Andruchowytsch entwickelt in "Perversion" ein Vexierbild seiner selbst; ein fantasievolles Spiel mit der Realität
"Wir können träumen, das ist etwas, was ich bis heute noch bewundere. Weil die Realität der Träume so unfassbar ist für uns. Und das ist eine wichtige Ebene in der Debatte über den Realismus."
Sibylle Lewitscharoff ordnet Andruchowytschs Spiel mit der Identität seiner Romanfigur unter den Begriff der "Zeugenschaft" ein, die innerhalb der Realismusdebatte für Lewitscharoff eine zentrale Rolle spielt.
"Ich vermute, dass viele literarische Modelle von dieser großen Figur schmausen, dass sie sich in die Zeugenschaft hüllen, um sich einen bedeutenderen Mantel zuzulegen. Und daran glaube ich nicht, dass das so gut funktioniert."
Genauso wenig wie Juri Andruchowytsch sieht sich Martin Mosebach als purer Realist. Wenn auch in abgeschwächter Form, entdeckt man in Mosebachs Romanen ein fantastisches, gar surreales Moment, dass die Realität in einem neuen Licht wider gibt
"In meiner Jugend gab es so japanische Muscheln, die man ins Wasserglas warf und nach einer Weile gingen sie auf, und es kamen dann Papierblumen raus. Das ist ein guter Hinweis für den Umgang mit Wirklichkeit für einen Romanautor, die Dinge so lange anzuschauen, bis sie sich öffnen."
Andruchowytschs Roman "Perversion" während der gesamten Diskussion interessiert zugewandt, entdeckt Martin Mosebach darin auch einen Bezug zum Mythos und plädiert für einen erweiterten Begriff des Realismus. Der Mythos als Ausdruck von Wirklichkeit
"Es gibt nicht realistischeres als Mythos!"
Diesen deklamatorischen Worten wurde auch im Zuschauerraum zugestimmt. Was nicht verwundert. Denn über das jeweils beschriebene Sichtbare hinaus zu gehen, macht die Arbeit eines Schriftstellers erst möglich und auch erst dann für den Leser interessant. Somit ist der Veranstaltungstitel "Wider die Alleinherrschaft des Realismus" des abwechslungsreichen Diskussionsabends durchaus als Arbeitsgrundlage der schriftstellerischen Tätigkeit zu verstehen.