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"Der schwarze Blitz aus Kitz"

Drei Mal wurde er Olympiasieger, sieben Mal Weltmeister. Seinen letztes WM-Gold gewann Toni Sailer am 9. Februar 1958, heute vor 55 Jahren. Kein Skifahrer ist für die Österreicher bedeutender als Toni Sailer, der 2009 verstorbene "Blitz aus Kitz".

Von Bastian Rudde |
    Die fünfziger Jahre sind zwar lange her, doch schon damals gab es Luxusprobleme. Auch Toni Sailer hat eins. Die eigenen Fans machen ihm bei der Ski-Weltmeisterschaft 1958 in Bad Gastein zu schaffen.

    "Beim Essen, da waren so sehr viele Autogrammjäger da, also dass man überhaupt kein ruhige Minute hatte. Und ich hoffte noch sehr auf einen langen, ruhigen Schlaf."

    Den bekam er offenbar dann doch. Denn am nächsten Tag, dem 9. Februar 1958, ist Toni Sailer wacher als alle anderen.

    "Er hat vorher gesagt, dass er sich topfit fühle. Springt noch einmal! Bis auf zwei Meter am Publikum vorbei! Die Zuschauer drängen zurück! Und unten am Ziel muss Toni Sailer auftauchen, der Favorit dieses großen Rennens!"

    Und der Sieger. Der WM-Titel in der Abfahrt heute vor 55 Jahren ist der letzte, den Toni Sailer in seiner Karriere einfährt. Er ist damals längst ein Superstar, der nicht nur Ski läuft, sondern auch schauspielert und singt.

    "Immer wenn es schneit, schneit, schneit, hab’ ich keine Zeit, Zeit, Zeit! "

    Denn dann ist Toni Sailer auf der Piste. Er wächst im Skisport-Mekka Kitzbühel auf, lernt Klempner im Betrieb seines Vaters, will aber eigentlich nur eins: Olympiasieger werden. Dafür trainiert er auch im Sommer – in den fünfziger Jahren fast ein gesellschaftlicher Tabubruch.

    "Das war ein Gentlemen-Agreement, das man gesagt hat: Wintersportler trainieren nur im Winter!"

    Sagt der Journalist und Sailer-Biograf Sigismund Bergmann.
    "Also hat der Toni Sailer Folgendes gemacht. Er ist in der Früh um sechs Uhr aufgestanden, hat unter seinem Arbeitsgewand einen Trainingsanzug gehabt und ist grüßend durch das noch halb verschlafene Kitzbühel gewandert: ‚Guten Morgen Herr Direktor! Hallo, gnädige Frau!’ Ist zur ersten Almhütte zur berühmten berüchtigten Streif-Abfahrt gegangen, hat seinen Arbeitsanzug dort deponiert und ist dann die Streif hinauf gelaufen, hat oben Gymnastik gemacht noch, keiner hat ihn gesehen, und ist wieder freundlich strahlend durch Kitzbühel gegangen. So hat man damals gelebt!"

    Und so hatte man damals Erfolg. Bei den Olympischen Winterspielen 1956 in Cortina d’Ampezzo erreicht Toni Sailer sein Lebensziel.

    "Schön gefahren, Toni Sailer!"

    Drei Goldmedaillen gewinnt er bei den Spielen`56. Das verunsicherte Nachkriegs-Österreich labt sich an Sailers Siegen. Doch als die mit einem der höchsten Verdienstzeichen der Alpenrepublik honoriert werden sollen, regt sich Widerstand, erzählt Sailer-Biograf Bergmann.

    "Dieses Verdienstzeichen war damals nur für höchste Diplomaten, für Minister, für Sektionschefs, für Hofräte. Und es gab eine hofrätliche Revolution, die sagte: ‚Was denkt unser Bundespräsident? Dass er einem Klempnergesellen mit 20 Jahren, wahrscheinlich kann der seinen Namen nicht einmal richtig schreiben… Und der kriegt jetzt das Große Goldene Verdienstzeichen. Aber er hat’s bekommen."

    Und nicht nur das. Auch Filmangebote bekommt der fesche Naturbub. In über 20 Streifen spielt Toni Sailer mit.

    "Was würden Sie sagen, wenn ich für länger von hier wegginge?" Frau fragt zurück: "Für länger?" Sailer bejaht: "Mmh!"

    Nach seinen Olympiasiegen hat der "Blitz aus Kitz" Motivationsprobleme. Doch um es sich selber und der Nation noch mal zu beweisen, tritt Toni Sailer zwei Jahre später bei der Weltmeisterschaft in Bad Gastein an – und gewinnt drei Mal Gold.

    "Und man sieht daran wieder diese ganze, wundervolle, einmalige Klasse dieses Skiläufers!"

    Für den ist im Jahr 1958 Schluss.

    "Ja, vorläufig werde ich keine Rennen fahren. Und was dann später ist, das weiß ich eigentlich noch nicht ganz genau."

    Viel: Toni Sailer wird Funktionär und Rennleiter, singt weiter, schauspielert weiter. Und er wird zu Österreichs Sportler des Jahrhunderts gekürt - für eine Karriere, die er schon mit Anfang 20 beendet.