Rücksitz, dann ist er startklar. Wie jedes Jahr verstaut er Frau, Hund und Surfausrüstung in seinem alten Mercedesbus, um an der französischen Atlantikküste auf die perfekten Wellen zu warten. Seinen Bus hat er selbst zu diesem Zweck umgebaut - optimal ausgerüstet für die Bedürfnisse eines Surfers, aber für die Fahrten in der Kölner Innenstadt ist der bunte Bus nicht mehr gerüstet:
"Diese Umweltzone ist wirklich nicht schön für mich, denn ich darf hier jetzt nicht mehr reinfahren, ich hab leider für meinen Bus keine Plakette mehr, die kriege ich auch nicht, weil das Auto zu alt ist. Also muss ich jetzt außerhalb der Stadt parken, was ich jetzt auch notgedrungen tue."
Der alte Mercedesbus, Typ 210 Diesel, ein Vorgängermodell des Mercedes Sprinter, kann nicht mehr nachgerüstet werden, denn für dieses Modell gibt es keinen Rußpartikelfilter. Das bedeutet für Benjamin und seinen Bus, dass er in 45 Innenstädten von Deutschland nicht mehr fahren und parken darf. Das stimmt den 35-Jährigen wehmütig:
"Ich hänge an dem Auto, weil es ein schönes Auto ist, weil ich es selber ausgebaut habe, weil ich damit in den Urlaub fahre. Ich hänge halt an ihm und möchte es deshalb nicht verschrotten."
Doch in Benjamins Wehmut mischt sich auch Wut:
"In Wirklichkeit bringen diese Umweltzonen gar nichts der Umwelt oder der Stadt!"
Das sieht Professor Peter Bruckmann vom Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW anders. Sein Team hat in aufwendigen Untersuchungen die Feinstaubwerte vor der Einrichtung einer Umweltzone mit den Werten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Maßnahme verglichen. Das Landesamt hat besonders viele Messungen im Ruhrgebiet, aber auch in Köln durchgeführt:
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Feinstaubbelastung in etwa zwischen zwei und 2,5 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel zurückgegangen ist. Das hört sich jetzt erst mal wenig an, das sind aber ungefähr 16 vermiedene Überschreitungstage. Also Tage oberhalb des Grenzwertes, und das ist durchaus ein deutlicher Effekt."
Diese Grenzwerte hat die EU im Mai 2008 in der "Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa" festgelegt. In der sogenannten Feinstaubrichtlinie heißt es:
"Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt insgesamt ist es von besonderer Bedeutung, den Ausstoß von Schadstoffen an der Quelle zu bekämpfen und die effizientesten Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ermitteln und auf lokaler, nationaler und gemeinschaftlicher Ebene anzuwenden. Deshalb sind Emissionen von Luftschadstoffen zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern und angemessene Luftqualitätsziele festzulegen."
Konkret schreibt die EU eine Tageshöchstgrenze von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft vor. Nur an 35 Tagen im Jahr darf dieser Grenzwert überschritten werden. Im Jahresmittel soll die Konzentration höchstens 40 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter betragen. Um diese Werte zu erreichen, müssen sich vor allem die europäischen Großstädte Konzepte überlegen, die eine spürbare und messbare Reduzierung der Feinstaubemissionen versprechen. In Deutschland haben sich bisher 45 Städte, darunter Pforzheim und Leonberg, Bochum und Bonn, für die Einrichtung von Umweltzonen entschieden, in diesen Bereichen dürfen stark rußende PKW und LKW nicht mehr fahren. Dadurch wurden bisher rund sieben Millionen PKW, die meisten von ihnen alte Dieselmodelle wie der Bus von Benjamin Hölscher, aus den Umweltzonen verbannt. Alle in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge sind festen Schadstoffgruppen zugeteilt, je nachdem wie hoch ihre Abgaswerte sind. Die Zuordnung erfolgt über die Emissionsschlüsselnummern in den Fahrzeugpapieren:
"Schadstoffgruppe 1: Dazu gehören alte Dieselfahrzeuge und Benziner ohne geregelten Katalysator. Sie erhalten keine Plakette.
Schadstoffgruppe 2: erhält die Rote Plakette,
Schadstoffgruppe 3: die Gelbe Plakette,
Schadstoffgruppe 4: erhält mit der Grünen Plakette die bestmögliche Kennzeichnung an der Windschutzscheibe."
Köln, Berlin und Hannover waren 2008 die ersten Städte, die eine Umweltzone eingerichtet haben, am 1. September dieses Jahres folgen Magdeburg und Halle. Eine gute Entscheidung, findet Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe:
"Zu Beginn des Jahres hat die Berliner Senatsverwaltung neue Zahlen vorgelegt zu dem Erfolg der Umweltzone, und da hat sich herausgestellt, dass die Einschränkung der Zufahrt für Fahrzeuge mit ausschließlich grüner Plakette dazu geführt hat, dass der Rußanteil in der Luft um 60 Prozent gesunken ist, was einem Rückgang der Feinstaubbelastung von zwölf Prozent entspricht. Das bedeutet gleichzeitig, dass man an vielen kritischen Punkten unterhalb der Grenzwertschwelle bleibt, und damit ist für uns klar, ein Erfolg der Umweltzone dokumentiert, wenn die Bedingungen stimmen."
Über die Bedingungen, also den Zuschnitt der jeweiligen Umweltzone, die Kontrollen der PKW und die Frage, ob Fahrzeuge nur mit grüner oder auch noch mit roter Plakette einfahren dürfen, wurde viel diskutiert. Auch die Wirksamkeit der Umweltzonen wurde vor allem von Automobilclubs bestritten. Unstrittig, laut EU-Kommission oder Umweltbundesamt, sind aber die Verursacher der feinen Staubpartikel, dieser kleinsten Teilchen in der Atemluft, die der Gesundheit übel zusetzen: Nach Angaben der EU-Kommission entstehen gefährliche Feinstäube "insbesondere durch Schadstoffemissionen aus Industrie, Verkehr und Privathaushalten”. Bis zu 40 Prozent der städtischen Emissionen kommen dabei allein aus dem Auspuff der PKW und Lastkraftwagen. Auch Peter Bruckmann vom Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz, kurz lanuv, konnte bei den Messungen der letzten Jahre klar erkennen:
"... dass eben bei der lokalen Zusatzbelastung in den Straßenschluchten doch 20 bis 40 Prozent der Belastung vom Verkehr kommen, dass wir daneben noch ne Hintergrundbelastung haben, an die wir schlecht herankommen, ist unstrittig, aber was wir sofort beeinflussen können, sind diese 20 bis 40 Prozent in den Straßenschluchten."
Und so setzen immer mehr deutsche Städte auf Umweltzonen, in denen der Verkehr sukzessiv auf emissionsarme PKW umgestellt wird. Die Umweltzonen sind in Deutschland allerdings sehr ungleichmäßig verteilt, auch ist Umweltzone nicht gleich Umweltzone, es gelten je nach Stadt verschiedene Beschränkungen: In Köln dürfen noch alle Autos mit grüner, gelber, aber auch mit roter Plakette einfahren. In Leipzig, Berlin und Hannover dürfen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Umweltzonen.
In Leipzig darf der Fahrer nur mit grüner Plakette in die Innenstadt, in Lübeck gibt es gar keine Beschränkungen. Für den Laien sieht das nach Stückwerk aus, für manch einen auch chaotisch. Peter Bruckmann:
"So ein großes Chaos ist es noch nicht einmal, weil es gibt eine Bundesverordnung, die zumindest die Kennzeichnungspflicht festlegt, also welche Plaketten sie bekommen. Von der Zuständigkeit ist es aber so, dass erst mal die Luftreinhaltepläne Sache der Länder sind, die haben das dann meistens delegiert, häufig an die Regierungsbezirke, zum Teil auch an die Kommunen, die haben letztlich dann entschieden, welche Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sie dann heranziehen."
Wer sich für Umweltzonen entschieden hat, um die Feinstaubemissionen auf vorgeschriebene EU-Norm zu drosseln, geht aber zumindest bei den Messmethoden identisch vor: Die Feinstaubkonzentration wird an verschiedenen Orten der Stadt erfasst, an den sogenannten Hotspots, das sind stark befahrene Straßen in der Innenstadt sowie an Messstationen in Wohnanlagen und außerhalb der Umweltzone, damit ausreichend Vergleichswerte zur Verfügung stehen:
"Insofern muss man das nämlich sehr aufwendig untersuchen, indem ich nämlich gucke: wie hat sich die Umweltbelastung in der Umweltzone an stark befahrenen Straßen geändert, und wie hat sie sich außerhalb der Umweltzonen geändert. Und nur wenn die Änderung in der Umweltzone größer ist als die Verbesserung außerhalb, kann ich das halbwegs vernünftig der Umweltzone zuschreiben. Sonst sind das externe andere Faktoren. Und diese Untersuchung haben wir im Ruhrgebiet sehr aufwendig durchgeführt."
Kritiker geben immer wieder zu bedenken, dass Feinstaub wohl kaum vor den Stadtteilgrenzen haltmacht, die zur Umweltzone gehören. Und tatsächlich spielen externe Faktoren wie Wetterlage und Windströmung eine Rolle bei der Verteilung der Emissionen. Aber, so Peter Bruckmann:
"Auf der anderen Seite: Wenn es keine Emissionen gäbe, dann könnte das Wetter sein, wie es wollte! Es spielt immer beides zusammen, unser Ziel muss sein, dass wir die Grenzwerte einhalten, selbst bei ungünstigen Bedingungen. Aber ganz so weit sind wir leider noch nicht."
Auch wenn der Emissionsrückgang in einigen Städten noch hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil die Umweltzonen noch nicht groß genug sind, weil es noch zu viele Ausnahmegenehmigungen gibt oder der Abgasausstoß von Industrie und Kleingewerbe viel höher ist, als der der Autos, so hat sich der Aufwand nach Einschätzung des lanuv dennoch gelohnt:
" ... auch deshalb - und das ist der Haupteffekt - weil sich die Kraftfahrzeugflotte dadurch schneller modernisiert hat. Das ist der Haupteffekt: der Anreiz, emissionsärmere Fahrzeuge zu kaufen. Und man sieht, dass die alten Fahrzeuge in der Umweltzone schneller zurückgegangen sind, als im Landesdurchschnitt."
Neben den Abgasen aus den Benzin- und vor allem Dieselmotoren gibt es in den Städten noch viele andere Feinstaubschleudern, wie Stahlwerke, Müllverbrennungsanlagen oder Kohleöfen. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass allein Kamine und Öfen in Deutschland jährlich soviel Feinstaub ausstoßen wie alle PKW, LKW und Motorräder zusammen! Wer also die Luftqualität verbessern will, muss alle Emissionsquellen im Blick haben und an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen. Peter Bruckmann:
"Auch Maßnahmen in der Industrie spielen da eine Rolle, ganz ausgeprägt natürlich in Duisburg, wo wir große Stahlwerke haben, aber auch in Krefeld sind eine ganze Reihe Maßnahmen im industriellen Bereich drin ... in den Luftreinhalteplänen drin, dann aber auch viele kleine Einzelmaßnahmen, Begrünungsmaßnahmen, Förderung des Fahrradverkehrs, Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Umstellung der städtischen Flotten beispielsweise für die Müllabfuhr auf emissionsärmere Fahrzeuge, Umstellung der Busse auf neueste Abgastechnologie, das sind Bündel von Maßnahmen ungefähr 50 bis 60, die in den Luftreinhalteplänen stehen."
Alle EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu erstellen, wenn sie die vorgeschriebenen Grenzwerte überschreiten. Und so musste jede Stadt bzw. jeder Regierungsbezirk von Fall zu Fall prüfen, welche Maßnahmen in ihrem Fall wirksam und vor allem bezahlbar sind. Die Umstellung der städtischen Flotte, also der Busse und Müllfahrzeuge, von Benzin auf Erdgas- oder Hybridfahrzeuge, ist nämlich auch eine Kostenfrage. Wie Rainer Liebmann, Abteilungsleiter für Umweltplanung und Vorsorge der Stadt Köln erklärt, ist sogar die Software für die Ampelschaltung der Stadt so teuer, dass seit Jahren darüber beraten wird. Die Steuerung der Ampel ist aber ein wichtiger Faktor bei der Reduzierung von Abgasen, denn je flüssiger der Verkehr läuft, desto weniger Dreck wird beim Anfahren und Abbremsen ausgestoßen. Dieselruß und Stickoxide kommen aber nicht nur aus dem Auspuff der Autos! Ein Verladebahnhof in der Stadt, in dem Tag und Nacht rauchende Dieselloks rangieren, kann die Luftqualität ebenfalls erheblich verschlechtern, Ähnliches gilt für den Schiffsverkehr. Da setzt dann auch die Stadt Köln an: Rainer Liebmann vom Umweltamt:
"... ich denke da an die Initiative für die Anleger des Schiffsverkehrs in der Innenstadt, wo wir versuchen, durch Stromanschlüsse generell zu vermeiden, dass die Schiffe, die dort anlegen, mit Dieselaggregaten dort weiterlaufen ..."
Eine Initiative von vielen, die Wirkung zeigt, wie die Messungen des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW beweisen:
"Wir haben für Köln das Jahr 2007 verglichen: vor Einführung der Umweltzone mit 2009, mit voller Wirksamkeit der Umweltzone. Und es ist so, dass die Feinstaubbelastung an zwei Stationen in der Umweltzone im Vergleich zu dem städtischen Hintergrund außerhalb der Umweltzone deutlich zurückgegangen ist. Und zwar ist die Feinstaubbelastung um fünf Mikrogramm bis acht Mikrogramm pro Kubikmeter zurückgegangen, das entspricht sogar 17 bis 30 Überschreitungstagen, die wir jetzt weniger haben durch die Umweltzone! Bei Stickstoffdioxid ist die Belastung viel weniger zurückgegangen."
Und das ist nicht nur in Köln ein Problem. Die gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid-Konzentration ist in vielen Städten bei Weitem nicht so weit zurückgegangen, wie erhofft. Schlimmer noch, das Umweltbundesamt rechnet vor, dass der Anteil des Stickstoffdioxids seit 2000 kontinuierlich zugenommen hat, als direkte Folge des zunehmenden Straßenverkehrs. Die Sünder sind auch in diesem Fall die Dieselfahrzeuge, denn der Katalysator der Benzinmotoren verwandelt das Stickstoffdioxid in unbedenklichen Stickstoff. Stickstoffdioxid in der Atemluft erhöht dagegen die Sterberate um durchschnittlich vier Prozent. Das ergab die Analyse der Gesundheitsdaten von 60 Millionen Europäern. Nach einer Studie der Universität Athen steigt die Gefahr von tödlichen Herzkreislauferkrankungen und Lungenkrebs bereits bei einer Erhöhung von zehn Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Mit dem Wissen um diese Studie wirken die neuen Grenzwerte für das Gas noch recht lax: Seit letztem Jahr darf der Stickstoffdioxid-Gehalt der Luft nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Und selbst dieser relativ hohe Wert wird nach Angaben des Umweltbundesamtes an der Hälfte der großstädtischen Messorte in Deutschland überschritten. Abgase machen krank, und die Hauptstraße sorgt für Herzinfarkt. Das ist das Ergebnis einer weiteren repräsentativen Untersuchung: Die Nixdorf-Recall-Studie der Universitäten Duisburg/Essen und Düsseldorf hat klar ergeben: Wer nah an einer Autobahn oder Bundesstraße wohnt, lebt gefährlich. Peter Bruckmann:
"Es ist so, dass in Straßenschluchten erhöhte Herzkreislauferkrankungen vorkommen bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit."
Um 63 Prozent steigt das Risiko, dass die Herzkranzgefäße verkalken, so ein Ergebnis der Nixdorf-Recall-Studie. Dafür sind vor allem die Feinstaubemissionen verantwortlich. Diese Belastung wird aber in Zukunft sinken, wenn viele Städte einen Gang höher schalten:
"Die grüne Umweltzone wird noch mal einen zusätzlichen Effekt machen, wir rechnen damit, dass die Feinstaubbelastung dann noch mal um ein bis zwei Mikrogramm pro Kubikmeter absinkt."
Auch in Köln werden die Bedingungen für das Befahren der Umweltzone bald verschärft, Fahrzeuge mit roter Plakette sollen dann draußen bleiben. Dennoch hat die Stadt am Rhein mit ihren Maßnahmen die Kritik der Deutschen Umwelthilfe provoziert. Dorothee Saar:
"Wir haben eine Umfrage gemacht in den Städten, die Umweltzonen eingerichtet haben, und wir haben feststellen müssen, dass es eigentlich nur zwei Umweltzonen gibt, die zufriedenstellend kontrolliert werden: das sind Hannover und Berlin. Es gibt Kommunen, die nur den fließenden Verkehr überwachen, was schwierig ist, da wird man nur kontrolliert, wenn man gleichzeitig noch zu schnell gefahren ist und in eine Radarkontrolle geraten ist. Das Negativbeispiel ist die Stadt Köln: Erst nach dem vierten registrierten Verstoß kommt es zu der Ahndung und dem Bußgeld, vorab bleibt es bei mündlichen Verwarnungen, und beim dritten Verstoß sind nur 25 Euro fällig."
Das klingt erst mal nach rheinischer Gemütlichkeit oder auf gut Deutsch: nach völliger Gleichgültigkeit. Und legt den Verdacht nahe, dass die Stadt Köln - nur um den europäischen Standards zu genügen - eine Umweltzone eingerichtet hat, dann aber den Verwaltungsaufwand scheut, und am Ende alle Verkehrssünder gewähren lässt, sodass ein jeder mit oder ohne Plakette innerhalb der Kölner Umweltzone fahren kann. Im Umweltamt der Stadt nachgefragt klingt das aber ganz anders. Rainer Liebmann:
"Das Verfahren sieht so aus, dass wir erst mal überprüfen, ob das Fahrzeug, was ohne Plakette angetroffen wird, überhaupt plakettenfähig wäre. Ist dies der Fall - und das ist fast immer so - bieten wir dem Halter den Nachkauf einer Plakette an und verzichten dann auf ein Bußgeldbescheid."
Rainer Liebmann hat auch gleich ein paar überzeugende Zahlen an der Hand: Im Jahr 2008 wurden rund 4200 Fahrzeuge ohne Plakette erfasst. Doch nur zwei PKW erhielten einen Bußgeldbescheid. Die andern 4198 Fahrer fuhren Autos, die den EU-Standards durchaus genügen, sie hatten bisher nur noch keine Plakette gekauft. Diese Fahrzeughalter nicht zu bestrafen, sondern nur zu ermahnen, ist eine Form der rheinischen Gelassenheit, die nicht mal der Umwelt schadet. Dennoch sind einige kritische Anwohner der Innenstadt erstaunt, wenn sie hören, dass sich die Feinstaubwerte in Köln verbessert haben.
"Also meine Kacheln hier im Bad sind immer schwarz, dieser Dreck ist unglaublich, immer diese schwarze Schmiere, wenn man nur mal über die Wand wischt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich den Dreck hier auch einatme ... dass kann doch nicht gesund sein!"
Um die Körnung des Staubs auf den Kacheln zu analysieren, bräuchte der Kölner Josef Wegmann wohl die Expertise eines Labors - aber egal ob Feinstaub oder grober Staub, die Stadt müsste noch viel konsequenter gegen Dreckschleudern vorgehen, beschwert er sich. Wie gegen all' die Baustellen, auf denen Steine und Metall geschnitten werden, ohne dass die Geräte die erforderlichen Standards erfüllen, wie zum Beispiel den Steinstaub mit Wasser zu binden. Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe:
"Die Maschinen laufen den ganzen Tag, sind schon älter, und hier entstehen sehr hohe Konzentrationen an Feinstaub- und Rußemissionen, die zum Teil bis zu 30 Prozent der Gesamtbelastung ausmachen."
Was in der EU und somit auch in Köln schon lange Vorschrift ist, wird in der Praxis kaum beachtet. Auch auf wiederholte Nachfrage des Deutschlandfunks bequemte sich niemand aus der Kölner Stadtverwaltung einzugreifen, nachdem an mehreren Tagen ganze Straßenzüge im Steinstaub verschwanden. Ist das nun grober oder feiner Staub? Josef Wegmann macht da keinen Unterschied:
"Da kann man doch nicht atmen bei, das ist doch Gift für die Lunge!"
"Diese Umweltzone ist wirklich nicht schön für mich, denn ich darf hier jetzt nicht mehr reinfahren, ich hab leider für meinen Bus keine Plakette mehr, die kriege ich auch nicht, weil das Auto zu alt ist. Also muss ich jetzt außerhalb der Stadt parken, was ich jetzt auch notgedrungen tue."
Der alte Mercedesbus, Typ 210 Diesel, ein Vorgängermodell des Mercedes Sprinter, kann nicht mehr nachgerüstet werden, denn für dieses Modell gibt es keinen Rußpartikelfilter. Das bedeutet für Benjamin und seinen Bus, dass er in 45 Innenstädten von Deutschland nicht mehr fahren und parken darf. Das stimmt den 35-Jährigen wehmütig:
"Ich hänge an dem Auto, weil es ein schönes Auto ist, weil ich es selber ausgebaut habe, weil ich damit in den Urlaub fahre. Ich hänge halt an ihm und möchte es deshalb nicht verschrotten."
Doch in Benjamins Wehmut mischt sich auch Wut:
"In Wirklichkeit bringen diese Umweltzonen gar nichts der Umwelt oder der Stadt!"
Das sieht Professor Peter Bruckmann vom Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW anders. Sein Team hat in aufwendigen Untersuchungen die Feinstaubwerte vor der Einrichtung einer Umweltzone mit den Werten zwei Jahre nach Inkrafttreten der Maßnahme verglichen. Das Landesamt hat besonders viele Messungen im Ruhrgebiet, aber auch in Köln durchgeführt:
"Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Feinstaubbelastung in etwa zwischen zwei und 2,5 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel zurückgegangen ist. Das hört sich jetzt erst mal wenig an, das sind aber ungefähr 16 vermiedene Überschreitungstage. Also Tage oberhalb des Grenzwertes, und das ist durchaus ein deutlicher Effekt."
Diese Grenzwerte hat die EU im Mai 2008 in der "Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa" festgelegt. In der sogenannten Feinstaubrichtlinie heißt es:
"Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt insgesamt ist es von besonderer Bedeutung, den Ausstoß von Schadstoffen an der Quelle zu bekämpfen und die effizientesten Maßnahmen zur Emissionsminderung zu ermitteln und auf lokaler, nationaler und gemeinschaftlicher Ebene anzuwenden. Deshalb sind Emissionen von Luftschadstoffen zu vermeiden, zu verhindern oder zu verringern und angemessene Luftqualitätsziele festzulegen."
Konkret schreibt die EU eine Tageshöchstgrenze von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft vor. Nur an 35 Tagen im Jahr darf dieser Grenzwert überschritten werden. Im Jahresmittel soll die Konzentration höchstens 40 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter betragen. Um diese Werte zu erreichen, müssen sich vor allem die europäischen Großstädte Konzepte überlegen, die eine spürbare und messbare Reduzierung der Feinstaubemissionen versprechen. In Deutschland haben sich bisher 45 Städte, darunter Pforzheim und Leonberg, Bochum und Bonn, für die Einrichtung von Umweltzonen entschieden, in diesen Bereichen dürfen stark rußende PKW und LKW nicht mehr fahren. Dadurch wurden bisher rund sieben Millionen PKW, die meisten von ihnen alte Dieselmodelle wie der Bus von Benjamin Hölscher, aus den Umweltzonen verbannt. Alle in Deutschland zugelassenen Fahrzeuge sind festen Schadstoffgruppen zugeteilt, je nachdem wie hoch ihre Abgaswerte sind. Die Zuordnung erfolgt über die Emissionsschlüsselnummern in den Fahrzeugpapieren:
"Schadstoffgruppe 1: Dazu gehören alte Dieselfahrzeuge und Benziner ohne geregelten Katalysator. Sie erhalten keine Plakette.
Schadstoffgruppe 2: erhält die Rote Plakette,
Schadstoffgruppe 3: die Gelbe Plakette,
Schadstoffgruppe 4: erhält mit der Grünen Plakette die bestmögliche Kennzeichnung an der Windschutzscheibe."
Köln, Berlin und Hannover waren 2008 die ersten Städte, die eine Umweltzone eingerichtet haben, am 1. September dieses Jahres folgen Magdeburg und Halle. Eine gute Entscheidung, findet Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe:
"Zu Beginn des Jahres hat die Berliner Senatsverwaltung neue Zahlen vorgelegt zu dem Erfolg der Umweltzone, und da hat sich herausgestellt, dass die Einschränkung der Zufahrt für Fahrzeuge mit ausschließlich grüner Plakette dazu geführt hat, dass der Rußanteil in der Luft um 60 Prozent gesunken ist, was einem Rückgang der Feinstaubbelastung von zwölf Prozent entspricht. Das bedeutet gleichzeitig, dass man an vielen kritischen Punkten unterhalb der Grenzwertschwelle bleibt, und damit ist für uns klar, ein Erfolg der Umweltzone dokumentiert, wenn die Bedingungen stimmen."
Über die Bedingungen, also den Zuschnitt der jeweiligen Umweltzone, die Kontrollen der PKW und die Frage, ob Fahrzeuge nur mit grüner oder auch noch mit roter Plakette einfahren dürfen, wurde viel diskutiert. Auch die Wirksamkeit der Umweltzonen wurde vor allem von Automobilclubs bestritten. Unstrittig, laut EU-Kommission oder Umweltbundesamt, sind aber die Verursacher der feinen Staubpartikel, dieser kleinsten Teilchen in der Atemluft, die der Gesundheit übel zusetzen: Nach Angaben der EU-Kommission entstehen gefährliche Feinstäube "insbesondere durch Schadstoffemissionen aus Industrie, Verkehr und Privathaushalten”. Bis zu 40 Prozent der städtischen Emissionen kommen dabei allein aus dem Auspuff der PKW und Lastkraftwagen. Auch Peter Bruckmann vom Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz, kurz lanuv, konnte bei den Messungen der letzten Jahre klar erkennen:
"... dass eben bei der lokalen Zusatzbelastung in den Straßenschluchten doch 20 bis 40 Prozent der Belastung vom Verkehr kommen, dass wir daneben noch ne Hintergrundbelastung haben, an die wir schlecht herankommen, ist unstrittig, aber was wir sofort beeinflussen können, sind diese 20 bis 40 Prozent in den Straßenschluchten."
Und so setzen immer mehr deutsche Städte auf Umweltzonen, in denen der Verkehr sukzessiv auf emissionsarme PKW umgestellt wird. Die Umweltzonen sind in Deutschland allerdings sehr ungleichmäßig verteilt, auch ist Umweltzone nicht gleich Umweltzone, es gelten je nach Stadt verschiedene Beschränkungen: In Köln dürfen noch alle Autos mit grüner, gelber, aber auch mit roter Plakette einfahren. In Leipzig, Berlin und Hannover dürfen nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Umweltzonen.
In Leipzig darf der Fahrer nur mit grüner Plakette in die Innenstadt, in Lübeck gibt es gar keine Beschränkungen. Für den Laien sieht das nach Stückwerk aus, für manch einen auch chaotisch. Peter Bruckmann:
"So ein großes Chaos ist es noch nicht einmal, weil es gibt eine Bundesverordnung, die zumindest die Kennzeichnungspflicht festlegt, also welche Plaketten sie bekommen. Von der Zuständigkeit ist es aber so, dass erst mal die Luftreinhaltepläne Sache der Länder sind, die haben das dann meistens delegiert, häufig an die Regierungsbezirke, zum Teil auch an die Kommunen, die haben letztlich dann entschieden, welche Maßnahmen der Luftreinhalteplanung sie dann heranziehen."
Wer sich für Umweltzonen entschieden hat, um die Feinstaubemissionen auf vorgeschriebene EU-Norm zu drosseln, geht aber zumindest bei den Messmethoden identisch vor: Die Feinstaubkonzentration wird an verschiedenen Orten der Stadt erfasst, an den sogenannten Hotspots, das sind stark befahrene Straßen in der Innenstadt sowie an Messstationen in Wohnanlagen und außerhalb der Umweltzone, damit ausreichend Vergleichswerte zur Verfügung stehen:
"Insofern muss man das nämlich sehr aufwendig untersuchen, indem ich nämlich gucke: wie hat sich die Umweltbelastung in der Umweltzone an stark befahrenen Straßen geändert, und wie hat sie sich außerhalb der Umweltzonen geändert. Und nur wenn die Änderung in der Umweltzone größer ist als die Verbesserung außerhalb, kann ich das halbwegs vernünftig der Umweltzone zuschreiben. Sonst sind das externe andere Faktoren. Und diese Untersuchung haben wir im Ruhrgebiet sehr aufwendig durchgeführt."
Kritiker geben immer wieder zu bedenken, dass Feinstaub wohl kaum vor den Stadtteilgrenzen haltmacht, die zur Umweltzone gehören. Und tatsächlich spielen externe Faktoren wie Wetterlage und Windströmung eine Rolle bei der Verteilung der Emissionen. Aber, so Peter Bruckmann:
"Auf der anderen Seite: Wenn es keine Emissionen gäbe, dann könnte das Wetter sein, wie es wollte! Es spielt immer beides zusammen, unser Ziel muss sein, dass wir die Grenzwerte einhalten, selbst bei ungünstigen Bedingungen. Aber ganz so weit sind wir leider noch nicht."
Auch wenn der Emissionsrückgang in einigen Städten noch hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil die Umweltzonen noch nicht groß genug sind, weil es noch zu viele Ausnahmegenehmigungen gibt oder der Abgasausstoß von Industrie und Kleingewerbe viel höher ist, als der der Autos, so hat sich der Aufwand nach Einschätzung des lanuv dennoch gelohnt:
" ... auch deshalb - und das ist der Haupteffekt - weil sich die Kraftfahrzeugflotte dadurch schneller modernisiert hat. Das ist der Haupteffekt: der Anreiz, emissionsärmere Fahrzeuge zu kaufen. Und man sieht, dass die alten Fahrzeuge in der Umweltzone schneller zurückgegangen sind, als im Landesdurchschnitt."
Neben den Abgasen aus den Benzin- und vor allem Dieselmotoren gibt es in den Städten noch viele andere Feinstaubschleudern, wie Stahlwerke, Müllverbrennungsanlagen oder Kohleöfen. Das Umweltbundesamt hat errechnet, dass allein Kamine und Öfen in Deutschland jährlich soviel Feinstaub ausstoßen wie alle PKW, LKW und Motorräder zusammen! Wer also die Luftqualität verbessern will, muss alle Emissionsquellen im Blick haben und an vielen Stellen gleichzeitig ansetzen. Peter Bruckmann:
"Auch Maßnahmen in der Industrie spielen da eine Rolle, ganz ausgeprägt natürlich in Duisburg, wo wir große Stahlwerke haben, aber auch in Krefeld sind eine ganze Reihe Maßnahmen im industriellen Bereich drin ... in den Luftreinhalteplänen drin, dann aber auch viele kleine Einzelmaßnahmen, Begrünungsmaßnahmen, Förderung des Fahrradverkehrs, Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Umstellung der städtischen Flotten beispielsweise für die Müllabfuhr auf emissionsärmere Fahrzeuge, Umstellung der Busse auf neueste Abgastechnologie, das sind Bündel von Maßnahmen ungefähr 50 bis 60, die in den Luftreinhalteplänen stehen."
Alle EU-Mitgliedsstaaten sind verpflichtet, Luftreinhaltepläne zu erstellen, wenn sie die vorgeschriebenen Grenzwerte überschreiten. Und so musste jede Stadt bzw. jeder Regierungsbezirk von Fall zu Fall prüfen, welche Maßnahmen in ihrem Fall wirksam und vor allem bezahlbar sind. Die Umstellung der städtischen Flotte, also der Busse und Müllfahrzeuge, von Benzin auf Erdgas- oder Hybridfahrzeuge, ist nämlich auch eine Kostenfrage. Wie Rainer Liebmann, Abteilungsleiter für Umweltplanung und Vorsorge der Stadt Köln erklärt, ist sogar die Software für die Ampelschaltung der Stadt so teuer, dass seit Jahren darüber beraten wird. Die Steuerung der Ampel ist aber ein wichtiger Faktor bei der Reduzierung von Abgasen, denn je flüssiger der Verkehr läuft, desto weniger Dreck wird beim Anfahren und Abbremsen ausgestoßen. Dieselruß und Stickoxide kommen aber nicht nur aus dem Auspuff der Autos! Ein Verladebahnhof in der Stadt, in dem Tag und Nacht rauchende Dieselloks rangieren, kann die Luftqualität ebenfalls erheblich verschlechtern, Ähnliches gilt für den Schiffsverkehr. Da setzt dann auch die Stadt Köln an: Rainer Liebmann vom Umweltamt:
"... ich denke da an die Initiative für die Anleger des Schiffsverkehrs in der Innenstadt, wo wir versuchen, durch Stromanschlüsse generell zu vermeiden, dass die Schiffe, die dort anlegen, mit Dieselaggregaten dort weiterlaufen ..."
Eine Initiative von vielen, die Wirkung zeigt, wie die Messungen des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz NRW beweisen:
"Wir haben für Köln das Jahr 2007 verglichen: vor Einführung der Umweltzone mit 2009, mit voller Wirksamkeit der Umweltzone. Und es ist so, dass die Feinstaubbelastung an zwei Stationen in der Umweltzone im Vergleich zu dem städtischen Hintergrund außerhalb der Umweltzone deutlich zurückgegangen ist. Und zwar ist die Feinstaubbelastung um fünf Mikrogramm bis acht Mikrogramm pro Kubikmeter zurückgegangen, das entspricht sogar 17 bis 30 Überschreitungstagen, die wir jetzt weniger haben durch die Umweltzone! Bei Stickstoffdioxid ist die Belastung viel weniger zurückgegangen."
Und das ist nicht nur in Köln ein Problem. Die gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid-Konzentration ist in vielen Städten bei Weitem nicht so weit zurückgegangen, wie erhofft. Schlimmer noch, das Umweltbundesamt rechnet vor, dass der Anteil des Stickstoffdioxids seit 2000 kontinuierlich zugenommen hat, als direkte Folge des zunehmenden Straßenverkehrs. Die Sünder sind auch in diesem Fall die Dieselfahrzeuge, denn der Katalysator der Benzinmotoren verwandelt das Stickstoffdioxid in unbedenklichen Stickstoff. Stickstoffdioxid in der Atemluft erhöht dagegen die Sterberate um durchschnittlich vier Prozent. Das ergab die Analyse der Gesundheitsdaten von 60 Millionen Europäern. Nach einer Studie der Universität Athen steigt die Gefahr von tödlichen Herzkreislauferkrankungen und Lungenkrebs bereits bei einer Erhöhung von zehn Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Mit dem Wissen um diese Studie wirken die neuen Grenzwerte für das Gas noch recht lax: Seit letztem Jahr darf der Stickstoffdioxid-Gehalt der Luft nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter liegen. Und selbst dieser relativ hohe Wert wird nach Angaben des Umweltbundesamtes an der Hälfte der großstädtischen Messorte in Deutschland überschritten. Abgase machen krank, und die Hauptstraße sorgt für Herzinfarkt. Das ist das Ergebnis einer weiteren repräsentativen Untersuchung: Die Nixdorf-Recall-Studie der Universitäten Duisburg/Essen und Düsseldorf hat klar ergeben: Wer nah an einer Autobahn oder Bundesstraße wohnt, lebt gefährlich. Peter Bruckmann:
"Es ist so, dass in Straßenschluchten erhöhte Herzkreislauferkrankungen vorkommen bis hin zu einer erhöhten Sterblichkeit."
Um 63 Prozent steigt das Risiko, dass die Herzkranzgefäße verkalken, so ein Ergebnis der Nixdorf-Recall-Studie. Dafür sind vor allem die Feinstaubemissionen verantwortlich. Diese Belastung wird aber in Zukunft sinken, wenn viele Städte einen Gang höher schalten:
"Die grüne Umweltzone wird noch mal einen zusätzlichen Effekt machen, wir rechnen damit, dass die Feinstaubbelastung dann noch mal um ein bis zwei Mikrogramm pro Kubikmeter absinkt."
Auch in Köln werden die Bedingungen für das Befahren der Umweltzone bald verschärft, Fahrzeuge mit roter Plakette sollen dann draußen bleiben. Dennoch hat die Stadt am Rhein mit ihren Maßnahmen die Kritik der Deutschen Umwelthilfe provoziert. Dorothee Saar:
"Wir haben eine Umfrage gemacht in den Städten, die Umweltzonen eingerichtet haben, und wir haben feststellen müssen, dass es eigentlich nur zwei Umweltzonen gibt, die zufriedenstellend kontrolliert werden: das sind Hannover und Berlin. Es gibt Kommunen, die nur den fließenden Verkehr überwachen, was schwierig ist, da wird man nur kontrolliert, wenn man gleichzeitig noch zu schnell gefahren ist und in eine Radarkontrolle geraten ist. Das Negativbeispiel ist die Stadt Köln: Erst nach dem vierten registrierten Verstoß kommt es zu der Ahndung und dem Bußgeld, vorab bleibt es bei mündlichen Verwarnungen, und beim dritten Verstoß sind nur 25 Euro fällig."
Das klingt erst mal nach rheinischer Gemütlichkeit oder auf gut Deutsch: nach völliger Gleichgültigkeit. Und legt den Verdacht nahe, dass die Stadt Köln - nur um den europäischen Standards zu genügen - eine Umweltzone eingerichtet hat, dann aber den Verwaltungsaufwand scheut, und am Ende alle Verkehrssünder gewähren lässt, sodass ein jeder mit oder ohne Plakette innerhalb der Kölner Umweltzone fahren kann. Im Umweltamt der Stadt nachgefragt klingt das aber ganz anders. Rainer Liebmann:
"Das Verfahren sieht so aus, dass wir erst mal überprüfen, ob das Fahrzeug, was ohne Plakette angetroffen wird, überhaupt plakettenfähig wäre. Ist dies der Fall - und das ist fast immer so - bieten wir dem Halter den Nachkauf einer Plakette an und verzichten dann auf ein Bußgeldbescheid."
Rainer Liebmann hat auch gleich ein paar überzeugende Zahlen an der Hand: Im Jahr 2008 wurden rund 4200 Fahrzeuge ohne Plakette erfasst. Doch nur zwei PKW erhielten einen Bußgeldbescheid. Die andern 4198 Fahrer fuhren Autos, die den EU-Standards durchaus genügen, sie hatten bisher nur noch keine Plakette gekauft. Diese Fahrzeughalter nicht zu bestrafen, sondern nur zu ermahnen, ist eine Form der rheinischen Gelassenheit, die nicht mal der Umwelt schadet. Dennoch sind einige kritische Anwohner der Innenstadt erstaunt, wenn sie hören, dass sich die Feinstaubwerte in Köln verbessert haben.
"Also meine Kacheln hier im Bad sind immer schwarz, dieser Dreck ist unglaublich, immer diese schwarze Schmiere, wenn man nur mal über die Wand wischt. Wenn ich mir vorstelle, dass ich den Dreck hier auch einatme ... dass kann doch nicht gesund sein!"
Um die Körnung des Staubs auf den Kacheln zu analysieren, bräuchte der Kölner Josef Wegmann wohl die Expertise eines Labors - aber egal ob Feinstaub oder grober Staub, die Stadt müsste noch viel konsequenter gegen Dreckschleudern vorgehen, beschwert er sich. Wie gegen all' die Baustellen, auf denen Steine und Metall geschnitten werden, ohne dass die Geräte die erforderlichen Standards erfüllen, wie zum Beispiel den Steinstaub mit Wasser zu binden. Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe:
"Die Maschinen laufen den ganzen Tag, sind schon älter, und hier entstehen sehr hohe Konzentrationen an Feinstaub- und Rußemissionen, die zum Teil bis zu 30 Prozent der Gesamtbelastung ausmachen."
Was in der EU und somit auch in Köln schon lange Vorschrift ist, wird in der Praxis kaum beachtet. Auch auf wiederholte Nachfrage des Deutschlandfunks bequemte sich niemand aus der Kölner Stadtverwaltung einzugreifen, nachdem an mehreren Tagen ganze Straßenzüge im Steinstaub verschwanden. Ist das nun grober oder feiner Staub? Josef Wegmann macht da keinen Unterschied:
"Da kann man doch nicht atmen bei, das ist doch Gift für die Lunge!"