Silvia Engels: Am Telefon begrüße ich Volker Wissing (FDP), er ist der Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Guten Morgen, Herr Wissing.
Volker Wissing: Guten Morgen! Ich grüße Sie.
Engels: Politiker hatten ja bislang immer Spekulationen um portugiesische Hilfen zurückgewiesen. Finanzmärkte hatten es dagegen lange erwartet. Sind Sie unterm Strich also überrascht?
Wissing: Nein, ich bin nicht überrascht. Wir rechnen seit Monaten damit, dass Portugal aus eigener Kraft seine Refinanzierung nicht sicherstellen kann, und man hat ja auch beobachtet, dass das Land erhebliche Schwierigkeiten hat, im Land selbst eine Mehrheit für die notwendigen Einsparmaßnahmen zu finden. Jetzt werden sie von außen beschlossen.
Engels: Kann der aktuelle Euro-Rettungsschirm das stemmen?
Wissing: Ja, der Schirm ist auf jeden Fall groß genug, um Portugal zu helfen. Die Summen, die jetzt hier in Rede stehen, sind mit ausreichenden Garantien abgesichert, das ist überhaupt keine Frage.
Engels: Jetzt gibt es ja noch ein kleines Rechtsproblem, denn die portugiesische Regierung ist nur kommissarisch im Amt. Wir haben es vor einer Stunde von unserem Korrespondenten gehört. Möglicherweise kann sie deshalb nur auf den kleinen Rettungsschirm der EU-Kommission zurückgreifen, der 60 Milliarden Euro umfasst, bis eine neue Regierung im Amt ist. Nun rechnet man ja damit, es könnten 75 Milliarden an Hilfen für Portugal fällig werden. Kann das wieder für Turbulenzen sorgen?
Wissing: Diese rechtlichen Fragen müssen schnell geklärt werden. Es geht letztlich um die Refinanzierung des Landes und ich bin sicher, dass man die Probleme lösen wird. Die portugiesische Verfassung muss eine Antwort auf diese Frage finden. In einer solchen Notsituation dürfen rechtliche Hürden nicht dem Gemeinwohl entgegenstehen.
Engels: Könnte es aber sein, dass man kurzfristig diesen 60 Milliarden Euro-Fonds der Kommission aufstocken muss, auch mit deutschen Geldern?
Wissing: Das ist gegenwärtig nicht in der Diskussion. Wir haben einen Rettungsschirm, der für diese Fälle vorgesehen ist, und ich gehe davon aus, dass die Portugiesen rechtliche Hürden schnell aus dem Weg räumen.
Engels: Beobachter hatten ja auch erwartet, wenn Portugal fällt, dann könnte auch der Druck auf das ebenfalls kriselnde Spanien wachsen. Rechnen Sie damit?
Wissing: Wir sind ein Stück weit auch erleichtert, dass Portugal jetzt Hilfen in Anspruch nimmt und damit ein Signal zur Marktberuhigung gesetzt wird. Denn die Fragen, die am Markt immer wieder gestellt werden, wie viele Länder werden noch Hilfen brauchen und bei welchen Ländern ist die Refinanzierung noch in Frage zu stellen, diese Dinge müssen schnell vom Markt verschwinden. Wir brauchen Ruhe in die Märkte, und dann müssen wir mit Haushaltskonsolidierungen in allen Staaten die Märkte wieder zurückerobern, deren Vertrauen zurückgewinnen. Das muss der Weg sein. Insofern warne ich davor, die Hilfen von Portugal jetzt als Eskalation zu sehen. Es ist seit Monaten erwartet worden, dass Portugal aus eigener Kraft es nicht schafft. Jetzt haben wir die Situation, dass der Schirm gebraucht wird. Zugleich wird es aber zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds strenge Auflagen geben, so dass der Konsolidierungskurs, den Portugal selbst nicht geschafft hat, jetzt gemeinsam gemeistert werden kann.
Engels: Sie deuten es an: Haushaltskonsolidierung muss das Ziel sein. Portugal hat es versucht, Irland und Griechenland bemühen sich, es klappt aber trotzdem nicht. Was kann man jetzt noch tun? Steht am Ende doch eine Umschuldung?
Wissing: Nun, in wenigen Wochen oder Monaten kann man nicht rückgängig machen, was an falscher Schuldenpolitik über Jahrzehnte stattgefunden hat. Deswegen darf man sich nicht wundern, dass in so kurzer Zeit die Märkte nicht zurückgewonnen werden konnten, deren Vertrauen nicht zurückgewonnen werden konnte. Aber fest steht auch, dass der Weg, mit einem strengen Konsolidierungskurs eine Umkehr in der Haushaltspolitik innerhalb der Euro-Gruppe einzuleiten, dass dieser Weg richtig ist.
Engels: Ab 2013 soll es dann ja einen neuen dauerhaften Richtungsmechanismus in der EU geben. Die FDP hat sich immer besonders stark gegen einen dort drohenden Transferbetrieb in der Union gestemmt. Sind angesichts der Krise auch mit Blick auf Portugal nun alle Dämme gebrochen?
Wissing: Überhaupt nicht. Wir haben im europäischen Rat eine Einigung, die gerade keinen Transfermechanismus darstellt. Es ist keine Transferunion vereinbart worden, sondern es ist ein Hilfsmechanismus vereinbart worden, der in Zukunft verhindern soll, dass das wieder passiert, was in der Vergangenheit passierte.
Engels: Aber für 2013 muss Deutschland immerhin 22 Milliarden einzahlen.
Wissing: Fest steht, dass man die Fehler der Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann. Es war ja eine deutsche Bundesregierung, damals unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer, die den Bruch, die Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in der Euro-Zone eingeleitet haben, und deswegen ist Deutschland nicht ohne Verantwortung an dem, was sich hier ereignet hat.
Engels: Aber jetzt tragen Sie sie.
Wissing: Jetzt müssen wir die Scherben zusammenkehren, da haben Sie vollkommen recht. Wir können nichts ungeschehen machen. Wir hatten damals die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unter Rot-Grün heftig kritisiert und konnten uns nicht durchsetzen. Heute sehen wir, wir lagen damals richtig, man hätte diesen Fehler nicht machen dürfen. Aber es bringt nichts, nur mit Schuldzuweisungen in die Vergangenheit zu blicken; jetzt muss eine Lösung gefunden werden und dieser müssen wir uns stellen. Kein deutscher Steuerzahler hat ein Interesse daran, dass die Währung kippt.
Engels: Volker Wissing (FDP), er ist der Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Wir sprachen mit ihm über den Stand der Portugal-Hilfen, die gestern Abend beantragt worden sind. Vielen Dank für Ihre Zeit.
Wissing: Ich danke Ihnen.
Volker Wissing: Guten Morgen! Ich grüße Sie.
Engels: Politiker hatten ja bislang immer Spekulationen um portugiesische Hilfen zurückgewiesen. Finanzmärkte hatten es dagegen lange erwartet. Sind Sie unterm Strich also überrascht?
Wissing: Nein, ich bin nicht überrascht. Wir rechnen seit Monaten damit, dass Portugal aus eigener Kraft seine Refinanzierung nicht sicherstellen kann, und man hat ja auch beobachtet, dass das Land erhebliche Schwierigkeiten hat, im Land selbst eine Mehrheit für die notwendigen Einsparmaßnahmen zu finden. Jetzt werden sie von außen beschlossen.
Engels: Kann der aktuelle Euro-Rettungsschirm das stemmen?
Wissing: Ja, der Schirm ist auf jeden Fall groß genug, um Portugal zu helfen. Die Summen, die jetzt hier in Rede stehen, sind mit ausreichenden Garantien abgesichert, das ist überhaupt keine Frage.
Engels: Jetzt gibt es ja noch ein kleines Rechtsproblem, denn die portugiesische Regierung ist nur kommissarisch im Amt. Wir haben es vor einer Stunde von unserem Korrespondenten gehört. Möglicherweise kann sie deshalb nur auf den kleinen Rettungsschirm der EU-Kommission zurückgreifen, der 60 Milliarden Euro umfasst, bis eine neue Regierung im Amt ist. Nun rechnet man ja damit, es könnten 75 Milliarden an Hilfen für Portugal fällig werden. Kann das wieder für Turbulenzen sorgen?
Wissing: Diese rechtlichen Fragen müssen schnell geklärt werden. Es geht letztlich um die Refinanzierung des Landes und ich bin sicher, dass man die Probleme lösen wird. Die portugiesische Verfassung muss eine Antwort auf diese Frage finden. In einer solchen Notsituation dürfen rechtliche Hürden nicht dem Gemeinwohl entgegenstehen.
Engels: Könnte es aber sein, dass man kurzfristig diesen 60 Milliarden Euro-Fonds der Kommission aufstocken muss, auch mit deutschen Geldern?
Wissing: Das ist gegenwärtig nicht in der Diskussion. Wir haben einen Rettungsschirm, der für diese Fälle vorgesehen ist, und ich gehe davon aus, dass die Portugiesen rechtliche Hürden schnell aus dem Weg räumen.
Engels: Beobachter hatten ja auch erwartet, wenn Portugal fällt, dann könnte auch der Druck auf das ebenfalls kriselnde Spanien wachsen. Rechnen Sie damit?
Wissing: Wir sind ein Stück weit auch erleichtert, dass Portugal jetzt Hilfen in Anspruch nimmt und damit ein Signal zur Marktberuhigung gesetzt wird. Denn die Fragen, die am Markt immer wieder gestellt werden, wie viele Länder werden noch Hilfen brauchen und bei welchen Ländern ist die Refinanzierung noch in Frage zu stellen, diese Dinge müssen schnell vom Markt verschwinden. Wir brauchen Ruhe in die Märkte, und dann müssen wir mit Haushaltskonsolidierungen in allen Staaten die Märkte wieder zurückerobern, deren Vertrauen zurückgewinnen. Das muss der Weg sein. Insofern warne ich davor, die Hilfen von Portugal jetzt als Eskalation zu sehen. Es ist seit Monaten erwartet worden, dass Portugal aus eigener Kraft es nicht schafft. Jetzt haben wir die Situation, dass der Schirm gebraucht wird. Zugleich wird es aber zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds strenge Auflagen geben, so dass der Konsolidierungskurs, den Portugal selbst nicht geschafft hat, jetzt gemeinsam gemeistert werden kann.
Engels: Sie deuten es an: Haushaltskonsolidierung muss das Ziel sein. Portugal hat es versucht, Irland und Griechenland bemühen sich, es klappt aber trotzdem nicht. Was kann man jetzt noch tun? Steht am Ende doch eine Umschuldung?
Wissing: Nun, in wenigen Wochen oder Monaten kann man nicht rückgängig machen, was an falscher Schuldenpolitik über Jahrzehnte stattgefunden hat. Deswegen darf man sich nicht wundern, dass in so kurzer Zeit die Märkte nicht zurückgewonnen werden konnten, deren Vertrauen nicht zurückgewonnen werden konnte. Aber fest steht auch, dass der Weg, mit einem strengen Konsolidierungskurs eine Umkehr in der Haushaltspolitik innerhalb der Euro-Gruppe einzuleiten, dass dieser Weg richtig ist.
Engels: Ab 2013 soll es dann ja einen neuen dauerhaften Richtungsmechanismus in der EU geben. Die FDP hat sich immer besonders stark gegen einen dort drohenden Transferbetrieb in der Union gestemmt. Sind angesichts der Krise auch mit Blick auf Portugal nun alle Dämme gebrochen?
Wissing: Überhaupt nicht. Wir haben im europäischen Rat eine Einigung, die gerade keinen Transfermechanismus darstellt. Es ist keine Transferunion vereinbart worden, sondern es ist ein Hilfsmechanismus vereinbart worden, der in Zukunft verhindern soll, dass das wieder passiert, was in der Vergangenheit passierte.
Engels: Aber für 2013 muss Deutschland immerhin 22 Milliarden einzahlen.
Wissing: Fest steht, dass man die Fehler der Vergangenheit nicht ungeschehen machen kann. Es war ja eine deutsche Bundesregierung, damals unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer, die den Bruch, die Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in der Euro-Zone eingeleitet haben, und deswegen ist Deutschland nicht ohne Verantwortung an dem, was sich hier ereignet hat.
Engels: Aber jetzt tragen Sie sie.
Wissing: Jetzt müssen wir die Scherben zusammenkehren, da haben Sie vollkommen recht. Wir können nichts ungeschehen machen. Wir hatten damals die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes unter Rot-Grün heftig kritisiert und konnten uns nicht durchsetzen. Heute sehen wir, wir lagen damals richtig, man hätte diesen Fehler nicht machen dürfen. Aber es bringt nichts, nur mit Schuldzuweisungen in die Vergangenheit zu blicken; jetzt muss eine Lösung gefunden werden und dieser müssen wir uns stellen. Kein deutscher Steuerzahler hat ein Interesse daran, dass die Währung kippt.
Engels: Volker Wissing (FDP), er ist der Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages. Wir sprachen mit ihm über den Stand der Portugal-Hilfen, die gestern Abend beantragt worden sind. Vielen Dank für Ihre Zeit.
Wissing: Ich danke Ihnen.