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Im Streit mit Verlagen
SWR geht gegen Verbot von App "Newszone" vor

"Newszone" soll relevante Nachrichten für ein junges Publikum liefern. Doch nach einer Verleger-Klage musste der SWR seine App wieder vom Markt nehmen - vorerst. Er glaube an eine "friedliche Koexistenz" mit Verlagsangeboten, sagte SWR-Intendant Kai Gniffke im Dlf. Das Urteil will sein Sender aber nicht akzeptieren.

Text: Michael Borgers | Kai Gniffke im Gespräch mit Annika Schneider |
Die App "Newszone" des Südwestrundfunks (SWR) ist auf einem Smartphone zu sehen. Der juristische Streit um eine App des Südwestrundfunks (SWR) zieht sich länger hin. Ein Sprecher des Landgerichts Stuttgart sagte am 13.10.2022, dass ein für Montag (17. Oktober) geplanter Entscheidungstermin abgesagt worden sei. (zu dpa "Schauplatz Internet: Erster Schlichtungsfall bei ARD und Verlagen")
Der juristische Streit um die SWR-App "Newszone" dauert bereits mehr als ein halbes Jahr an (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
Mit "Newszone" sei es nicht darum gegangen, Grenzen auszutesten, betonte im Deutschlandfunk Gniffke, der im nächsten Jahr als SWR-Intendant den ARD-Vorsitz übernehmen wird. Ziel sei es gewesen, auch junge Menschen unter 20 Jahren mit relevanten Inhalten zu versorgen. Das gehöre zum Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auf der SWR-Seite dasding.de setze man dieses Angebot inhaltlich nun auch fort. Nur werde es die App „auf absehbare Zeit nicht geben".
Man werde sich an den Spruch des Gerichts halten, kündigte Gniffke an, der die Entscheidung zugleich bedauerte. Man habe mit der App versucht, den „Nutzungsgewohnheiten dieser Generation“ zu entsprechen. „Das hätten wir auch gerne weiterhin getan.“
Der SWR hat inzwischen angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Man wolle so erreichen, dass die App angeboten werden darf, heißt es in einer Pressemitteilung.
Der künftige SWR-Intendant Kai Gniffke
Kai Gniffke: Als SWR-Intendant übernimmt er bald auch den ARD-Vorsitz (picture alliance / dpa / Christoph Schmidt)
„Dass wir online nicht alles machen dürfen, war mir klar“, unterstrich Gniffke im Dlf. Er habe großes Verständnis für die Sorgen der Verlage. „Aber ich bin sogar sicher, dass es eine mindestens friedliche Koexistenz von öffentlich-rechtlichen und Verlagsangeboten geben kann.“

Rund 21.000 Downloads

Das Landgericht Stuttgart hatte zuletzt der Unterlassungsklage von 16 Presseverlagen gegen "Newszone" teilweise stattgegeben. Mit der App will der SWR vor allem junge Menschen erreichen. Der Sender war mit dem Angebot im April an den Start gegangen.
Laut Angaben des SWR wurde die App seitdem gut 21.000 Mal heruntergeladen. Die bereits veröffentlichten Inhalte seien aus der App entfernt worden aber etwa unter dasding.de weiter auffindbar.
Der Streit um "Newszone" begann schon früh, wie auch das Medienfachportal Übermedien berichtete: 16 Zeitungsverlage, darunter der Badische Verlag und die Stuttgarter Zeitung Verlagsgesellschaft, erklärten die App für rechtswidrig und mahnten den SWR ab. Anfang August kam es zu einer ersten mündlichen Verhandlung vor Gericht.

Frage der Presseähnlichkeit

Im Kern der Auseinandersetzung steht die Frage, wie presseähnlich "Newszone" ist. Im Medienstaatsvertrag ist geregelt, dass Online-Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks genau das nicht sein dürfen, sondern der Schwerpunkt auf Bild und Ton (und nicht Text) liegen muss. Im Fall von Newszone sehen die Verleger diese Vorgabe nicht erfüllt.
Das Gericht folgte dieser Kritik an der Version der App vom 14. April, die konkret verhandelt wurde. Diese sei presseähnlich und damit wettbewerbswidrig. Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger begrüßte die Entscheidung. Das Urteil habe für Rechtsklarheit gesorgt, so der BDZV.

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Das Gericht stellte außerdem fest, dass "Newszone", anders als vom SWR argumentiert, als unabhängig vom Internetangebot dasding.de zu begreifen sei und somit ein eigenständiges Genehmigungsverfahren ("Drei-Stufen-Test") hätte durchlaufen müssen. Die App verändere die "Angebotsmischung" im Vergleich zu dasding.de substanziell.
Der sogenannte "Drei-Stufen-Test" sieht folgende Überprüfungen vor: In Stufe 1 wird geprüft, inwieweit das Angebot den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht – was ohnehin Auftrag der Sender ist. In Stufe 2, in welchem Umfang zum publizistischen Wettbewerb beigetragen wird – also ob das Angebot in Konkurrenz zu anderen, vor allem privaten Medien steht. Und in Stufe 3, wieviel Geld für das Angebot gebraucht wird.
Die Richter folgten allerdings den Verlagen nicht allen Punkten ihrer Abmahnung, bei der es auch um das Thema Werbung gegangen war.

Zuletzt erstes Schlichtungstreffen

Der Streit um Presseähnlichkeit ist nicht neu. 2011 hatten deshalb acht Verlage gegen die damalige Form der Tagesschau-App geklagt.
Zuletzt warfen die Tageszeitungen „Magdeburger Volksstimme“ und „Weser-Kurier“ dem MDR und Radio Bremen vor, presseähnliche Inhalte zu produzieren. Beide Fälle sorgten dafür, dass es inzwischen zu einem ersten Schlichtungsverfahren in Deutschland gekommen ist.

Der lange Streit um die Presseähnlichkeit:

2019 hatten BDZV und ARD hierfür eine gemeinsame Schlichtungsstelle eingerichtet, diese aber bis vor kurzem nicht ein einziges Mal bemüht. Über die Ergebnisse der Premiere Mitte Oktober war bislang wenig öffentlich geworden.
Gniffke erklärte nun im Deutschlandfunk, man habe darüber gesprochen, wie künftig Missverständnisse vermieden werden könnten. Man werde diesen Dialog noch in diesem Jahr fortsetzen.
Wichtig sei, dass sich „alle an die Spielregeln halten“, so Gniffke. „Aber auch die Verlage müssen akzeptieren, dass wir einen gesetzlichen Auftrag haben.“ Es dürfe nicht sein, dass öffentlich-rechtliche Sender nicht mehr junge Menschen für relevante Inhalte gewinnen könnten.