Rainer Berthold Schossig: Der französische Modedesigner Yves Saint Laurent ist gestern Abend in Paris gestorben. 71 Jahre alt ist er geworden, und er hatte schon vor einigen Jahren aufgehört zu zeichnen, sich zurückgezogen aus dem Trubel der Branche ins marokkanischen Exil. Die Initialen YSL, sie stehen für eine Revolution der Frauengarderobe, das kann man schon sagen. Vor allem mit der Einführung des Hosenanzugs und der Matrosenjacke für Damen hat er die Mode ein halbes Jahrhundert lang entscheidend geprägt. Man denke nur an die Kandidatur Hillary Clintons, die wäre wohl ohne ihren Hosenanzug undenkbar. Frage an Barbara Vinken, Kulturwissenschaftlerin an der Universität München. Chanel schenkte den Frauen die Freiheit, ich konnte ihnen die Macht geben, so Yves Saint Laurent über sich selbst. Kann man sagen, dass schon seit Damensmoking von 1966 ihm eigentlich einen Platz im Modehimmel reserviert hat?
Barbara Vinken: Ich glaube ja. Yves Saint Laurent ist wohl der in dieser Linie der Haute Coutiers, die, sagen wir mal, von Chanel über Dior und dann er sicherlich als krönender Abschluss dieser Serie Männermode für Frauen adaptiert hat. Und da ist der Smoking sicherlich die auffallendste Übernahme, in der gleichzeitig dieser Sexappeal des Männlichen in dem Weiblichen besonders klar zum Tragen kommt.
Schossig: Ja, dieses Androgyne. Saint Laurent schuf ja eine Art androgynen Typ zu einer Zeit, da noch die Weiblichkeit der Frau ja sehr im Vordergrund stand in der Mode. Wie standen und stehen ihm denn die Feministen oder Feministinnen gegenüber?
Vinken: Ach, diese Androgynität war ja auch im Feminismus durchaus eine lange Zeit angesagt. Ich glaube außerdem, dass das eigentlich eher, wie ich gesagt hab, schon einem modeimmanenten Trend folgte. Das heißt, diese Übernahme des Dandys, der Kleider des Dandys auf die Frau. Das ist eigentlich seit Chanel passiert. Dior war da ein gewisser Bruch. Deswegen ist ja auch ganz schön, dass den Saint Laurent bei Dior anfängt und von Dior aber dann eigentlich eher wieder die Chanel-Linie aufnimmt und eben dieses Männliche ins Weibliche überführt, wenn Sie so wollen oder entwendet und damit diesen neuen Typ der Weiblichkeit erschafft.
Schossig: Wie muss man ihn eigentlich sehen, Frau Vinken? Er hatte ja afrikanische Wurzeln, er ist in Maghreb im algerischen Oran geboren. 1968 hat er dann auch noch den Safari-Look, den allseits bekannten, erfunden. Dennoch war und wollte er nie ein Exot sein. Wie häng dies beides eigentlich in seinem Werk zusammen?
Vinken: Ich glaube, das Yves Saint Laurent in einer langen Tradition der französischen Selbststilisierung steht. Die kann man, das hat Baudelaire auch mal sehr schön gefasst, als den schwarzen Prinzen der Eleganz, der der Dandy ist. Ich glaube, ebenso einer dieser letzten schwarzen Prinzen der Eleganz war ganz sicher Yves Saint Laurent mit seinem Nervenzusammenbruch im Algerien-Krieg, mit seiner Schüchternheit, mit seiner Angst vor der Presse, mit seiner Drogenabhängigkeit, aber auch mit seiner Geliebten, die die Schönheit war, mit diesem ganzen weiblich-männlichen Dandytum, würde ich sagen.
Schossig: Er konnte ja auch sehr grell sein, war auch durchaus für ein paar Modeskandale gut. Aber man sagt ja, er sei ein eher schüchterner Mensch gewesen, auch die Tatsache, dass er die meisten seiner Kreationen ja in gedeckten Farben gehalten hat. Schwarz ist meine Zuflucht, hat er mal gesagt. Ist das zu kitschig, ihn zu einem im Grunde sensiblen Künstler zu stilisieren?
Vinken: Nein, absolut nicht. Er stellt sich wirklich in diese Tradition, künstliche Paradiese, Drogen, immer sehr feminin, zerbrechlich. Dieses ganze Patt aus dieser Künstlerfigur, wie sie das 19. Jahrhundert erschaffen hat, hatte Yves Saint Laurent in einer seltenen Schönheit noch mal verkörpert. Deswegen eben auch das Liebeslied von Catherine Deneuve, deswegen auch die Reklamierung eigentlich für das Französische. Und Marguerite Duras, ganz verschiedene Frauen, haben ja für Yves Saint Laurent absolut geschwärmt. Und ich glaube, das ist sicherlich der Typ dieser sensiblen Dandyesken, immer melancholisch, umflirten am Rande des Grabes stehenden, exzessiv in Drogen gehenden Künstlertypus.
Schossig: Und deshalb vielleicht auch, man liest jetzt, die sogenannte Modewelt trauere, aber ich denke, das geht ja weit über diesen engeren Sinn hinaus. Nicht nur die Modewelt trauert. Er war ja ein kulturelles Leitfossil, oder?
Vinken: Leitfossil, finde ich irgendwie ganz richtig, weil Frauen, die 60 oder 70 sind, bekommen Tränen in die Augen, wenn sie Yves Saint Laurent hören und schwärmen immer noch in einer Lebhaftigkeit, die wirklich hinreißend ist, von seinen Farbkombinationen oder auch von seinen Schnitttechniken. Aber eigentlich ist die Revolution, die Yves Saint Laurent, man kann sagen, in der Tradition von Chanel fortgeführt hat, ist eigentlich in den 70er-, 80er-Jahren abgeschlossen. Und deswegen ist Leitfossil eigentlich sehr hübsch.
Schossig: Können Sie sich jemanden vorstellen, der sein Erbe heute antreten könnte?
Vinken: Yves Saint Laurent hat eigentlich das Modemonopol, das ja Paris seit Ludwig XIV., sagen wir, bis Yves Saint Laurent hatte, noch mal am Ende verkörpert. Dieses Monopol ist jetzt natürlich aufgebrochen. Es gibt ganz andere Städte wie Tokio, London, aus denen die neuen Impulse kommen. Ich glaube nicht mehr, dass sich die Modewelt noch mal so zentrieren lässt, wie das in den 60er- oder 70er-Jahren war. Und es gibt nicht mehr diese Vorbildfunktion der einen Eleganz.
Schossig: Ja. Dunkler Modeprinz. Das war die Münchener Kulturwissenschaftlerin Barbara Vinken über den Modeschöpfer Yves Saint Laurent, der gestern in Paris gestorben ist.
Barbara Vinken: Ich glaube ja. Yves Saint Laurent ist wohl der in dieser Linie der Haute Coutiers, die, sagen wir mal, von Chanel über Dior und dann er sicherlich als krönender Abschluss dieser Serie Männermode für Frauen adaptiert hat. Und da ist der Smoking sicherlich die auffallendste Übernahme, in der gleichzeitig dieser Sexappeal des Männlichen in dem Weiblichen besonders klar zum Tragen kommt.
Schossig: Ja, dieses Androgyne. Saint Laurent schuf ja eine Art androgynen Typ zu einer Zeit, da noch die Weiblichkeit der Frau ja sehr im Vordergrund stand in der Mode. Wie standen und stehen ihm denn die Feministen oder Feministinnen gegenüber?
Vinken: Ach, diese Androgynität war ja auch im Feminismus durchaus eine lange Zeit angesagt. Ich glaube außerdem, dass das eigentlich eher, wie ich gesagt hab, schon einem modeimmanenten Trend folgte. Das heißt, diese Übernahme des Dandys, der Kleider des Dandys auf die Frau. Das ist eigentlich seit Chanel passiert. Dior war da ein gewisser Bruch. Deswegen ist ja auch ganz schön, dass den Saint Laurent bei Dior anfängt und von Dior aber dann eigentlich eher wieder die Chanel-Linie aufnimmt und eben dieses Männliche ins Weibliche überführt, wenn Sie so wollen oder entwendet und damit diesen neuen Typ der Weiblichkeit erschafft.
Schossig: Wie muss man ihn eigentlich sehen, Frau Vinken? Er hatte ja afrikanische Wurzeln, er ist in Maghreb im algerischen Oran geboren. 1968 hat er dann auch noch den Safari-Look, den allseits bekannten, erfunden. Dennoch war und wollte er nie ein Exot sein. Wie häng dies beides eigentlich in seinem Werk zusammen?
Vinken: Ich glaube, das Yves Saint Laurent in einer langen Tradition der französischen Selbststilisierung steht. Die kann man, das hat Baudelaire auch mal sehr schön gefasst, als den schwarzen Prinzen der Eleganz, der der Dandy ist. Ich glaube, ebenso einer dieser letzten schwarzen Prinzen der Eleganz war ganz sicher Yves Saint Laurent mit seinem Nervenzusammenbruch im Algerien-Krieg, mit seiner Schüchternheit, mit seiner Angst vor der Presse, mit seiner Drogenabhängigkeit, aber auch mit seiner Geliebten, die die Schönheit war, mit diesem ganzen weiblich-männlichen Dandytum, würde ich sagen.
Schossig: Er konnte ja auch sehr grell sein, war auch durchaus für ein paar Modeskandale gut. Aber man sagt ja, er sei ein eher schüchterner Mensch gewesen, auch die Tatsache, dass er die meisten seiner Kreationen ja in gedeckten Farben gehalten hat. Schwarz ist meine Zuflucht, hat er mal gesagt. Ist das zu kitschig, ihn zu einem im Grunde sensiblen Künstler zu stilisieren?
Vinken: Nein, absolut nicht. Er stellt sich wirklich in diese Tradition, künstliche Paradiese, Drogen, immer sehr feminin, zerbrechlich. Dieses ganze Patt aus dieser Künstlerfigur, wie sie das 19. Jahrhundert erschaffen hat, hatte Yves Saint Laurent in einer seltenen Schönheit noch mal verkörpert. Deswegen eben auch das Liebeslied von Catherine Deneuve, deswegen auch die Reklamierung eigentlich für das Französische. Und Marguerite Duras, ganz verschiedene Frauen, haben ja für Yves Saint Laurent absolut geschwärmt. Und ich glaube, das ist sicherlich der Typ dieser sensiblen Dandyesken, immer melancholisch, umflirten am Rande des Grabes stehenden, exzessiv in Drogen gehenden Künstlertypus.
Schossig: Und deshalb vielleicht auch, man liest jetzt, die sogenannte Modewelt trauere, aber ich denke, das geht ja weit über diesen engeren Sinn hinaus. Nicht nur die Modewelt trauert. Er war ja ein kulturelles Leitfossil, oder?
Vinken: Leitfossil, finde ich irgendwie ganz richtig, weil Frauen, die 60 oder 70 sind, bekommen Tränen in die Augen, wenn sie Yves Saint Laurent hören und schwärmen immer noch in einer Lebhaftigkeit, die wirklich hinreißend ist, von seinen Farbkombinationen oder auch von seinen Schnitttechniken. Aber eigentlich ist die Revolution, die Yves Saint Laurent, man kann sagen, in der Tradition von Chanel fortgeführt hat, ist eigentlich in den 70er-, 80er-Jahren abgeschlossen. Und deswegen ist Leitfossil eigentlich sehr hübsch.
Schossig: Können Sie sich jemanden vorstellen, der sein Erbe heute antreten könnte?
Vinken: Yves Saint Laurent hat eigentlich das Modemonopol, das ja Paris seit Ludwig XIV., sagen wir, bis Yves Saint Laurent hatte, noch mal am Ende verkörpert. Dieses Monopol ist jetzt natürlich aufgebrochen. Es gibt ganz andere Städte wie Tokio, London, aus denen die neuen Impulse kommen. Ich glaube nicht mehr, dass sich die Modewelt noch mal so zentrieren lässt, wie das in den 60er- oder 70er-Jahren war. Und es gibt nicht mehr diese Vorbildfunktion der einen Eleganz.
Schossig: Ja. Dunkler Modeprinz. Das war die Münchener Kulturwissenschaftlerin Barbara Vinken über den Modeschöpfer Yves Saint Laurent, der gestern in Paris gestorben ist.