Anne Raith: In ganz Europa schien man aufzuatmen, in Brüssel, in Berlin, in Paris: Endlich hatte man eine Art Lösung gefunden, Ergebnisse auf den Tisch gelegt, sich geeinigt auf ein ganzes Bündel an Maßnahmen. Der Schuldenschnitt für Griechenland ist eine von ihnen. Auch der griechische Ministerpräsident Papandreou sprach von einer neuen Ära, endlich könne man seine Kraft in die Zukunft des Landes stecken. Doch das europäische Aufatmen kam irgendwie nur bis kurz vor Athen, da blieb es dann stecken. In den konservativen Medien war von einer Katastrophe zu lesen nach dem Gipfel, von einer ständigen Besatzung durch die EU-Troika, die Oppositionspartei Nea Dimokratia sprach vom Verlust der Souveränität. - Am Telefon ist jetzt der griechische Politiker Evangelos Antonaros, er ist Abgeordneter eben jener Oppositionspartei, der Nea Dimokratia. Einen schönen guten Morgen!
Evangelos Antonaros: Guten Morgen!
Raith: Der griechische Premierminister Papandreou spricht von einer neuen Ära, ich habe es eben gesagt. Warum kommt dieses Gefühl des Aufbruchs bei Ihnen offenbar nicht an?
Antonaros: Wissen Sie, ich glaube, Jubel ist in dieser Situation gar nicht angebracht. Und natürlich gibt es eine gewisse Erleichterung, das gebe ich auch zu, weil die Griechen jetzt, also Griechenland, unser Land, viel weniger Schulden zurückzuzahlen hat, als bisher vorgesehen war. Auf der anderen Seite muss man wissen, wie es jetzt weitergeht, und das ist unklar. Wir haben diese unangenehme Situation erreicht und der Schuldenschnitt ist unvermeidbar geworden, weil in den letzten zwei Jahren so gut wie nichts gemacht worden ist. Es ist viel im Parlament beschlossen worden, teilweise auch mit unseren Stimmen, mit den Stimmen der Opposition, aber abgesehen von Kürzungen von Gehältern und neuen Steuern, die immer wieder gekommen sind, zuletzt vor wenigen Wochen, ist wenig umgesetzt worden, und das ist meiner Meinung nach, unserer Meinung nach der Haken. Es geht darum, Beschlossenes auch umzusetzen, zum Beispiel im Bereich der Privatisierungen, wo überhaupt nichts unternommen worden ist.
Raith: Aber genau dafür - entschuldigen Sie -, sagt Papandreou, brauchen wir jetzt den Schuldenschnitt, um überhaupt die Luft, die Perspektive für solche Veränderungen zu haben.
Antonaros: Ja! Aber er hat vieles beschlossen mit seiner bequemen Mehrheit im Parlament, und er ist unfähig, ich würde sagen unwillig auch gewesen, das umzusetzen, aus einem ganz einfachen Grund, weil er sein eigenes Klientelsystem, die vielen, die zu vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, gar nicht anfassen wollte, und das ist die Krux. Wenn er nicht entschlossen genug vorgeht - und wir befürchten, er hat diese Entschlossenheit nicht -, dann gibt es nach einigen Monaten neue Probleme. Und es geht darum, die Griechen jetzt davon zu überzeugen, dass keine neuen Steuern, keine neuen Gehaltskürzungen kommen. Die Belastbarkeit der griechischen Bevölkerung hat längst ihre Grenzen erreicht.
Raith: Aber an den Renten und den Gehältern soll sich auch weiterhin jetzt nichts mehr rütteln. Das hat zumindest Finanzminister Venizelos gestern noch mal beteuert.
Antonaros: Das ist richtig, dass er das gesagt hat. Aber ich habe auch aus meiner Sicht sehr große Bedenken, denn diese Regierung hat wie gesagt in den letzten zwei Jahren immer wieder beteuert, keine neuen Renten- oder Gehaltskürzungen vorzunehmen, und wenige Wochen später sind sie doch mit solchen Entscheidungen gekommen, weil sie nicht in der Lage sind, die Rezession zu überwinden. Sie kürzen die Gehälter, sie kürzen die Renten, sie schicken immer wieder neue Gruppen der Bevölkerung in die Verzweiflung. Tausende von kleinen Firmen gehen zugrunde, die Kaufkraft der Leute schwindet, und das ist ein Teufelskreis. Wenn keine neuen Maßnahmen zum Beispiel zur Ankurbelung der Wirtschaft getroffen werden, dann kommen wir eben nicht weiter. Der Schuldenschnitt wie gesagt ist unvermeidbar geworden, aber der Schuldenschnitt allein reicht nicht aus.
Raith: Unwillig haben Sie die Regierung eben genannt. Unwillig bezeichnen viele Beobachter auch Sie, die Nea Dimokratia, die mit ihrer Blockadehaltung auch nicht viel dazu beiträgt, diese Krise zu lösen.
Antonaros: Wir haben doch, wie ich Ihnen vorhin gesagt habe, mehr als die Hälfte der Gesetze, der Reformgesetze, der Gesetze, die wir für nötig und nützlich halten, mit unseren Stimmen im Parlament mitgetragen, und wir erwarten doch von Papandreou und seiner Regierung, dass diese Gesetze auch umgesetzt werden. Das ist auch wichtig. Es reicht nicht aus, Gesetze zu verabschieden; die Praxis ist wichtig. Und wir sind weiterhin bereit und willig, Gesetze, die nützlich sind für das Land, auch mitzutragen.
Raith: Aber ist es jetzt nicht an der Zeit, zusammenzustehen? Sie haben damals eine Regierung der nationalen Einheit verweigert. Aber nicht allein die Regierung Papandreou ist schuld an der Misere des Landes. Ihre Partei war ja auch maßgeblich daran beteiligt.
Antonaros: Wir haben eine Regierung der nationalen Einheit nicht verweigert. Papandreou hat uns vor drei Monaten, unserem Parteichef in drei Telefongesprächen, die Bildung einer solchen Regierung angeboten. Wir hatten unter gewissen, wie soll ich sagen, Vorgaben zugesagt. Und ein paar Stunden später hat Papandreou das Angebot unter dem Druck seiner eigenen Partei und dem Druck seiner eigenen Nomenklatura, wenn Sie so wollen, innerhalb der eigenen Partei zurückgezogen. Wir fragen uns, wieso? War das nur ein Trick? Möglicherweise. Aber wie gesagt, wir sind jederzeit bereit, wichtige Gesetze im Parlament mitzutragen, und darum geht es ja. Das werden wir auch weiterhin tun, vorausgesetzt, dass diese Gesetze auch nützlich sind.
Raith: Aber die Oppositionsrolle ist ja in gewisser Weise bequem, nein zu sagen, ja zu sagen, nachdem man ja vorher viele Jahre auch zur jetzigen Misere beigetragen hat, und sich dann auszusuchen, wann man eben zustimmt und wann nicht.
Antonaros: Wissen Sie, den letzten Wahlkampf vor zwei Jahren, obwohl das Schnee von gestern ist, hatten wir doch mit dem Argument bestritten, dass nützliche, wichtige Schritte, unangenehme Schritte, unangenehme Entscheidungen absolut notwendig waren, und in den letzten zwei Jahren unserer Regierungszeit haben wir insgesamt sechs Mal solche Maßnahmen auch ergriffen. Die Leute haben uns das nicht geglaubt. Die Leute glaubten der Zusicherung von Herrn Papandreou, dass Geld genug vorhanden war. Sie haben ihm eine bequeme Mehrheit gegeben im Parlament, so funktioniert eben die Demokratie, aber er hat diese Mehrheit einfach missbraucht. Wir erwarten von ihm, da er jetzt die Konsequenzen zieht und dass er entweder die beschlossenen Gesetze auch umsetzt, dass er auf Wachstum setzt, dass er der griechischen Wirtschaft neue Hoffnung gibt, oder dass er einfach Neuwahlen abhält, damit das Volk einfach entscheidet, ob und von wem es regiert werden möchte.
Raith: Aber wenn man den Umfragen der Bevölkerung glaubt, sind sie grundsätzlich von der Politik, der politischen Klasse enttäuscht. Was versprechen Sie sich von Neuwahlen, die ja ein Land nur noch mehr ins Chaos stürzen könnten?
Antonaros: Wissen Sie, das Volk - das ist richtig -, es ist schrecklich verunsichert. Und die Umfragen, die in den letzten Monaten veröffentlicht worden sind, zeigen in der Tat, dass sie in erster Linie von der Politik dieser Regierung verunsichert worden ist, vom Zickzackkurs, von den nicht eingehaltenen Versprechungen. Und in der Demokratie gibt es nie ausweglose Situationen. Das Volk hat immer die Möglichkeit zu entscheiden, ob diese oder die andere Politik richtiger ist. Ich glaube, in einer Demokratie entsteht nie ein Chaos.
Raith: Wie hilfreich ist es denn, oder was trägt Ihre Partei zur Verunsicherung bei, wenn Ihr Parteichef sagt, wir werden noch viele Jahre mit Zusammenbruch und Armut zu tun haben?
Antonaros: Ja, aber das ist doch - - Wissen Sie, wenn Papandreou nicht in der Lage ist, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, ist die Armut unvermeidbar. Die Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten zwei Jahren praktisch verdoppelt, auf 17 Prozent. Es hat 400.000 neue, neu dazugekommene Arbeitslose gegeben. Wissen Sie, es wäre so, als ob in Deutschland innerhalb von zwei Monaten drei Millionen zusätzliche Arbeitslose dazukommen würden, ohne Aussicht auf Neubeschäftigung und ohne das in Deutschland existierende soziale Netz. Sie können sich vorstellen, welche Armut, welche Unsicherheit, welche möglicherweise sozialen Ungleichgewichte entstehen könnten.
Raith: Aber durch Aussagen wie diese schürt Samaras, Ihr Parteichef, ja noch diese Unsicherheiten.
Antonaros: Wir schüren die Unsicherheit nicht, gar nicht. Wir sind für eine Ankurbelung der Wirtschaft, aber mit richtigen Maßnahmen. Mit ständig neuen Steuern, die den kleinen Mann treffen, kommt das Land nicht weiter. Wissen Sie, innerhalb der nächsten zwei Jahre werden nach Angaben des wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstituts bis zu 120.000 kleine und Kleinstfirmen zugrunde gehen, wenn nichts passiert, und das darf nicht geschehen. Dann steckt das Land tatsächlich in einer gigantischen Armut, die nicht mehr rückgängig zu machen sein wird. Deswegen sagen wir auch, wir brauchen Konjunkturprogramme, wir brauchen neues Geld, das in die Wirtschaft fließt und nicht in die Taschen von irgendwelchen, mit großen Defiziten funktionierenden Staatsfirmen.
Raith: Versprechungen, die man leicht machen kann, wenn man in der Opposition ist.
Antonaros: Ja. Wissen Sie, aber eine Opposition ist dazu da, Gegenvorschläge zu machen, und wir haben zweimal in den letzten zwei Jahren konkrete Gegenvorschläge, Gesamtprogramme vorgelegt, von denen die Regierung nichts wissen wollte am Anfang und dann vereinzelte Teile dieser Programme doch übernommen hat. Wie gesagt, als wir in der Regierung waren, haben wir mit Sicherheit auch Fehler gemacht, wie das auch jede Regierung, jede Partei macht. Auf der anderen Seite haben wir so viele Privatisierungen vorgenommen, zum Beispiel die Fluglinie, zum Beispiel den Flughafen von Piräus, zum Beispiel die griechische Telekom, die an die Deutsche Telekom gegangen ist, und wir haben einfach gezeigt, wie diese Probleme anzupacken sind.
Raith: ... , sagt der griechische Politiker Evangelos Antonaros. Entschuldigen Sie, wir müssen zum Ende kommen, die Nachrichten warten. Er ist Abgeordneter der Oppositionspartei Nea Dimokratia. Haben Sie herzlichen Dank!
Antonaros: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Evangelos Antonaros: Guten Morgen!
Raith: Der griechische Premierminister Papandreou spricht von einer neuen Ära, ich habe es eben gesagt. Warum kommt dieses Gefühl des Aufbruchs bei Ihnen offenbar nicht an?
Antonaros: Wissen Sie, ich glaube, Jubel ist in dieser Situation gar nicht angebracht. Und natürlich gibt es eine gewisse Erleichterung, das gebe ich auch zu, weil die Griechen jetzt, also Griechenland, unser Land, viel weniger Schulden zurückzuzahlen hat, als bisher vorgesehen war. Auf der anderen Seite muss man wissen, wie es jetzt weitergeht, und das ist unklar. Wir haben diese unangenehme Situation erreicht und der Schuldenschnitt ist unvermeidbar geworden, weil in den letzten zwei Jahren so gut wie nichts gemacht worden ist. Es ist viel im Parlament beschlossen worden, teilweise auch mit unseren Stimmen, mit den Stimmen der Opposition, aber abgesehen von Kürzungen von Gehältern und neuen Steuern, die immer wieder gekommen sind, zuletzt vor wenigen Wochen, ist wenig umgesetzt worden, und das ist meiner Meinung nach, unserer Meinung nach der Haken. Es geht darum, Beschlossenes auch umzusetzen, zum Beispiel im Bereich der Privatisierungen, wo überhaupt nichts unternommen worden ist.
Raith: Aber genau dafür - entschuldigen Sie -, sagt Papandreou, brauchen wir jetzt den Schuldenschnitt, um überhaupt die Luft, die Perspektive für solche Veränderungen zu haben.
Antonaros: Ja! Aber er hat vieles beschlossen mit seiner bequemen Mehrheit im Parlament, und er ist unfähig, ich würde sagen unwillig auch gewesen, das umzusetzen, aus einem ganz einfachen Grund, weil er sein eigenes Klientelsystem, die vielen, die zu vielen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, gar nicht anfassen wollte, und das ist die Krux. Wenn er nicht entschlossen genug vorgeht - und wir befürchten, er hat diese Entschlossenheit nicht -, dann gibt es nach einigen Monaten neue Probleme. Und es geht darum, die Griechen jetzt davon zu überzeugen, dass keine neuen Steuern, keine neuen Gehaltskürzungen kommen. Die Belastbarkeit der griechischen Bevölkerung hat längst ihre Grenzen erreicht.
Raith: Aber an den Renten und den Gehältern soll sich auch weiterhin jetzt nichts mehr rütteln. Das hat zumindest Finanzminister Venizelos gestern noch mal beteuert.
Antonaros: Das ist richtig, dass er das gesagt hat. Aber ich habe auch aus meiner Sicht sehr große Bedenken, denn diese Regierung hat wie gesagt in den letzten zwei Jahren immer wieder beteuert, keine neuen Renten- oder Gehaltskürzungen vorzunehmen, und wenige Wochen später sind sie doch mit solchen Entscheidungen gekommen, weil sie nicht in der Lage sind, die Rezession zu überwinden. Sie kürzen die Gehälter, sie kürzen die Renten, sie schicken immer wieder neue Gruppen der Bevölkerung in die Verzweiflung. Tausende von kleinen Firmen gehen zugrunde, die Kaufkraft der Leute schwindet, und das ist ein Teufelskreis. Wenn keine neuen Maßnahmen zum Beispiel zur Ankurbelung der Wirtschaft getroffen werden, dann kommen wir eben nicht weiter. Der Schuldenschnitt wie gesagt ist unvermeidbar geworden, aber der Schuldenschnitt allein reicht nicht aus.
Raith: Unwillig haben Sie die Regierung eben genannt. Unwillig bezeichnen viele Beobachter auch Sie, die Nea Dimokratia, die mit ihrer Blockadehaltung auch nicht viel dazu beiträgt, diese Krise zu lösen.
Antonaros: Wir haben doch, wie ich Ihnen vorhin gesagt habe, mehr als die Hälfte der Gesetze, der Reformgesetze, der Gesetze, die wir für nötig und nützlich halten, mit unseren Stimmen im Parlament mitgetragen, und wir erwarten doch von Papandreou und seiner Regierung, dass diese Gesetze auch umgesetzt werden. Das ist auch wichtig. Es reicht nicht aus, Gesetze zu verabschieden; die Praxis ist wichtig. Und wir sind weiterhin bereit und willig, Gesetze, die nützlich sind für das Land, auch mitzutragen.
Raith: Aber ist es jetzt nicht an der Zeit, zusammenzustehen? Sie haben damals eine Regierung der nationalen Einheit verweigert. Aber nicht allein die Regierung Papandreou ist schuld an der Misere des Landes. Ihre Partei war ja auch maßgeblich daran beteiligt.
Antonaros: Wir haben eine Regierung der nationalen Einheit nicht verweigert. Papandreou hat uns vor drei Monaten, unserem Parteichef in drei Telefongesprächen, die Bildung einer solchen Regierung angeboten. Wir hatten unter gewissen, wie soll ich sagen, Vorgaben zugesagt. Und ein paar Stunden später hat Papandreou das Angebot unter dem Druck seiner eigenen Partei und dem Druck seiner eigenen Nomenklatura, wenn Sie so wollen, innerhalb der eigenen Partei zurückgezogen. Wir fragen uns, wieso? War das nur ein Trick? Möglicherweise. Aber wie gesagt, wir sind jederzeit bereit, wichtige Gesetze im Parlament mitzutragen, und darum geht es ja. Das werden wir auch weiterhin tun, vorausgesetzt, dass diese Gesetze auch nützlich sind.
Raith: Aber die Oppositionsrolle ist ja in gewisser Weise bequem, nein zu sagen, ja zu sagen, nachdem man ja vorher viele Jahre auch zur jetzigen Misere beigetragen hat, und sich dann auszusuchen, wann man eben zustimmt und wann nicht.
Antonaros: Wissen Sie, den letzten Wahlkampf vor zwei Jahren, obwohl das Schnee von gestern ist, hatten wir doch mit dem Argument bestritten, dass nützliche, wichtige Schritte, unangenehme Schritte, unangenehme Entscheidungen absolut notwendig waren, und in den letzten zwei Jahren unserer Regierungszeit haben wir insgesamt sechs Mal solche Maßnahmen auch ergriffen. Die Leute haben uns das nicht geglaubt. Die Leute glaubten der Zusicherung von Herrn Papandreou, dass Geld genug vorhanden war. Sie haben ihm eine bequeme Mehrheit gegeben im Parlament, so funktioniert eben die Demokratie, aber er hat diese Mehrheit einfach missbraucht. Wir erwarten von ihm, da er jetzt die Konsequenzen zieht und dass er entweder die beschlossenen Gesetze auch umsetzt, dass er auf Wachstum setzt, dass er der griechischen Wirtschaft neue Hoffnung gibt, oder dass er einfach Neuwahlen abhält, damit das Volk einfach entscheidet, ob und von wem es regiert werden möchte.
Raith: Aber wenn man den Umfragen der Bevölkerung glaubt, sind sie grundsätzlich von der Politik, der politischen Klasse enttäuscht. Was versprechen Sie sich von Neuwahlen, die ja ein Land nur noch mehr ins Chaos stürzen könnten?
Antonaros: Wissen Sie, das Volk - das ist richtig -, es ist schrecklich verunsichert. Und die Umfragen, die in den letzten Monaten veröffentlicht worden sind, zeigen in der Tat, dass sie in erster Linie von der Politik dieser Regierung verunsichert worden ist, vom Zickzackkurs, von den nicht eingehaltenen Versprechungen. Und in der Demokratie gibt es nie ausweglose Situationen. Das Volk hat immer die Möglichkeit zu entscheiden, ob diese oder die andere Politik richtiger ist. Ich glaube, in einer Demokratie entsteht nie ein Chaos.
Raith: Wie hilfreich ist es denn, oder was trägt Ihre Partei zur Verunsicherung bei, wenn Ihr Parteichef sagt, wir werden noch viele Jahre mit Zusammenbruch und Armut zu tun haben?
Antonaros: Ja, aber das ist doch - - Wissen Sie, wenn Papandreou nicht in der Lage ist, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, ist die Armut unvermeidbar. Die Arbeitslosigkeit hat sich in den letzten zwei Jahren praktisch verdoppelt, auf 17 Prozent. Es hat 400.000 neue, neu dazugekommene Arbeitslose gegeben. Wissen Sie, es wäre so, als ob in Deutschland innerhalb von zwei Monaten drei Millionen zusätzliche Arbeitslose dazukommen würden, ohne Aussicht auf Neubeschäftigung und ohne das in Deutschland existierende soziale Netz. Sie können sich vorstellen, welche Armut, welche Unsicherheit, welche möglicherweise sozialen Ungleichgewichte entstehen könnten.
Raith: Aber durch Aussagen wie diese schürt Samaras, Ihr Parteichef, ja noch diese Unsicherheiten.
Antonaros: Wir schüren die Unsicherheit nicht, gar nicht. Wir sind für eine Ankurbelung der Wirtschaft, aber mit richtigen Maßnahmen. Mit ständig neuen Steuern, die den kleinen Mann treffen, kommt das Land nicht weiter. Wissen Sie, innerhalb der nächsten zwei Jahre werden nach Angaben des wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstituts bis zu 120.000 kleine und Kleinstfirmen zugrunde gehen, wenn nichts passiert, und das darf nicht geschehen. Dann steckt das Land tatsächlich in einer gigantischen Armut, die nicht mehr rückgängig zu machen sein wird. Deswegen sagen wir auch, wir brauchen Konjunkturprogramme, wir brauchen neues Geld, das in die Wirtschaft fließt und nicht in die Taschen von irgendwelchen, mit großen Defiziten funktionierenden Staatsfirmen.
Raith: Versprechungen, die man leicht machen kann, wenn man in der Opposition ist.
Antonaros: Ja. Wissen Sie, aber eine Opposition ist dazu da, Gegenvorschläge zu machen, und wir haben zweimal in den letzten zwei Jahren konkrete Gegenvorschläge, Gesamtprogramme vorgelegt, von denen die Regierung nichts wissen wollte am Anfang und dann vereinzelte Teile dieser Programme doch übernommen hat. Wie gesagt, als wir in der Regierung waren, haben wir mit Sicherheit auch Fehler gemacht, wie das auch jede Regierung, jede Partei macht. Auf der anderen Seite haben wir so viele Privatisierungen vorgenommen, zum Beispiel die Fluglinie, zum Beispiel den Flughafen von Piräus, zum Beispiel die griechische Telekom, die an die Deutsche Telekom gegangen ist, und wir haben einfach gezeigt, wie diese Probleme anzupacken sind.
Raith: ... , sagt der griechische Politiker Evangelos Antonaros. Entschuldigen Sie, wir müssen zum Ende kommen, die Nachrichten warten. Er ist Abgeordneter der Oppositionspartei Nea Dimokratia. Haben Sie herzlichen Dank!
Antonaros: Ich danke Ihnen auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.