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Der Quirinalspalast in Rom

Der Quirinalspalast in Rom war vom 16. bis zum 19. Jahrhundert die Sommerresidenz der Päpste. Nach der Auflösung des Kirchenstaates 1871 wurde Rom zur Hauptstadt Italiens. Der Quirinalspalast war fortan Sitz der Könige und später Dienstsitz der italienischen Staatspräsidenten.

Von Thomas Migge |
    "Der Platz vor dem Palaste hat was ganz eigenes Individuelles", schrieb Johann Wolfgang Goethe in seiner Italienischen Reise unter dem Datum 3. November 1786. "So unregelmäßig als grandios und lieblich", beschreibt der deutsche Reisende die Piazza del Quirinale. Auch über den Palazzo del Quirinale äußerte er sich: "In diesen Vorsälen, der Kapelle gegenüber, in der Ansicht der Reihe von Zimmern, fühlt man sich wunderbar unter einem Dache mit dem Statthalter Christi".

    Das war während Goethes Rombesuch Papst Pius VI. Er empfing wie seine Vorgänger in den grandiosen Sälen des päpstlichen Quirinalspalastes. Der war einst die Sommerresidenz der Päpste – mitten in Rom gelegen, auf dem Collis Quirinalis, einem der sagenhaften sieben Hügel Roms, ganze 57 Meter über dem Meeresspiegel. In der Antike war dieser Ort ein Luxuswohnviertel, weiß die Kirchenhistorikerin Luisa Manzoni von der Universität Rom:

    "Während der römischen Republik und später im Kaiserreich wohnte hier der Jetset. Sie wollten hier auf dem Hügel leben, weil in der Antike hier oben die Luft besser war als unten im Tal, wo die übel riechende Stadt lag."

    Zu den illustren Bewohnern gehörte damals unter anderen der Schriftsteller Cicero. An die römische Antike erinnern heute noch auf dem Platz vor dem Quirinalspalast die beiden zwei Meter hohen Männerstatuen der Dioskuren, die zwei sich aufbäumende Pferde im Zaum zu halten versuchen.

    Seit dem Mittelalter nutzte man das auf dem Quirinalshügel zahlreich vorhandene antike Baumaterial zum Bau von Kapellen und Wohngebäuden. Aber erst im 14. und 15. Jahrhundert begann sich der klerikale Adel für den Hügel zu interessieren, erklärt Luisa Manzoni:

    "Unter ihnen befand sich Oliviero Carafa, Besitzer einer Villa mit einem Weingarten. Ungefähr genau dort, wo sich heute der Quirinalspalast erhebt. 1550 mietete Kardinal Ippolito d’Este diese Villa und machte aus dem Weingarten einen kleinen Park, mit Brunnen, Wasserspielen und antiken Skulpturen."

    Von der Schönheit des Ortes und der – im Unterschied zu der im Tal liegenden Stadt – erstaunlich guten Luft auf dem Hügel waren die Päpste im 16. Jahrhundert so angetan, dass sie sich dort eine Sommerresidenz bauen ließen. Eine logistisch perfekt gelegene Residenz zum Ausspannen: mitten in Rom gelegen und doch fast mitten in der freien Natur. Damals wurde auch die berühmte Brunnenorgel errichtet, die mit verschiedenen Wasserspielen, aufwendig gestalteten Mosaiken und Stuckaturen versehen ist. Kirchenhistorikerin Luisa Manzoni:

    "Die Architektur des päpstliches Sommerpalastes, so wie er sich heute präsentiert, ist ein Werk von Papst Paul V., 1605 bis 1621. Dieser Papst ließ die Gebäudeflügel rund um den Park errichten, die berühmte Ehrentreppe, den großen Saal des Konsistoriums, das ist heute der Festsaal, und die Cappellina dell’Annunziata, die von Guido Reni ausgemalt wurde."

    Die größte Kapelle innerhalb des Quirinalspalastes ist die Capella Paolina, die die Ausmaße der sixtinischen Kapelle im Vatikan hat. Dort wird bis heute an den hohen christlichen Feiertagen in Anwesenheit des italienischen Staatspräsidenten die Messe gefeiert. Und obwohl der Quirinalspalast nur eine Sommerresidenz war, ist er größer als der Buckingham Palace in London.

    Seit dem 18. Jahrhundert zogen es dann die Päpste vor, für Ferienaufenthalte in ihre luxuriöse Sommerresidenz nach Castel Gandolfo in die Albaner Berge zu fahren. Der Quirinalspalast wurde nun zu einem Verwaltungsgebäude des Kirchenstaates.

    Als 1871 das weltliche Reich der Päpste aufgelöst wurde, wurde Rom zur Hauptstadt des vereinten Italiens. Der Quirinalspalast wurde nun zur Residenz des italienischen Königs. Nach dem Ende des Faschismus übernahm dann die italienische Republik den Palast als Amtssitz für den Staatspräsidenten. Der residiert bis heute in diesem Palast, der mit unschätzbaren Sammlungen von Gobelins, von Gemälden, Möbeln, Kutschen, Statuen der Antike, der Renaissance und des Barocks sowie Porzellan ausgestattet ist. Für die Sammlung von hunderten alter Uhren ist eigens ein Uhrenaufzieher angestellt, der nachts, wenn alle schlafen, durch die Säle geht und die Uhren aufzieht.

    In der aktuellen finanzpolitischen Krise, die Italien durchlebt, fordern manche Politiker, diesen riesigen Palast voll mit Geschichte und Kunst gegen Zahlung einer Eintrittskarte für Besucher zu öffnen. Aber die Regierung und der Staatspräsident sind taub auf diesem Ohr, klagt Kirchenhistorikerin Luisa Manzoni:

    "Der Palast war unter der Herrschaft der Päpste zugänglicher als heute. Das Gebäude war fast jeden Tag für die Untertanen geöffnet, die dort ihre Angelegenheiten vortrugen. Und so war es möglich, dass Besucher, aber auch ausländische Reisende wie etwa Goethe, damals große Teile des Palastes besichtigen konnten."