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Der Supervulkan von Yellowstone
Old Faithful entspringt in 3000 Kilometern Tiefe

Die Frage, wo die Energie des Geysirs Old Faithful im Yellowstone Nationalpark herkommt, beschäftigt Wissenschaftler schon seit Langem. Geholfen haben bei der Lösung dieses Rätsels eine Serie von Erdbeben.

Von Dagmar Röhrlich |
    Der Geysir Old Faithful im Upper Geyser Basin im Yellowstone Nationalpark in Wyoming
    Der Geysir Old Faithful im Upper Geyser Basin im Yellowstone Nationalpark in Wyoming (imago / Jacob W. Frank)
    Old Faithful erhielt seinen Namen 1870 - weil er zuverlässig alle 60 bis 90 Minuten ausbricht. Das macht er anscheinend seit 300 Jahren so, nachdem er zuvor eine heiße Quelle gewesen war. Die Frage ist, welche Energie ihn und die vielen anderen Geysire und Schlammtöpfe antreibt, durch die sich der Supervulkan von Yellowstone so eindrücklich an der Oberfläche bemerkbar macht:
    "Es wird schon seit Langem darüber diskutiert, woher die Energie stammt: von der Kern-Mantel-Grenze in 3000 Kilometern Tiefe oder ob sie näher an der Oberfläche entsteht, in 200 oder vielleicht auch 600 Kilometern Tiefe."
    Seit Jahren versuchten Geowissenschaftler, die Frage mithilfe der seismischen Tomographie zu lösen. Die ist so etwas wie eine Computer-Tomographie der Erde, nur, dass keine Röntgenstrahlen eingesetzt werden, sondern die Wellen starker Erdbeben, erklärt Peter Nelson von der University of Texas at Austin.
    "Seismische Wellen, die durch die Erde laufen, werden langsamer, wenn sie auf heißes Gestein treffen und schneller bei kaltem. Aus diesen Unterschieden in der Laufzeit lässt sich dann die Struktur der Erde berechnen. Wenn Sie den Motor der geologischen Aktivität in Yellowstone suchen, dann suchen Sie etwas Heißes. Eine zylinderförmige Anomalie im Erdmantel, einen "Mantel-Plume". Stellen Sie sich einen Kessel voll Wasser vor, auf dessen Grund Sie Tinte gegeben haben. Sie heizen den Kessel auf und irgendwann steigt die Tinte dann auf - in Kanälen, den Plumes."
    Über 3000 Kilometer hinweg zur Oberfläche
    Allerdings ist es schwierig, solche schmalen Hitzeströme unterhalb von 600 Kilometern Tiefe aufzuspüren. Normalerweise ist die Auflösung der Daten dafür nicht gut genug. Und deshalb war es auch bislang nicht gelungen, den Antrieb Yellowstones auszumachen.
    "Wir konnten nun für unsere Untersuchung die Daten des US-Array einsetzen. Das ist ein dichtes Netzwerk aus seismischen Stationen, die während der vergangenen zehn Jahre in den gesamten USA gemessen haben."
    Die große Menge der Daten und ihre besondere Qualität brachten die Geophysiker weiter. Sie beweisen, dass der tiefste Teil der Erde direkt die Oberfläche beeinflusst. Sprich: Die Energie, die Old Faithful antreibt, stammt aus dem Erdkern. Und sie wird in einem Plume über 3000 Kilometer hinweg an die Oberfläche transportiert:
    "Der Plume 'entspringt' an der Kern-Mantel-Grenze, und zwar - bezogen auf die Erdoberfläche - in Mexiko nahe der Grenze zu Kalifornien. Er steigt dann quer durch den Mantel auf und wird in einer Tiefe von rund 1000 Kilometern Tiefe durch Veränderungen in der Viskosität des Erdmantels in Richtung Yellowstone abgelenkt.
    Der Plume hat einen Durchmesser von ungefähr 350 Kilometern und ist an der Kern-Mantel-Grenze zwischen 650 und 850 Grad Celsius heißer als der Erdmantel um ihn herum. Wenn das heiße Gestein aufsteigt, beginnt es Hitze zu verlieren."
    In 600 Kilometern Tiefe ist es dann nur noch 300 bis 400 Grad heißer als seine Umgebung. Und wenn es in die Nähe der Oberfläche kommt, reicht die Hitze immer noch, um den Supervulkan zu speisen, der den Yellowstone Nationalpark zu einer der am meisten besuchten Touristenattraktionen der USA macht.