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Der Schatz im Killersee

Das kleine ostafrikanische Ruanda hat einen Schatz gefunden, mit dem es nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen energiepolitischen Gewinn machen könnte – Methangas im Kiwusee. Doch der Abbau ist ein gefährliches Unterfangen.

Von Antje Diekhans |
    Herve springt ins Wasser. Der Kiwusee ist für den 14-Jährigen und seine Freunde ein Badeparadies. Jeden Tag treffen sie sich an einer Stelle am Ufer.

    Sie kommen, um zu schwimmen und Wasser zu holen, sagt Herve. Er weiß, dass dieser See etwas Besonderes ist. Nicht nur, weil er mit den Palmen am Ufer und den kleinen grünen Inseln traumhaft schön ist. Im Kiwusee findet sich ein einzigartiger Schatz: Methan, ein Gas, aus dem Energie gewonnen werden kann. Etwa 65 Milliarden Kubikmeter sind in den tieferen Wasserschichten zusammen mit dem Gas Kohlendioxid gelöst. Für Ruanda könnte das Methan so wertvoll wie eine ergiebige Ölquelle werden. Oder es könnte die Katastrophe bringen. Methan ist leicht entzündlich. Sollte es unkontrolliert aus dem See entweichen, sind die Folgen kaum absehbar. Manche sprechen darum auch von einem "Killer-See". Doch die meisten Menschen am Ufer sind sich dieser Gefahr nicht bewusst. Auch Herve fürchtet das Methan nicht.

    Das ist nur gefährlich, wenn du ihm ganz nah kommst. Wenn du so weit entfernt bist wie wir hier, kann dir nichts passieren.

    Von der Stelle, wo er und seine Freunde schwimmen, lassen sich auf der anderen Seite des Sees Vulkanberge erkennen. Sie könnten der Grund für das Methanvorkommen sein. Oder Erdgasfelder unter dem See? Wissenschaftler sind sich uneinig. Sicher ist: Das Methan soll jetzt Strom erzeugen.

    Die Baustelle in Kibuye am See darf nur mit Schutzkleidung betreten werden. Helm, reflektierende Weste, Schuhe mit Stahlkappen. Etwa 200 Arbeiter sind hier damit beschäftigt, das Vorzeigeprojekt Ruandas aufzubauen. Eine Plattform, um das Methan zu fördern. Rund 13 Kilometer vom Ufer entfernt. Von ihr werden Rohre zu einer großen Anlage an Land führen, wo aus dem Methan Strom gewonnen wird. Roy Morter ist der leitende Ingenieur. Er hat weltweit schon viele Kraftwerke mitgeplant und fertiggestellt - doch das hier ist für ihn eine neue Erfahrung.

    "Ich habe noch nie an etwas Vergleichbarem gearbeitet. Das Kraftwerk - okay, das unterscheidet sich nicht besonders von anderen. Aber die Förderanlage ist die erste dieser Art."

    Bisher spielt sich noch alles am Ufer ab. Hier wird die Plattform zusammengebaut. Sie soll später auf den See herausgebracht werden. Dann werden mehr als 30 Meter hohe Fördertürme auf ihr stehen.

    "In den Türmen wird das Methan vom Kohlendioxid und vom Wasser getrennt. Für diesen Prozess müssen die vier Türme so hoch sein. Das Kohlendioxid und das Wasser gehen zurück in den See."

    Einige Experten befürchten, dass dieser Prozess gefährlich sein könnte. Schließlich gibt es keine Erfahrung mit ähnlichen Projekten - und niemand kann vorhersagen, wie der See reagiert. Anders als bei anderen Seen ist im Kivu das Wasser in der Tiefe wärmer - Grund dafür sind vulkanische Quellen aus dem Untergrund.

    Das kühlere und damit schwerere Wasser an der Oberfläche lastet sozusagen auf den Wasserschichten mit den Gasen, die wärmer und leichter sind. Wird diese Ordnung gestört, könnte eine riesige Menge Gas unkontrolliert aufsteigen. Durch eine solche Gaswolke aus der Tiefe kamen in den achtziger Jahren mehr als 1700 Menschen in Kamerun ums Leben. Dort war aus einem See Kohlendioxid aufgestiegen.

    Doch Roy Morter ist sicher: Am Kiwusee wird nichts passieren. Im Gegenteil: Die tickende Zeit-Bombe würde durch die Entnahme des Methans entschärft, sagt er.

    "Um sich das vorzustellen, denkt man am besten an eine Champagner-Flasche. Wenn aus ihr der Druck entweicht, steigen die Blasen nach oben. Wenn wir jetzt Methan und Kohlendioxid aus Schichten fördern, die 400 Meter tief im See sind, nehmen wir quasi die Blasen heraus."

    Wie ein Korken ohne Druck nicht mehr aus der Sektflasche knallen kann, so sollen auch die Gase nicht mehr an die Oberfläche des Sees gelangen können.

    In der ersten Phase des Kraftwerk-Projekts werden 25 Megawatt produziert. Start dafür ist schon Ende dieses Jahres. Etwas später werden die Kapazitäten dann bis auf 100 Megawatt ausgebaut.

    "Ruanda wird sich keine Sorgen um die Energieversorgung mehr machen müssen. Darum ist dieses Projekt so wichtig und darum arbeiten wir so eng mit der ruandischen Regierung zusammen."

    Der Strom soll reichen, um das ganze Land zu versorgen und sogar noch Überschüsse zu exportieren. Gebaut und betrieben wird die Anlage von der US-amerikanischen Firma Contour Global, die weltweit auf dem Energiemarkt tätig ist. Sie hat unter anderem von der Afrikanischen Entwicklungsbank Geld bekommen. Die Investitionskosten von rund 150 Millionen Dollar scheinen bei der Größe des Projekts fast gering. Für die Finanzierung hat Contour Global sogar einen Preis gewonnen.
    Das Unternehmen will alles richtig machen. Darum gibt es auf der Baustelle auch einen Sozialarbeiter. Superiano Gatero kümmert sich darum, dass die Bevölkerung rund um den See über die Arbeiten und Pläne Bescheid weiß.

    "Das Projekt wird hier mehr als 20 Jahre laufen. Also wollen wir ein harmonisches Verhältnis zu den Anwohnern aufbauen. Im Moment haben sie keine Angst, dass etwas passiert - sie freuen sich einfach darauf, bald Elektrizität zu haben."
    Von Herve und seinen Freunden hat jedenfalls bisher niemand Strom Zuhause. An ihrer Schwimmstelle legen abends die Fischer mit ihren Booten ab. Sie nehmen, was der Kivu ihnen bringt.

    "Wir werfen die Netze für kleine Fische aus. Mit Glück fangen wir 20 Kilo in der Nacht. Aber manchmal ist es auch deutlich weniger."

    Von dem anderen Schatz im See haben die Anwohner bisher nichts. Noch ist das Methan ist für sie nur eine unsichtbare Gefahr in den Tiefen - die sich manchmal in kleinen Blasen an der Oberfläche zeigt.