Stefan Koldehoff: Das Lied der Partisanen, gesungen von Jacques Brel und geschrieben von den Widerstandskämpfern Joseph Kessel und Maurice Druon, die sich de Gaulles freien, französischen Streitkräften angeschlossen hatten.
Maurice Druon ist gestern in Paris gestorben, im Alter von fast 91 Jahren. Er wurde - vor allem nach dem Krieg - ein bedeutender Autor in Frankreich, als ständiger Sekretär der Académie française, aber auch der oberste Wächter über die Reinheit der französischen Sprache und zeitweise sogar Politiker, und so lautet also die erste Frage an meinen Kollegen Jürgen Ritte in Paris: Welche dieser drei war denn seine wichtigste Rolle?
Jürgen Ritte: Die wichtigste Rolle war zuletzt die des Polemikers, die des fröhlichen Reaktionärs, die des Akademiemitglieds, das über die Reinheit der französischen Sprache wachte, auch darüber, dass zunächst einmal keine Frauen in die Akademie kamen - das ist ein Kampf, den er verloren hat - und der auch gegen die Feminisierung von französischen Substantiven, also von "le ministre" zu "la ministre" und so weiter sich wehrte - auch dieser Kampf ist dabei, verloren zu werden.
Aber in dieser Rolle als Polemiker, der regelmäßig sein kleines Billet im "Figaro" hatte und von dort aus sich auf die Welt einschoss, auf die Moderne einschoss, die war sein geschworener Feind. In dieser Rolle ist er eigentlich den meisten Leuten präsent gewesen.
Koldehoff: Und diese Rolle, die ja zusammenhängt mit seinem langjährigen Posten als ständiger Sekretär der Akademie, diese Rolle wurde auch ernst genommen, die wurde nicht belächelt?
Ritte: Also, das kommt dann ganz darauf an, auf welcher politischen Seite man sich selbst verortet. Einer seiner letzten Kämpfe - auch den wird er nicht gewonnen haben, wir wissen es ja seit gestern - war, die Tuilerien wieder in dem Zustand herzustellen, in dem sie vor der Kommune von 1871 waren, das heißt, die beiden Seitenflügel des Louvre sollten wieder verschlossen werden.
Dieser Teil, dieser Flügel war ja abgebrannt 1871, auch das wollte er wiederherstellen. Das sind sehr retrograde, um nicht zu sagen reaktionäre architektonische Vorhaben, die irgendwie wieder ins Frankreich des Zweiten Kaiserreichs zurückverweisen. In gewisser Weise war er damit auch sehr auf Tuchfühlung unseres gegenwärtigen Staatspräsidenten.
Koldehoff: ...und in irgendeiner Weise ja sicherlich auch sehr konsequent. Wenn man sich überlegt, dass seine ersten Bücher nach dem Krieg davon handelten, dass angeblich der Niedergang des Bürgertums für die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit verantwortlich war, dann hat er diese Einstellung ja eigentlich über Jahrzehnte beibehalten.
Ritte: Von dieser Idee des Untergangs war er besessen, damit hat er auch seine größten literarischen Erfolge gehabt, unter anderem mit einer Serie von Romanen über die französischen Könige, "Les Rois Maudits", also die vermaledeiten Könige. Das wurde dann hinterher ein großer Fernseherfolg und hat in gewisser Weise auch das Geschichtsbild vieler Franzosen geprägt.
Koldehoff: Er hat sich vehement geäußert gegen die Achtundsechziger-Bewegung. Er war der Meinung, dass der Schutz der sprachlichen Minderheiten im vereinigten Europa vor allen Dingen ein Trick der Deutschen gewesen sei, mehr Einfluss auch auf Frankreich gewinnen zu wollen. Sie haben gerade gesagt, im "Figaro" wurde das sehr ernst genommen. War seine Stimme denn insgesamt in Frankreich zu vernehmen?
Ritte: Ja, dieser Resonanzraum, der sehr konservative Resonanzraum war ihm immer gewiss, und wenn man heute die ersten Reaktionen liest, von Staatspräsident Sarkozy über den Premierminister Fillon bis runter in die etwas niederen Chargen konservativer Politiker: Alle erweisen ihm ihre Ehre.
Andere machen es ein bisschen verhaltener, in der "Libération" stand heute eine sehr schöne Formulierung, dort hieß es: "Viele Menschen begehen Jugendsünden und werden dann weise im Alter, bei ihm war es umgekehrt." In seiner Jugend hat er seine Glanztat vollbracht, das war unter anderem der "Chant des Partisans" mit seinem Onkel Joseph Kessel, ebenfalls Schriftsteller und Journalist, und danach ist es ihm eben etwas aus der Hand geglitten. Also - Alterssünden und nicht Jugendsünden bei Maurice Druon.
Koldehoff: Er war kurze Zeit sogar Kulturminister. Hat er da Einfluss gehabt?
Ritte: Er war sehr kurze Zeit Kulturminister unter Pompidou und hat sich unter anderem damit unsterblich gemacht, dass er Theater schließen wollte, die ihm nicht willfährig genug waren. Sehr oft zitiert wurde der Satz von ihm: "Wenn bei mir jemand vor der Tür steht mit dem Klingelbeutel in der Hand und dem Molotow-Cocktail in der anderen, dann soll er sich entscheiden." Das heißt, Theater, die missliebig waren, aber staatliche Subventionen bekamen, diesen Theatern wollte er den Geldhahn zudrehen, darunter so prominente Regisseure wie Ariane Mnouchkine, Jean-Louis Barrault oder auch Jean Jourdheuil.
Koldehoff: Der ständige Sekretär, der er mal war, ist inzwischen eine Frau, auch das sicherlich eine schmerzliche Niederlage für ihn. Gibt es denn jemanden, der sein Wächterwerk fortsetzen wird?
Ritte: Die Frau, die jetzt ewige Sekretärin ist, Hélène Carrière d'Encausse, ist seine Verbündete gewesen in diversen Kämpfen, die er zuletzt geführt hat, zum Beispiel gegen die Wahl Valéry Giscard d'Estaings in die Académie française. Er hat sich also offenbar mit der Anwesenheit zumindest dieser einen Frau dann doch anfreunden können.
Die Académie française ist eine grundsätzlich konservative Veranstaltung, sie ist auch aufgrund des hohen Alters ihrer meisten Mitglieder eine sehr langsame Veranstaltung. Deswegen kann man darauf vertrauen, dass viele Nachfolger bereitstehen für das Werk von Maurice Druon.
Koldehoff: Jürgen Ritte, vielen Dank, zum Tod des französischen Schriftstellers Maurice Druon gestern im Alter von 90 Jahren.
Maurice Druon ist gestern in Paris gestorben, im Alter von fast 91 Jahren. Er wurde - vor allem nach dem Krieg - ein bedeutender Autor in Frankreich, als ständiger Sekretär der Académie française, aber auch der oberste Wächter über die Reinheit der französischen Sprache und zeitweise sogar Politiker, und so lautet also die erste Frage an meinen Kollegen Jürgen Ritte in Paris: Welche dieser drei war denn seine wichtigste Rolle?
Jürgen Ritte: Die wichtigste Rolle war zuletzt die des Polemikers, die des fröhlichen Reaktionärs, die des Akademiemitglieds, das über die Reinheit der französischen Sprache wachte, auch darüber, dass zunächst einmal keine Frauen in die Akademie kamen - das ist ein Kampf, den er verloren hat - und der auch gegen die Feminisierung von französischen Substantiven, also von "le ministre" zu "la ministre" und so weiter sich wehrte - auch dieser Kampf ist dabei, verloren zu werden.
Aber in dieser Rolle als Polemiker, der regelmäßig sein kleines Billet im "Figaro" hatte und von dort aus sich auf die Welt einschoss, auf die Moderne einschoss, die war sein geschworener Feind. In dieser Rolle ist er eigentlich den meisten Leuten präsent gewesen.
Koldehoff: Und diese Rolle, die ja zusammenhängt mit seinem langjährigen Posten als ständiger Sekretär der Akademie, diese Rolle wurde auch ernst genommen, die wurde nicht belächelt?
Ritte: Also, das kommt dann ganz darauf an, auf welcher politischen Seite man sich selbst verortet. Einer seiner letzten Kämpfe - auch den wird er nicht gewonnen haben, wir wissen es ja seit gestern - war, die Tuilerien wieder in dem Zustand herzustellen, in dem sie vor der Kommune von 1871 waren, das heißt, die beiden Seitenflügel des Louvre sollten wieder verschlossen werden.
Dieser Teil, dieser Flügel war ja abgebrannt 1871, auch das wollte er wiederherstellen. Das sind sehr retrograde, um nicht zu sagen reaktionäre architektonische Vorhaben, die irgendwie wieder ins Frankreich des Zweiten Kaiserreichs zurückverweisen. In gewisser Weise war er damit auch sehr auf Tuchfühlung unseres gegenwärtigen Staatspräsidenten.
Koldehoff: ...und in irgendeiner Weise ja sicherlich auch sehr konsequent. Wenn man sich überlegt, dass seine ersten Bücher nach dem Krieg davon handelten, dass angeblich der Niedergang des Bürgertums für die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs mit verantwortlich war, dann hat er diese Einstellung ja eigentlich über Jahrzehnte beibehalten.
Ritte: Von dieser Idee des Untergangs war er besessen, damit hat er auch seine größten literarischen Erfolge gehabt, unter anderem mit einer Serie von Romanen über die französischen Könige, "Les Rois Maudits", also die vermaledeiten Könige. Das wurde dann hinterher ein großer Fernseherfolg und hat in gewisser Weise auch das Geschichtsbild vieler Franzosen geprägt.
Koldehoff: Er hat sich vehement geäußert gegen die Achtundsechziger-Bewegung. Er war der Meinung, dass der Schutz der sprachlichen Minderheiten im vereinigten Europa vor allen Dingen ein Trick der Deutschen gewesen sei, mehr Einfluss auch auf Frankreich gewinnen zu wollen. Sie haben gerade gesagt, im "Figaro" wurde das sehr ernst genommen. War seine Stimme denn insgesamt in Frankreich zu vernehmen?
Ritte: Ja, dieser Resonanzraum, der sehr konservative Resonanzraum war ihm immer gewiss, und wenn man heute die ersten Reaktionen liest, von Staatspräsident Sarkozy über den Premierminister Fillon bis runter in die etwas niederen Chargen konservativer Politiker: Alle erweisen ihm ihre Ehre.
Andere machen es ein bisschen verhaltener, in der "Libération" stand heute eine sehr schöne Formulierung, dort hieß es: "Viele Menschen begehen Jugendsünden und werden dann weise im Alter, bei ihm war es umgekehrt." In seiner Jugend hat er seine Glanztat vollbracht, das war unter anderem der "Chant des Partisans" mit seinem Onkel Joseph Kessel, ebenfalls Schriftsteller und Journalist, und danach ist es ihm eben etwas aus der Hand geglitten. Also - Alterssünden und nicht Jugendsünden bei Maurice Druon.
Koldehoff: Er war kurze Zeit sogar Kulturminister. Hat er da Einfluss gehabt?
Ritte: Er war sehr kurze Zeit Kulturminister unter Pompidou und hat sich unter anderem damit unsterblich gemacht, dass er Theater schließen wollte, die ihm nicht willfährig genug waren. Sehr oft zitiert wurde der Satz von ihm: "Wenn bei mir jemand vor der Tür steht mit dem Klingelbeutel in der Hand und dem Molotow-Cocktail in der anderen, dann soll er sich entscheiden." Das heißt, Theater, die missliebig waren, aber staatliche Subventionen bekamen, diesen Theatern wollte er den Geldhahn zudrehen, darunter so prominente Regisseure wie Ariane Mnouchkine, Jean-Louis Barrault oder auch Jean Jourdheuil.
Koldehoff: Der ständige Sekretär, der er mal war, ist inzwischen eine Frau, auch das sicherlich eine schmerzliche Niederlage für ihn. Gibt es denn jemanden, der sein Wächterwerk fortsetzen wird?
Ritte: Die Frau, die jetzt ewige Sekretärin ist, Hélène Carrière d'Encausse, ist seine Verbündete gewesen in diversen Kämpfen, die er zuletzt geführt hat, zum Beispiel gegen die Wahl Valéry Giscard d'Estaings in die Académie française. Er hat sich also offenbar mit der Anwesenheit zumindest dieser einen Frau dann doch anfreunden können.
Die Académie française ist eine grundsätzlich konservative Veranstaltung, sie ist auch aufgrund des hohen Alters ihrer meisten Mitglieder eine sehr langsame Veranstaltung. Deswegen kann man darauf vertrauen, dass viele Nachfolger bereitstehen für das Werk von Maurice Druon.
Koldehoff: Jürgen Ritte, vielen Dank, zum Tod des französischen Schriftstellers Maurice Druon gestern im Alter von 90 Jahren.