"Die Grenze in dem Amt besteht darin, dass man eine hinreichende Gewissheit haben muss, ob man auch etwas zu sagen hat."
Richard von Weizsäcker hatte immer etwas zu sagen. Insofern treffen die Worte des früheren Bundespräsidenten über das höchste Staatsamt, am 3. Oktober 1997 in einem Gespräch mit dem Süddeutschen Rundfunk geäußert, zunächst einmal auf ihn selber zu.
Der sechste Bundespräsident, in dessen zehnjähriger Amtszeit - von 1984 bis 1994 - die Wiedervereinigung fiel, war alles andere als ein einfacher Präsident. Das lag auch daran, dass er sich nicht auf der Ochsentour nach oben gedient hatte, sondern als Seiteneinsteiger in die Politik gekommen war. In einem Gespräch, 2008, erinnerte er sich:
"Für mich war die Mitarbeit als Laie der Evangelischen Kirche der Hauptanstoß, mich an politischen Fragen aktiv zu beteiligen. Das Wichtigste war in der Tat die sogenannte Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche, in der insgesamt über das Verhältnis zu Polen und über die Notwendigkeit einer Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze die Rede war. In dem Zusammenhang habe ich dann Ende der 60er-Jahre zum ersten Mal eine Kandidatur für ein politisches Mandat übernommen. Das Erste, was ich dann im Bundestag erlebte, war die Auseinandersetzung genau über diese Ostpolitik."
Eine Auseinandersetzung, in der der Paradeprotestant Weizsäcker in seiner Partei, der CDU, lange isoliert war. Die Christdemokraten bekämpften die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel leidenschaftlich. Weizsäcker hielt dagegen. Ihm war es zu verdanken, dass CDU und CSU die Ostverträge mit Moskau und Warschau im Bundestag passieren ließen.
Zu dieser Haltung gehörte Mut, und der hatte seinen Preis. Obgleich von Statur, Habitus und geistigem Zuschnitt gleichsam ein geborener Präsident, brauchte er doch drei Anläufe, um den Sprung an die Staatsspitze zu schaffen und hatte Bewährungsstationen zu durchlaufen. Als einer der Väter des Grundsatzprogramms von 1978 trug er wesentlich zur Modernisierung der CDU bei. Als Regierender Bürgermeister von Berlin waltete er zwar nur kurz, aber doch untadelig seines Amtes.
Einmal Präsident, setzte der am 15. April 1920 in Stuttgart geborene Schwabe sein ostpolitisches Engagement mit präsidialen Mitteln fort. Unter den 43 Staatsbesuchen, die er in seiner Amtszeit absolvierte, war ihm der in Polen der wichtigste. Mitten im Wiedervereinigungsprozess, als bei den Nachbarn Ängste vor einem allzu mächtigen Deutschland ins Kraut schossen, fand er am 2. Mai 1990 in Warschau den richtigen Ton.
"Polen und Deutsche miteinander bilden das Zentrum unseres Kontinents. Je besser es uns in diesem Zentrum gelingt, vernünftig miteinander auszukommen und zusammenzuarbeiten, desto weniger werden störende Kräfte in Europa sich dem widersetzen können. Ich denke also, dass wir die lohnende Aufgabe haben, aufeinander zuzugehen: politisch, wirtschaftlich und menschlich."
Aufeinander zugehen sollten freilich nicht nur Deutsche und Polen, aufeinander zugehen sollten auch West- und Ostdeutsche. Und damit diese Begegnung nicht zum entwürdigenden Anschluss des Ostens an den Westen werde, ergriff Weizsäcker immer wieder das Wort für die Ostbürger - schon am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung:
"Für die Deutschen in der ehemaligen DDR ist die Vereinigung ein täglicher, ein existenzieller Prozess der Umstellung. Das bringt oft übermenschliche Anforderungen mit sich."
War er so von Anfang an der Präsident aller Deutschen, so war er auch der, der sich nicht scheute, sie mit unliebsamen Wahrheiten zu konfrontieren. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, die er am 8. Mai 1985 im Bundestag hielt, war eine solche Wahrheitsrede, mit der er Geschichte schrieb:
"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen."
Richard von Weizsäcker hatte immer etwas zu sagen. Insofern treffen die Worte des früheren Bundespräsidenten über das höchste Staatsamt, am 3. Oktober 1997 in einem Gespräch mit dem Süddeutschen Rundfunk geäußert, zunächst einmal auf ihn selber zu.
Der sechste Bundespräsident, in dessen zehnjähriger Amtszeit - von 1984 bis 1994 - die Wiedervereinigung fiel, war alles andere als ein einfacher Präsident. Das lag auch daran, dass er sich nicht auf der Ochsentour nach oben gedient hatte, sondern als Seiteneinsteiger in die Politik gekommen war. In einem Gespräch, 2008, erinnerte er sich:
"Für mich war die Mitarbeit als Laie der Evangelischen Kirche der Hauptanstoß, mich an politischen Fragen aktiv zu beteiligen. Das Wichtigste war in der Tat die sogenannte Ostdenkschrift der Evangelischen Kirche, in der insgesamt über das Verhältnis zu Polen und über die Notwendigkeit einer Anerkennung der Oder-Neisse-Grenze die Rede war. In dem Zusammenhang habe ich dann Ende der 60er-Jahre zum ersten Mal eine Kandidatur für ein politisches Mandat übernommen. Das Erste, was ich dann im Bundestag erlebte, war die Auseinandersetzung genau über diese Ostpolitik."
Eine Auseinandersetzung, in der der Paradeprotestant Weizsäcker in seiner Partei, der CDU, lange isoliert war. Die Christdemokraten bekämpften die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung Brandt/Scheel leidenschaftlich. Weizsäcker hielt dagegen. Ihm war es zu verdanken, dass CDU und CSU die Ostverträge mit Moskau und Warschau im Bundestag passieren ließen.
Zu dieser Haltung gehörte Mut, und der hatte seinen Preis. Obgleich von Statur, Habitus und geistigem Zuschnitt gleichsam ein geborener Präsident, brauchte er doch drei Anläufe, um den Sprung an die Staatsspitze zu schaffen und hatte Bewährungsstationen zu durchlaufen. Als einer der Väter des Grundsatzprogramms von 1978 trug er wesentlich zur Modernisierung der CDU bei. Als Regierender Bürgermeister von Berlin waltete er zwar nur kurz, aber doch untadelig seines Amtes.
Einmal Präsident, setzte der am 15. April 1920 in Stuttgart geborene Schwabe sein ostpolitisches Engagement mit präsidialen Mitteln fort. Unter den 43 Staatsbesuchen, die er in seiner Amtszeit absolvierte, war ihm der in Polen der wichtigste. Mitten im Wiedervereinigungsprozess, als bei den Nachbarn Ängste vor einem allzu mächtigen Deutschland ins Kraut schossen, fand er am 2. Mai 1990 in Warschau den richtigen Ton.
"Polen und Deutsche miteinander bilden das Zentrum unseres Kontinents. Je besser es uns in diesem Zentrum gelingt, vernünftig miteinander auszukommen und zusammenzuarbeiten, desto weniger werden störende Kräfte in Europa sich dem widersetzen können. Ich denke also, dass wir die lohnende Aufgabe haben, aufeinander zuzugehen: politisch, wirtschaftlich und menschlich."
Aufeinander zugehen sollten freilich nicht nur Deutsche und Polen, aufeinander zugehen sollten auch West- und Ostdeutsche. Und damit diese Begegnung nicht zum entwürdigenden Anschluss des Ostens an den Westen werde, ergriff Weizsäcker immer wieder das Wort für die Ostbürger - schon am 3. Oktober 1990, dem Tag der Wiedervereinigung:
"Für die Deutschen in der ehemaligen DDR ist die Vereinigung ein täglicher, ein existenzieller Prozess der Umstellung. Das bringt oft übermenschliche Anforderungen mit sich."
War er so von Anfang an der Präsident aller Deutschen, so war er auch der, der sich nicht scheute, sie mit unliebsamen Wahrheiten zu konfrontieren. Seine Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsendes, die er am 8. Mai 1985 im Bundestag hielt, war eine solche Wahrheitsrede, mit der er Geschichte schrieb:
"Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen."