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Der Sexschalter von Drosophila

Biologie.- Nach dem Geschlechtsverkehr verschmähen Fruchtfliegenweibchen ihre Männchen. Warum das so ist, haben nun Biologen aus Oxford untersucht. Ihr Ergebnis: Der plötzliche Stimmungswandel wird durch den Samen des Männchens ausgelöst.

Von Maximilian Schönherr | 16.07.2012
    Die weibliche Fruchtfliege schaltet nach dem Geschlechtsverkehr sofort in einen "Brut-Modus" um. Sie zeigt dann keinerlei Interesse mehr an irgendwelchen Männchen. Diesen Prozess haben nun Neurogenetiker an der Universität Oxford untersucht und verstanden. Bislang beschäftigten sich die Forscher vornehmlich mit der männlichen Drosophila-Fliege. Sie ist auffälliger, auch bei der Paarung. Während das Weibchen sich dezent zurückhält, rennt nämlich das Männchen wild herum und singt ihm Liebeslieder. Stephen Goodwin, Leiter des Forschungsprojekts am Institut für Physiologie, Anatomie und Genetik:

    "Erst spät zeigt das Weibchen erste Regungen und Interesse an seinen Verführungstechniken."

    Der Auslöser für den Stimmungswandel ist ein Peptid, also ein einfach aufgebautes Eiweißmolekül im Samen des Männchens. Dieses Peptid trifft bei der Paarung auf Nervenenden im Fortpflanzungsorgan des Weibchens, und von dort wandern Signale ins Gehirn. Dieses schaltet dann in den neuen Zustand um.

    "Das Weibchen bereitet sich unmittelbar nach der Besamung auf die Produktion möglichst vieler Eier vor und ändert dabei sogar seine Fressgewohnheiten, stellt auf eine eiweißreiche Diät um."

    Der aus Dublin stammende Wissenschaftler hat diesen Prozess fein aufgeschlüsselt, eine Karte der Nervenzellen erstellt, über die das Signal vom Abdomen der Fliege ins Gehirn gelangt. Als nächstes will er die Prozesse im Gehirn der Fliege nach dem Sex untersuchen.

    In seinem Labor wimmelt es von Gläsern mit Fruchtfliegen, es riecht etwas streng nach Ammoniak. Unter dem Mikroskop lassen sich die Weibchen leicht von den Männchen unterscheiden, sie werden dazu kurzzeitig betäubt und nach Geschlecht sortiert, die Paarungsvorgänge dann auf Video aufgezeichnet.

    Die Fruchtfliege enthält nur 100.000 Nervenzellen, aber es ist dennoch mikroskopisch unmöglich, an ihnen Messungen durchzuführen, weil sie so klein sind. Deshalb wählte Stephen Goodwin einen anderen Weg, der bei Verhaltensuntersuchungen von Fruchtfliegen ganz üblich ist: Er klonte die Fliegen mit Standardtechniken der Genetik, fügte Änderungen in den Code ein – also Mutationen – und führte mit den mutierten Fliegen dieselben Tests durch. Sie verhielten sich dann anders.

    "Angenommen, wir wissen von einigen Tausend Neuronen, dass sie für ein bestimmtes Verhalten zuständig sind. Dann können wir jetzt einige wenige dieser Nervenzellen genetisch manipulieren und ihre Funktion verstehen. Da spielen transgene Techniken eine Rolle, wir können aber auch in DNA-Strängen Teile isolieren und mit ihnen gezielt einzelne Neurone ansprechen. Wenn wir bestimmte Nervenverbindungen stören, sehen wir, wie sich das Verhalten der Fliege ändert. Die für uns interessanten Verhaltensweisen des Weibchens werden von einem einzigen Gen ausgelöst, dem "Doppel-Sex-Gen". Wir konnten jetzt zeigen, dass dieses Gen zentral wichtig ist, um Änderungen im Nervensystem auszulösen; es fungiert im Fruchtfliegenweibchen als Schalter im Fruchtfliegenweibchen nach dem Sex."

    Stephen Goodwin gefallen die winzigen Insekten. Aber eigentlich zielen solche Forschungen immer woanders hin:

    "Für uns ist die Fliege nur ein Stellvertreter für viel komplexeres Verhalten, wie es Säugetiere mit ihren einigen Milliarden Nervenzellen an den Tag legen. Wenn wir verstanden haben, welche Nervenzellen in einem Netzwerk Schlüsselstellungen einnehmen, können wir verstehen, wie bestimmte Änderungen an bestimmten Nervenzellen das Verhalten des ganzen Organismus ändern. Das ist für viele Forscher der heilige Gral."