Heinz Buschkowsky: "Das Buch sagt: So entwickeln sich Stadtlagen mit starker Einwanderung, wenn man sie alleine lässt."
"Das Herausragende ist die mangelnde Akzeptanz der Staatsgewalt."
"Schulpflicht ist Schulpflicht. Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto."
Der Bezirksbürgermeister haut auf die Pauke. Heinz Buschkowsky ist kein Mann der leisen Töne. Er will die Verantwortlichen an den Schaltstellen der Politik wachrütteln, denn die haben seiner Meinung nach den Integrationsproblemen der Einwanderer zu lange tatenlos zugeschaut:
"Wir müssen weg von der beobachtenden Gesellschaft hin zur intervenierenden Gesellschaft. So, das kann nicht ein Bürgermeister von seinem Rathausturm verkünden, sondern da müssen wir schon anders rangehen. Und deswegen sind diese Formulierungen auch ein bisschen deftig. Wobei: Diese professionelle Tatenlosigkeit stört mich in der Tat."
Das Buch "Neukölln ist überall" sagt dieser Tatenlosigkeit den Kampf an. Der Autor beschreibt die Integrationsdefizite in seinem Bezirk, erzählt, mit welchen Mitteln er als Bürgermeister versucht hat, die Situation zu verbessern und regt sich darüber auf, wie wenig Möglichkeiten er als Verwaltungschef von Neukölln hat, grundsätzlich etwas zu ändern. Entweder fehlten die Gelder oder die gesetzlichen Grundlagen. Neben seinen eigenen Erfahrungen hat sich Heinz Buschkowsky von der Praxis in anderen europäischen Großstädten anregen lassen. Aus all diesen Erkenntnissen entwickelt er politische Forderungen.
Das Wichtigste ist für ihn, dass die Einwanderer in der Bundesrepublik die Gesetze dieses Landes ohne Wenn und Aber respektieren und die gängigen Umgangsformen im Miteinander akzeptieren. In seinem Berliner Stadtbezirk beobachtet er häufig das Gegenteil, und er nennt Beispiele:
""Man akzeptiert auch nicht, dass die Funkstreife anhält und sagt: "Wem gehört dieses Auto in der zweiten Spur' Fahren Sie bitte weiter." Da gibt es erst mal 'ne Diskussion: Dass der Halter dieses Autos nicht bekannt sei in diesem Café. Und warum denn das da überhaupt störe, es könnte doch jeder dran vorbeifahren! - Also mit Polizeibeamten Trapper und Indianer spielen, das kann es doch nicht sein."
Vielen Einwanderern fehle es nicht nur an Achtung vor der Staatsgewalt - sie verstünden sich auch generell nicht als Teil dieser Gesellschaft. Heinz Buschkowsky schreibt von Familien, sie sich ihr Leben in "ethnischen Kolonien" eingerichtet hätten.
"Sie bilden Netzwerke, die nur einem Zweck dienen: unter sich zu bleiben, die eigenen kulturellen und religiösen Normen zu bewahren, die Kinder vor sündigen Einflüssen zu beschützen und der deutschen Lebensart, den deutschen Lebensregeln und den deutschen Gesetzen auszuweichen."
Eine Haltung, die nach Ansicht des Autors nicht nur den demokratischen Rechtstaat gefährdet, sondern auch seine sozialen Systeme. Mitunter werde der Sozialstaat regelrecht vorgeführt. Besonders im Norden Neuköllns, wo etwa die Hälfte der Menschen Sozialhilfe oder Hartz-IV-Gelder bezieht.
"Eine Schulleiterin hat einmal zu mir gesagt: 'Wissen Sie, Herr Buschkowsky, ich habe aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen, wie bei 85 Prozent Eltern im Hart IV-Bezug meiner Schulkinder morgens hier ein Wagenpark vorfahren kann, der doch Sozialneid weckt. Wenn ich immer weiter darüber nachdenken würde, würde ich wahrscheinlich verrückt werden.'"
Sozialbetrug hat Heinz Buschkowsky zwar nicht nur bei Migrantenfamilien beobachtet. Aber er befürchtet, dass Kinder von Einwanderern es besonders schwer haben werden, sich aus derartigen Milieus zu befreien, um ihre Potenztiale zu entdecken, sich zu entwickeln und zu bilden.:
"Die Kinder hier bei uns werden nicht dümmer geboren als irgendwo anders in der Stadt. Aber das, was sie drauf haben, was die Natur ihnen mitgibt, das wird nicht gelockt, ans Tageslicht. Und das müssen wir dann tun. Wir müssen die Kinder aus ihrem Milieu holen."
Heinz Buschkowsky will diese Kinder nicht verloren geben. Das unterscheidet ihn von einem Autor wie Thilo Sarrazin. Der wollte mit Statistik beweisen, dass Migranten Bildungsdefizite haben, weil sie Muslime sind. Buschkowsky schert keineswegs alle Muslime über einen Kamm. Er kritisiert, dass Fundamentalisten in Neukölln anderen Menschen Vorschriften machen wollen. Zum Beispiel darüber, welche Kleidung, welche Ernährung und welche sozialen Kontakte islamgemäß sind. Vor allen Dingen aber will er die Zukunftschancen für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern verbessern. Darum plädiert er für eine Kindergartenpflicht analog zur Schulpflicht:
"Schulpflicht ist Schulpflicht. Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto. Das Kindergeld ist ein Vertrag. Die Gesellschaft sagt: "Du führst Kinder in diese Gesellschaft, Du erziehst sie. Das macht Dir Aufwand. Dafür gibt Dir die Gesellschaft Geld. Wir nennen es Kindergeld. Dafür musst Du aber auch Deine Kinder zur Bereicherung der Gesellschaft machen. Und das beginnt mit dem Schulbesuch."
Es ist bezeichnend, dass Heinz Buschkowsky für dieses fiktive Gespräch das "Du" wählt. Eine herablassende Tonart gegenüber den Einwanderern, die er für nicht integriert hält, findet sich an etlichen Stellen des Buches. Zum Beispiel wenn er Kopftuch und Burka wenig zimperlich in einem Atemzug nennt.
"Beide Bekleidungsstücke für Frauen halte ich für entbehrlich. Sie passen nicht nach Mitteleuropa und auch nicht in unsere Zeit. Sie sind Sendboten einer Geschlechterhierarchie und des Eigentumsrechtes des Mannes über die Frau. Aus diesen Gründen lehne ich beides ab."
In vielen Passagen des Buches hat man den Eindruck, als sei alles in Ordnung mit den deutschen Ordnungsmächten. Die Einwanderer müssten sich nur anpassen. Was angesichts des NSU-Skandals für Migranten schwer erträglich sein dürfte. Zugespitzte Kritik und Polemik haben aber auch die Schul- und Jugendbehörden des Landes auszuhalten, Klaus Wowereit und die politischen Parteien, die Justizbehörden und die Integrationsbeauftragten Berlins. Heinz Buschkowsky weiß wovon er redet, und er weiß alles besser. Vermutlich wäre es vernünftiger gewesen, wenn der Provokateur bei seinem Versuch, die Integrationspolitik zu verändern, geschickter um Bündnispartner geworben hätte. Aber dann wäre er nicht mehr Heinz Buschkowsky. Der haut eben lieber auf die Pauke.
Heinz Buschkowsky: Neukölln ist überall.
Ullstein Verlag, 397 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-550-08011-1
"Das Herausragende ist die mangelnde Akzeptanz der Staatsgewalt."
"Schulpflicht ist Schulpflicht. Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto."
Der Bezirksbürgermeister haut auf die Pauke. Heinz Buschkowsky ist kein Mann der leisen Töne. Er will die Verantwortlichen an den Schaltstellen der Politik wachrütteln, denn die haben seiner Meinung nach den Integrationsproblemen der Einwanderer zu lange tatenlos zugeschaut:
"Wir müssen weg von der beobachtenden Gesellschaft hin zur intervenierenden Gesellschaft. So, das kann nicht ein Bürgermeister von seinem Rathausturm verkünden, sondern da müssen wir schon anders rangehen. Und deswegen sind diese Formulierungen auch ein bisschen deftig. Wobei: Diese professionelle Tatenlosigkeit stört mich in der Tat."
Das Buch "Neukölln ist überall" sagt dieser Tatenlosigkeit den Kampf an. Der Autor beschreibt die Integrationsdefizite in seinem Bezirk, erzählt, mit welchen Mitteln er als Bürgermeister versucht hat, die Situation zu verbessern und regt sich darüber auf, wie wenig Möglichkeiten er als Verwaltungschef von Neukölln hat, grundsätzlich etwas zu ändern. Entweder fehlten die Gelder oder die gesetzlichen Grundlagen. Neben seinen eigenen Erfahrungen hat sich Heinz Buschkowsky von der Praxis in anderen europäischen Großstädten anregen lassen. Aus all diesen Erkenntnissen entwickelt er politische Forderungen.
Das Wichtigste ist für ihn, dass die Einwanderer in der Bundesrepublik die Gesetze dieses Landes ohne Wenn und Aber respektieren und die gängigen Umgangsformen im Miteinander akzeptieren. In seinem Berliner Stadtbezirk beobachtet er häufig das Gegenteil, und er nennt Beispiele:
""Man akzeptiert auch nicht, dass die Funkstreife anhält und sagt: "Wem gehört dieses Auto in der zweiten Spur' Fahren Sie bitte weiter." Da gibt es erst mal 'ne Diskussion: Dass der Halter dieses Autos nicht bekannt sei in diesem Café. Und warum denn das da überhaupt störe, es könnte doch jeder dran vorbeifahren! - Also mit Polizeibeamten Trapper und Indianer spielen, das kann es doch nicht sein."
Vielen Einwanderern fehle es nicht nur an Achtung vor der Staatsgewalt - sie verstünden sich auch generell nicht als Teil dieser Gesellschaft. Heinz Buschkowsky schreibt von Familien, sie sich ihr Leben in "ethnischen Kolonien" eingerichtet hätten.
"Sie bilden Netzwerke, die nur einem Zweck dienen: unter sich zu bleiben, die eigenen kulturellen und religiösen Normen zu bewahren, die Kinder vor sündigen Einflüssen zu beschützen und der deutschen Lebensart, den deutschen Lebensregeln und den deutschen Gesetzen auszuweichen."
Eine Haltung, die nach Ansicht des Autors nicht nur den demokratischen Rechtstaat gefährdet, sondern auch seine sozialen Systeme. Mitunter werde der Sozialstaat regelrecht vorgeführt. Besonders im Norden Neuköllns, wo etwa die Hälfte der Menschen Sozialhilfe oder Hartz-IV-Gelder bezieht.
"Eine Schulleiterin hat einmal zu mir gesagt: 'Wissen Sie, Herr Buschkowsky, ich habe aufgehört, mir darüber Gedanken zu machen, wie bei 85 Prozent Eltern im Hart IV-Bezug meiner Schulkinder morgens hier ein Wagenpark vorfahren kann, der doch Sozialneid weckt. Wenn ich immer weiter darüber nachdenken würde, würde ich wahrscheinlich verrückt werden.'"
Sozialbetrug hat Heinz Buschkowsky zwar nicht nur bei Migrantenfamilien beobachtet. Aber er befürchtet, dass Kinder von Einwanderern es besonders schwer haben werden, sich aus derartigen Milieus zu befreien, um ihre Potenztiale zu entdecken, sich zu entwickeln und zu bilden.:
"Die Kinder hier bei uns werden nicht dümmer geboren als irgendwo anders in der Stadt. Aber das, was sie drauf haben, was die Natur ihnen mitgibt, das wird nicht gelockt, ans Tageslicht. Und das müssen wir dann tun. Wir müssen die Kinder aus ihrem Milieu holen."
Heinz Buschkowsky will diese Kinder nicht verloren geben. Das unterscheidet ihn von einem Autor wie Thilo Sarrazin. Der wollte mit Statistik beweisen, dass Migranten Bildungsdefizite haben, weil sie Muslime sind. Buschkowsky schert keineswegs alle Muslime über einen Kamm. Er kritisiert, dass Fundamentalisten in Neukölln anderen Menschen Vorschriften machen wollen. Zum Beispiel darüber, welche Kleidung, welche Ernährung und welche sozialen Kontakte islamgemäß sind. Vor allen Dingen aber will er die Zukunftschancen für Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern verbessern. Darum plädiert er für eine Kindergartenpflicht analog zur Schulpflicht:
"Schulpflicht ist Schulpflicht. Kommt das Kind nicht in die Schule, kommt das Kindergeld nicht auf das Konto. Das Kindergeld ist ein Vertrag. Die Gesellschaft sagt: "Du führst Kinder in diese Gesellschaft, Du erziehst sie. Das macht Dir Aufwand. Dafür gibt Dir die Gesellschaft Geld. Wir nennen es Kindergeld. Dafür musst Du aber auch Deine Kinder zur Bereicherung der Gesellschaft machen. Und das beginnt mit dem Schulbesuch."
Es ist bezeichnend, dass Heinz Buschkowsky für dieses fiktive Gespräch das "Du" wählt. Eine herablassende Tonart gegenüber den Einwanderern, die er für nicht integriert hält, findet sich an etlichen Stellen des Buches. Zum Beispiel wenn er Kopftuch und Burka wenig zimperlich in einem Atemzug nennt.
"Beide Bekleidungsstücke für Frauen halte ich für entbehrlich. Sie passen nicht nach Mitteleuropa und auch nicht in unsere Zeit. Sie sind Sendboten einer Geschlechterhierarchie und des Eigentumsrechtes des Mannes über die Frau. Aus diesen Gründen lehne ich beides ab."
In vielen Passagen des Buches hat man den Eindruck, als sei alles in Ordnung mit den deutschen Ordnungsmächten. Die Einwanderer müssten sich nur anpassen. Was angesichts des NSU-Skandals für Migranten schwer erträglich sein dürfte. Zugespitzte Kritik und Polemik haben aber auch die Schul- und Jugendbehörden des Landes auszuhalten, Klaus Wowereit und die politischen Parteien, die Justizbehörden und die Integrationsbeauftragten Berlins. Heinz Buschkowsky weiß wovon er redet, und er weiß alles besser. Vermutlich wäre es vernünftiger gewesen, wenn der Provokateur bei seinem Versuch, die Integrationspolitik zu verändern, geschickter um Bündnispartner geworben hätte. Aber dann wäre er nicht mehr Heinz Buschkowsky. Der haut eben lieber auf die Pauke.
Heinz Buschkowsky: Neukölln ist überall.
Ullstein Verlag, 397 Seiten, 19,99 Euro
ISBN: 978-3-550-08011-1