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"Der Spieler"
Liebe, Glücksspiel und Sucht

An den Münchner Kammerspielen wird Dostojewskis Spieler jetzt gespielt, inszeniert hat Christopher Rüping. Man kann und wird sicherlich viel gegen diese Inszenierung sagen, die am Ende - leider - tatsächlich ein wenig ausfranst beim Nachliefern der Romanstationen. Schade eigentlich - bei ihrem ungewöhnlichen Ansatz und ihrer unbeschwerten Ästhetik.

Von Sven Ricklefs |
    Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße.
    Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße. (imago/ecomedia/robert fishman)
    Wenn das Publikum in den Zuschauerraum kommt, sind die Protagonisten schon auf der Bühne. Jedenfalls die Kleinen. Ausgelassen spielen sie in der mit großen Lieferkartons zugestellten Bühnenlandschaft. Und: Sie werden das Spiel auch übernehmen, wenn dieser Abend beginnt. Sie sind es, die erste Szenen aus Dostojewskis Roman "Der Spieler" spielen. Sie führen oder zerren die eigentlichen Figuren auf die Bühne. Sie helfen ihnen ins Leben. Sie lesen abwechselnd aus dem Roman vor.
    "Der Spieler. Aus den Aufzeichnungen eines Mannes"
    Eigentlich sind diese Kinder in Dostojewskis "Der Spieler" stumm, gerade einmal dass sie existieren, immerhin ist Alexsej Iwanowitsch, die Titelfigur, Hauslehrer im Haushalt ihres Vaters, des Generals. In den Münchner Kammerspielen macht Regisseur Christopher Rüping diese Randfiguren dagegen zu Initialzündern seiner Version von Dostojewskis Roman über Liebe, Glücksspiel und Sucht, so als gäben sie sich nicht damit zufrieden, dass ihre Vorfahren die eigenen Leben so traurig verspielen. So als widersprächen sie...
    "Nein. Doch. Nein Doch. Nein Doch. Nein. Doch."
    Phasenweise beherrschen diese Kinder die Szene, phasenweise sind sie verschwunden. Was immer bleibt jedoch ist ihre Ästhetik, ihre Art mit sich und den Dingen umzugehen, die kindliche Unschuld und Radikalität mit, der hier erzählt wird, und die auch vor Chaos, Albernheit und Sprunghaftigkeit nicht Halt macht. Tatsächlich kommt das dem Duktus von Dostojewskis Roman durchaus entgegen, der anders als die großen Werke des Autors im schnellen Rausch aus einer Geldnot heraus geschrieben wurde und dabei sein Gesellschafts- und Spielerpanorama eher schlaglichtartig auffächert.
    Christopher Rüpings Ensemble nun hat sich mit sichtlicher Inbrunst auf den ästhetischen Grundgestus dieser szenischen Kinderpoesie eingelassen. Da wirft man sich schamlos in jede Lächerlichkeit, da gibt man einer kindlichen Spiel- und Lebenslust Feuer, da wirft man sich noch die abgefahrensten Theaterplunderkostüme samt Barockperücken, um dem Affen Zuckerwatte zu geben. Allen voran Thomas Schmauser, der ohnehin im positivsten aller Sinne der große Kindskopf der Kammerspiele ist, und der hier nun neben dem Spieler auch gleich noch die kreischende Alte geben darf, auf deren Ableben alle hoffen und die in die Casinowelt nach Roulettenburg kommt, um ihr Vermögen zu verspielen. Und, an seiner Seite, die junge Anna Drexler, die ihn in ihrer berstenden Intensität gerade auch in den so vergeblichen Liebesszenen herausfordert.
    "Sie reden und reden und reden. Was ist das Was reden Sie? Was ist das. Was ist das denn?"
    "Ich muss. Ich muss reden. Ich muss einfach reden. Ich habe einfach kein Ego mehr. Ich muss einfach reden. Ich muss."
    "Also..."
    Wenn die Bühne nicht gerade von der Kinderspielparadies-Kartonlandschaft vollgestellt ist, wird deutlich, wie geschickt Bühnenbildner Jonathan Mertz den Jugendstil-Zuschauerraum der Münchner Kammerspiele mit dem Bühnenraum verbunden hat. Da wird die Metallbrüstung des ersten Ranges im Schwung zur Reling einer Scheinwerferbatterie und da finden sich die tropfenförmige Deckenleuchten oder das Gestühl als Zitate wieder, so als hätte man da in die Unbehaustheit einen eleganten Casinosaal hingetupft, der zugleich die Zuschauer miteinbezieht.
    Man kann und wird sicherlich viel gegen diese Inszenierung sagen, die am Ende – leider – tatsächlich ein wenig ausfranst beim Nachliefern der Romanstationen. Man kann und sollte aber eigentlich mit ihr sympathisieren: mit ihrem ungewöhnlichen Ansatz und ihrer eigenwilligen und unbeschwerten Ästhetik, die sich frech und frei rückbesinnt, auf das Kind in uns allen.