Peter André Alt:
" Der Teufel steht für Angst, für Abweichung, für Rebellion, für Ordnungsstörung, für Grenzüberschreitung, er steht für das Perverse, das Bedrohliche, das Dunkle, es ist eine riesige Gegenwelt, die er auf sich zieht und repräsentiert, und diese Gegenwelt - man kann sie das Böse nennen - ist ein Gegenstand dieser Vorlesung."
Der Berliner Germanist Professor Peter-André Alt ist der Veranstalter der öffentlichen Vorlesung. Ein Wissenschaftler, der Teufelsbilder erforschen will, muss nicht lange nach dem Gegenstand seiner Erkenntnis suchen. Wo immer er sich umsieht - ob in der europäischen Kulturgeschichte oder irgendeiner anderen auf der Welt, ob in Vergangenheit oder Gegenwart, in mittelalterlicher Kunst oder neuzeitlicher Literatur - überall treibt der Teufel von je her sein wirkungsvolles Unwesen. Das kann in der Moderne auch schon mal auf einer gewöhnlichen Party sein.
Ausschnitt aus David Lynchs Film: "Lost Highway":
Wir sind uns schon mal begegnet, nicht wahr?
"Nicht, dass ich wüsste. Wo sollen wir uns denn begegnet sein?"
In Ihrem Haus. Erinnern Sie sich nicht mehr?
"Nein. Nein, wirklich nicht. Sind Sie sicher?"
Aber ja! Um genau zu sein: ich bin jetzt gerade dort.
Peter André Alt:
" Es ist bemerkenswert das auch das postmoderne Hollywoodkino eine ganz starke Beziehung zum Teufel hat, auch ein so bedeutsamer Regisseur wie David Lynch, dessen Filme mit Bildern des Teufels arbeiten, immer wieder auf Fegefeuervisionen zurückgreifen, immer wieder aber auch auf dämonische Figuren, die eindeutig in den Masken des Bösen als Teufelsfiguren erscheinen."
"Wie meinen Sie das, Sie sind jetzt gerade dort?"
Ich bin bei Ihnen zu Hause.
"Das ist der totale Schwachsinn, Mann."
Rufen Sie mich an.
Alt:
" Der Teufel ist natürlich zum einen das Prinzip des Anderen. Er umfasst das, was wir nicht begreifen und wovor wir Angst haben, vielleicht auch das, was wir heimlich ersehen."
Als teuflisch erscheinen im Lauf der Kulturgeschichte schon bloße Wünsche nach dem "anders sein", Obsessionen, aber auch der Wille zum Widerspruch, ja sogar das Streben nach Freiheit, so Professor Alt:
" Man kann die Figur des Teufels auch mit dieser Seite des Menschen in Verbindung bringen, mit der Gesetzlosigkeit, mit der Lust an der Anarchie, dann sieht man, dass es zu einfach ist zu sagen, der Teufel sei eine Manifestation des Bösen. Der Teufel ist sehr viel mehr. Um zu erkennen, was er umfasst, muss man auf die christliche Mythologie zurückgreifen, die sich in vielen Schattierungen auch wiederholt in anderen Weltreligionen, nämlich die Vorstellung, dass der Teufel ein abgefallener Engel ist, als Luzifer, zunächst einmal im Licht Gottes steht, dann aus dem Geist der Superbia, des Stolzes, des Ehrgeizes Gottes Allmacht in Frage stellt, mit seinem Heerscharen, seinen Engeln aus dem Himmel vertrieben wird und in die Hölle fährt."
Das ist die Urszene der Teufelsmythologie. Mit ihr kam ein Dualismus in Welt, der die meisten Kulturen im Innersten antreibt: der Kampf zwischen Gut und Böse. Der Berliner Religionsphilosoph Professor Wilhelm Schmidt-Biggemann unterstreicht, dass die Idee des Teufels mit dem Entwurf einer Heilsgeschichte unausweichlich wird:
" Der Gott des neuen Testaments ist im Unterschied zum Gott des alten Testaments ein guter Gott, ein Liebesgott. Und dann passiert folgendes: erstens, vor diesem Liebesgott braucht man keine Angst zu haben. Zweitens: das ermöglicht dem Menschen, seine eigene Freiheit zu entdecken! Diese eigene Freiheit besteht aber nun paradoxerweise darin, sowohl gehorchen zu können als auch nicht gehorchen zu können."
Aber ein widerwilliger Mensch allein ist noch nicht der Teufel, betont Wilhelm Schmidt-Biggemann. Entscheidend für dessen Existenz ist schließlich das objektive Übel in der Welt - Krankheiten, Umweltkatastrophen oder Kriege. Die Welt des guten Gottes erweist sich als nicht gut. Warum nicht? Schmidt-Biggemann:
" Also muss man eine Instanz annehmen, von der man sagt, sie ist widerwillig gegen dieses Göttliche. Eine Hinderungsinstanz, die mit Wille versehen wird, ist klassischerweise eine Personalität. Das heißt, diese Personalität sieht ein, was sein soll, begreift, dass dieses, was sein soll, nach der Göttlichen Macht auch sein wird, und versucht dagegen zu halten."
Alt: " Die Theologie, die Philosophie, nährt sich dem Teufel, wenn ich das Wort einmal so benutzen darf, weitaus fundamentalistischer als die Kulturwissenschaft in einem weiteren Sinne. Das heißt also, hier geht es um Fragen grundsätzlicher Natur, um das, was böse ist, um das was böse im Verhältnis zum Göttlichen ist, und um das, was böse ist im Verhältnis zur menschlichen Freiheit. Und das sind ganz essentielle Fragen, die mit den kulturhistorischen Perspektiven oftmals gar nicht vermittelt werden können. Das Spektrum zu sehen, das was also Geisteswissenschaften sein können in diesem Spektrum, das ist sehr faszinierend glaube ich auch für die Zuhörer."
Als in der interdisziplinären Vorlesungsreihe die Kulturwissenschaftler zu Wort kamen, wurden die alten mythologischen Teufelsbilder entzaubert. Der Teufel erscheint nicht mehr als Chiffre für das Böse in der Welt. Seine variable Gestalt ergibt sich vielmehr aus den innersten menschlichen Bedürfnissen und Phantasien. Der Teufel kommt nicht von außen, er war immer schon im eigenen Haus.
" Wählen Sie Ihre Nummer. Nur zu!
(tippen)
Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich hier bin.
"Wie geht das?"
Fragen Sie mich."
Befragt man die Texte der Psychoanalyse, so halten sie entlarvende Antworten bereit. Als eine Art moderne Exorzisten traten Sigmund Freud und seine Schüler an, um mit den mystischen Teufelsbildern in der Kulturgeschichte aufzuräumen.
Alt: " Alles, was die Psychoanalyse an der Welt der Mythologie wahrnimmt, ist zunächst einmal, dass die Bilder, die Vorstellungsinhalte der mythischen Tradition gleichsam Chiffren, Zeichen sind für Prozesse im menschlichen Seelenleben. In diesem Sinne leistet sie eine Art Entmythologisierung. Sie entzaubert die Mythen, indem sie sie zurückführt auf das, was man die psychische Ökonomie des Menschen nennen kann."
Freuds Auseinandersetzung mit der Teufelsmythologie machte aus Mephisto einen Bestandteil der männlichen Triebstruktur. Peter-André Alt:
" Der Teufel ist die Figur, die den Vater repräsentiert und der Teufel ist entweder eine anziehende Figur, weil der Sohn den Vater begehrenswert findet und ihm nachfolgen will. Der Teufel kann aber in seiner Hässlichkeit auch die Seite des Vaters repräsentieren, die der Sohn verachtet, der sich ja auch als Konkurrent des Vaters begreift. Und in dieser Spannung bewegt sich aus Freuds Sicht die Dämonologie des Teuflischen. Es ist also eine Deutung, die sehr eng angebunden ist an die Triebtheorie der Psychoanalyse, ihrer Lehre vom Unbewussten und den Ödipuskomplex."
Mit diesen Einsichten ist der Teufel aber nicht aus der Welt entfernt sondern nur verschoben - vom Feld der Mythen und Legenden auf das Feld der Theorie und Analyse. Genau genommen bedeutet das bessere Wissen um des Teufels Herkunft sogar die Anerkennung seiner Existenz.
"Wie sind Sie in mein Haus gelangt?"
Sie haben mich eingeladen. Es ist nicht meine Art, dorthin zu gehen, wo ich nicht erwünscht bin.
"Wer sind Sie?"
(teuflisches Lachen)
Der Teufel der Psychoanalyse Freuds und seiner Schüler ist ausschließlich männlich, wie auch der Teufel im zitierten Film "Lost Highway" von Regisseur David Lynch. Er entspringt dem Mann, der getrieben von Lust und Eifersucht im Anschluss an die Party seine Frau schlachtet.
Irmela von der Lühe: " Der Teufel ist nach Herkunft und Bildtradition in der Tat männlich, er ist entweder ein gefallener Engel und insofern männlich, oder er ist der Gegenspieler Gottes und dadurch männlich, er hat, wie wir bei den Brüdern Grimm lernen können, eine Großmutter, er hat, wie man nach biblischer Überlieferung weiß, mit der Hure Babylon einen Sohn gezeugt, das ist der Antichrist, insofern wird er immer auch in biblischer Tradition als negativer Messias entworfen, er zeugt mit einem weiblichen Wesen Kinder, die sieben Todsünden, kurzum, er ist familial und genealogisch männlich entworfen, und als weibliche Gestalt gibt es ihn in dieser Form nicht."
Und doch gibt es sie sehr wohl, die Teufelin, weiß Professor Irmela von der Lühe zu berichten, Literaturwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin. Es ist nur eine Frage der Perspektive.
" Wir haben eine lange Tradition der Verteufelung eines ganzen Geschlechts, nämlich der Frauen. Und diese Geschichte der Verteufelung des ganzen weiblichen Geschlechts, die beginnt sehr früh, und ist auch unabgeschlossen. Immer wenn Frauen aus der Norm herausfallen, sind sie nicht nur keine Frauen mehr sondern tendenziell Teufelinnen oder Hexen. Und die Tradition der Verteufelung des weiblichen Geschlechts läuft natürlich über das alte Motiv der prinzipiell bösen, verführerischen, heuchlerischen und verlogenen Natur des Weibes, die auf diese Weise mit dem Teufel im Bündnis ist."
Mehr noch. Das böse Weib hat mit dem Teufel Geschlechtsverkehr, es seine Buhle, ausgeschickt um wehrlose Männer zu verschlingen.
Mann: warum ich Alice? Wieso suchst Du mich aus?
Frau: Du willst mich doch noch, oder Piet? Mehr als je zuvor!
(Aus "Lost Highway")
Von der Lühe: " Wenn es um hexenhafte, teuflische Frauen geht, so ist es immer sexuell konnotiert, so hat es immer etwas zu tun mit Maßlosigkeit, Haltlosigkeit, Nymphomanie und was der gleichen phantasie- und projektionsträchtige Begriffe mehr sind, eine enthemmte Sexualität ist ein Dauermotiv, das man bei der Konstruktion des weiblich Bösen, des Teufelsweibs immer antrifft. Also es gibt eine berühmte Ballade von Heinrich Heine, die Tannhäuserlegende, und da wird dem Papst der folgenreiche Satz in den Mund gelegt: Frau Venus ist die wahre Teufelin, das heißt die Liebe in Gestalt der verführerischen Kräfte, über die eine Frau angeblich qua böser Natur verfügt, die ist das genuin Teuflische, aber das ist eine männliche Projektion, die lange Traditionen hat und natürlich auch sehr leicht instrumentalisierbar ist."
Das schaurigste Beispiel für die Instrumentalisierung solcher Projektionen sind die Hexenprozesse des 15. bis 17. Jahrhunderts, denen Tausende von Frauen zum Opfer fielen, weil man ihnen die Teufelsbuhlschaft unterstellte. Verurteilt und verbrannt von den Phantasien männlicher Beichtväter, Inquisitoren, Folterknechte und Richter. Aus einer weiteren Perspektive hatte die zur Schau Stellung, Verurteilung und Vernichtung des angeblich Teuflischen für die Gesellschaft der frühen Neuzeit vermutlich eine bestimmte Funktion. Irmela von der Lühe:
" Es sind Stigmatisierungsprozesse, die mit der Teufelsfigur beziehungsweise dem Hexenbild möglich sind, Stigmatisierungen, derer offenbar eine Mehrheitsgesellschaft bedarf um sich zu vergewissern, dass sie die Mehrheit bildet. Und dieser Ausgrenzungsvorgang ist womöglich auch ein typischer Vorgang bei der Entstehung der Moderne. Moderne Gesellschaften, die sich nicht mehr selbstverständlich auf metaphysische und kosmische Legitimationen und Strategien der Selbstrechtfertigung verlassen können, müssen sich durch sich selbst rechtfertigen, und diese Selbstrechtfertigung vollzieht sich in aller Regel durch Konfrontation mit den Anderen, die auf diese Weise natürlich zu allererst geschaffen und konstruiert werden."
In der Moderne angekommen, droht Teufelinnen nicht mehr der organisierte Tod. Aber die Verteufelung weiblicher Lust im Schein männlicher Projektionen bleibt vorhanden und gefährlich. Im besten Fall wird das Teufelsweib vom Mann nur im Thriller geschlachtet - und das mit Hilfe schaurig schöner Bilder. Von der Lühe:
" Für spätere Jahrhunderte in der Geschichte etwa der Bilder vom weiblichen Teufel, spielt dann ein merkwürdiger, aber für die Literaturwissenschaft natürlich hochbrisanter Vorgang der Ästhetisierung dieser Bilder eine Rolle. Da sprechen wir von der verführerischen Frau, die Männer mordend, vampirhaft oder femme fatale gleich als Salome oder Lulu durch die Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts geistert oder sie bevölkert und genau das auslöst, was in der frühen Neuzeit auch realiter vollzogen wird, nämlich diese merkwürdige Angstlust, also das Faszinosum vor der andersartigen projektiv verschlingenden und gefährlichen Frau einerseits und dem Empfinden, sie zu besitzen oder sie auszumerzen andererseits."
Das Teuflische geistert also weiter durch die Kulturgeschichte, dient immer neuen Bildern und Spielen mit alten Ängsten und Vorstellungen. Ob eine Kultur auch ohne den Teufel auskommt? Um den Bogen zu schließen, plante die Vorlesungsreihe auch einen Beitrag zum Teufel im Buddhismus. Aber da ergaben sich überraschende Neuigkeiten, erzählt der Veranstalter Professor Alt:
" Dann habe ich gelernt von einer Kollegin, die zunächst einmal zugesagt hatte, an dieser Vorlesung teilzunehmen, dass der Buddhismus eigentlich keine Teufelsfigur kennt! Das war eine sehr nette Erkenntnis, die Kollegin schrieb mir dann nach einer Woche, sie könne nicht teilnehmen, sie habe bei genauerem Nachdenken festgestellt, dass sie mit keiner äquivalenten Teufelsfigur im Hinduismus aufwarten könne, und im Buddhismus. Man sieht also, dass die friedlichste aller Weltreligionen vielleicht am wenigsten auf eine Figur wie diesen Erzbösewicht und Rebellen angewiesen ist, auch das sind ja sehr interessante Einsichten!"
Geben Sie mir mein Telefon zurück.
War mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern.
" Der Teufel steht für Angst, für Abweichung, für Rebellion, für Ordnungsstörung, für Grenzüberschreitung, er steht für das Perverse, das Bedrohliche, das Dunkle, es ist eine riesige Gegenwelt, die er auf sich zieht und repräsentiert, und diese Gegenwelt - man kann sie das Böse nennen - ist ein Gegenstand dieser Vorlesung."
Der Berliner Germanist Professor Peter-André Alt ist der Veranstalter der öffentlichen Vorlesung. Ein Wissenschaftler, der Teufelsbilder erforschen will, muss nicht lange nach dem Gegenstand seiner Erkenntnis suchen. Wo immer er sich umsieht - ob in der europäischen Kulturgeschichte oder irgendeiner anderen auf der Welt, ob in Vergangenheit oder Gegenwart, in mittelalterlicher Kunst oder neuzeitlicher Literatur - überall treibt der Teufel von je her sein wirkungsvolles Unwesen. Das kann in der Moderne auch schon mal auf einer gewöhnlichen Party sein.
Ausschnitt aus David Lynchs Film: "Lost Highway":
Wir sind uns schon mal begegnet, nicht wahr?
"Nicht, dass ich wüsste. Wo sollen wir uns denn begegnet sein?"
In Ihrem Haus. Erinnern Sie sich nicht mehr?
"Nein. Nein, wirklich nicht. Sind Sie sicher?"
Aber ja! Um genau zu sein: ich bin jetzt gerade dort.
Peter André Alt:
" Es ist bemerkenswert das auch das postmoderne Hollywoodkino eine ganz starke Beziehung zum Teufel hat, auch ein so bedeutsamer Regisseur wie David Lynch, dessen Filme mit Bildern des Teufels arbeiten, immer wieder auf Fegefeuervisionen zurückgreifen, immer wieder aber auch auf dämonische Figuren, die eindeutig in den Masken des Bösen als Teufelsfiguren erscheinen."
"Wie meinen Sie das, Sie sind jetzt gerade dort?"
Ich bin bei Ihnen zu Hause.
"Das ist der totale Schwachsinn, Mann."
Rufen Sie mich an.
Alt:
" Der Teufel ist natürlich zum einen das Prinzip des Anderen. Er umfasst das, was wir nicht begreifen und wovor wir Angst haben, vielleicht auch das, was wir heimlich ersehen."
Als teuflisch erscheinen im Lauf der Kulturgeschichte schon bloße Wünsche nach dem "anders sein", Obsessionen, aber auch der Wille zum Widerspruch, ja sogar das Streben nach Freiheit, so Professor Alt:
" Man kann die Figur des Teufels auch mit dieser Seite des Menschen in Verbindung bringen, mit der Gesetzlosigkeit, mit der Lust an der Anarchie, dann sieht man, dass es zu einfach ist zu sagen, der Teufel sei eine Manifestation des Bösen. Der Teufel ist sehr viel mehr. Um zu erkennen, was er umfasst, muss man auf die christliche Mythologie zurückgreifen, die sich in vielen Schattierungen auch wiederholt in anderen Weltreligionen, nämlich die Vorstellung, dass der Teufel ein abgefallener Engel ist, als Luzifer, zunächst einmal im Licht Gottes steht, dann aus dem Geist der Superbia, des Stolzes, des Ehrgeizes Gottes Allmacht in Frage stellt, mit seinem Heerscharen, seinen Engeln aus dem Himmel vertrieben wird und in die Hölle fährt."
Das ist die Urszene der Teufelsmythologie. Mit ihr kam ein Dualismus in Welt, der die meisten Kulturen im Innersten antreibt: der Kampf zwischen Gut und Böse. Der Berliner Religionsphilosoph Professor Wilhelm Schmidt-Biggemann unterstreicht, dass die Idee des Teufels mit dem Entwurf einer Heilsgeschichte unausweichlich wird:
" Der Gott des neuen Testaments ist im Unterschied zum Gott des alten Testaments ein guter Gott, ein Liebesgott. Und dann passiert folgendes: erstens, vor diesem Liebesgott braucht man keine Angst zu haben. Zweitens: das ermöglicht dem Menschen, seine eigene Freiheit zu entdecken! Diese eigene Freiheit besteht aber nun paradoxerweise darin, sowohl gehorchen zu können als auch nicht gehorchen zu können."
Aber ein widerwilliger Mensch allein ist noch nicht der Teufel, betont Wilhelm Schmidt-Biggemann. Entscheidend für dessen Existenz ist schließlich das objektive Übel in der Welt - Krankheiten, Umweltkatastrophen oder Kriege. Die Welt des guten Gottes erweist sich als nicht gut. Warum nicht? Schmidt-Biggemann:
" Also muss man eine Instanz annehmen, von der man sagt, sie ist widerwillig gegen dieses Göttliche. Eine Hinderungsinstanz, die mit Wille versehen wird, ist klassischerweise eine Personalität. Das heißt, diese Personalität sieht ein, was sein soll, begreift, dass dieses, was sein soll, nach der Göttlichen Macht auch sein wird, und versucht dagegen zu halten."
Alt: " Die Theologie, die Philosophie, nährt sich dem Teufel, wenn ich das Wort einmal so benutzen darf, weitaus fundamentalistischer als die Kulturwissenschaft in einem weiteren Sinne. Das heißt also, hier geht es um Fragen grundsätzlicher Natur, um das, was böse ist, um das was böse im Verhältnis zum Göttlichen ist, und um das, was böse ist im Verhältnis zur menschlichen Freiheit. Und das sind ganz essentielle Fragen, die mit den kulturhistorischen Perspektiven oftmals gar nicht vermittelt werden können. Das Spektrum zu sehen, das was also Geisteswissenschaften sein können in diesem Spektrum, das ist sehr faszinierend glaube ich auch für die Zuhörer."
Als in der interdisziplinären Vorlesungsreihe die Kulturwissenschaftler zu Wort kamen, wurden die alten mythologischen Teufelsbilder entzaubert. Der Teufel erscheint nicht mehr als Chiffre für das Böse in der Welt. Seine variable Gestalt ergibt sich vielmehr aus den innersten menschlichen Bedürfnissen und Phantasien. Der Teufel kommt nicht von außen, er war immer schon im eigenen Haus.
" Wählen Sie Ihre Nummer. Nur zu!
(tippen)
Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich hier bin.
"Wie geht das?"
Fragen Sie mich."
Befragt man die Texte der Psychoanalyse, so halten sie entlarvende Antworten bereit. Als eine Art moderne Exorzisten traten Sigmund Freud und seine Schüler an, um mit den mystischen Teufelsbildern in der Kulturgeschichte aufzuräumen.
Alt: " Alles, was die Psychoanalyse an der Welt der Mythologie wahrnimmt, ist zunächst einmal, dass die Bilder, die Vorstellungsinhalte der mythischen Tradition gleichsam Chiffren, Zeichen sind für Prozesse im menschlichen Seelenleben. In diesem Sinne leistet sie eine Art Entmythologisierung. Sie entzaubert die Mythen, indem sie sie zurückführt auf das, was man die psychische Ökonomie des Menschen nennen kann."
Freuds Auseinandersetzung mit der Teufelsmythologie machte aus Mephisto einen Bestandteil der männlichen Triebstruktur. Peter-André Alt:
" Der Teufel ist die Figur, die den Vater repräsentiert und der Teufel ist entweder eine anziehende Figur, weil der Sohn den Vater begehrenswert findet und ihm nachfolgen will. Der Teufel kann aber in seiner Hässlichkeit auch die Seite des Vaters repräsentieren, die der Sohn verachtet, der sich ja auch als Konkurrent des Vaters begreift. Und in dieser Spannung bewegt sich aus Freuds Sicht die Dämonologie des Teuflischen. Es ist also eine Deutung, die sehr eng angebunden ist an die Triebtheorie der Psychoanalyse, ihrer Lehre vom Unbewussten und den Ödipuskomplex."
Mit diesen Einsichten ist der Teufel aber nicht aus der Welt entfernt sondern nur verschoben - vom Feld der Mythen und Legenden auf das Feld der Theorie und Analyse. Genau genommen bedeutet das bessere Wissen um des Teufels Herkunft sogar die Anerkennung seiner Existenz.
"Wie sind Sie in mein Haus gelangt?"
Sie haben mich eingeladen. Es ist nicht meine Art, dorthin zu gehen, wo ich nicht erwünscht bin.
"Wer sind Sie?"
(teuflisches Lachen)
Der Teufel der Psychoanalyse Freuds und seiner Schüler ist ausschließlich männlich, wie auch der Teufel im zitierten Film "Lost Highway" von Regisseur David Lynch. Er entspringt dem Mann, der getrieben von Lust und Eifersucht im Anschluss an die Party seine Frau schlachtet.
Irmela von der Lühe: " Der Teufel ist nach Herkunft und Bildtradition in der Tat männlich, er ist entweder ein gefallener Engel und insofern männlich, oder er ist der Gegenspieler Gottes und dadurch männlich, er hat, wie wir bei den Brüdern Grimm lernen können, eine Großmutter, er hat, wie man nach biblischer Überlieferung weiß, mit der Hure Babylon einen Sohn gezeugt, das ist der Antichrist, insofern wird er immer auch in biblischer Tradition als negativer Messias entworfen, er zeugt mit einem weiblichen Wesen Kinder, die sieben Todsünden, kurzum, er ist familial und genealogisch männlich entworfen, und als weibliche Gestalt gibt es ihn in dieser Form nicht."
Und doch gibt es sie sehr wohl, die Teufelin, weiß Professor Irmela von der Lühe zu berichten, Literaturwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin. Es ist nur eine Frage der Perspektive.
" Wir haben eine lange Tradition der Verteufelung eines ganzen Geschlechts, nämlich der Frauen. Und diese Geschichte der Verteufelung des ganzen weiblichen Geschlechts, die beginnt sehr früh, und ist auch unabgeschlossen. Immer wenn Frauen aus der Norm herausfallen, sind sie nicht nur keine Frauen mehr sondern tendenziell Teufelinnen oder Hexen. Und die Tradition der Verteufelung des weiblichen Geschlechts läuft natürlich über das alte Motiv der prinzipiell bösen, verführerischen, heuchlerischen und verlogenen Natur des Weibes, die auf diese Weise mit dem Teufel im Bündnis ist."
Mehr noch. Das böse Weib hat mit dem Teufel Geschlechtsverkehr, es seine Buhle, ausgeschickt um wehrlose Männer zu verschlingen.
Mann: warum ich Alice? Wieso suchst Du mich aus?
Frau: Du willst mich doch noch, oder Piet? Mehr als je zuvor!
(Aus "Lost Highway")
Von der Lühe: " Wenn es um hexenhafte, teuflische Frauen geht, so ist es immer sexuell konnotiert, so hat es immer etwas zu tun mit Maßlosigkeit, Haltlosigkeit, Nymphomanie und was der gleichen phantasie- und projektionsträchtige Begriffe mehr sind, eine enthemmte Sexualität ist ein Dauermotiv, das man bei der Konstruktion des weiblich Bösen, des Teufelsweibs immer antrifft. Also es gibt eine berühmte Ballade von Heinrich Heine, die Tannhäuserlegende, und da wird dem Papst der folgenreiche Satz in den Mund gelegt: Frau Venus ist die wahre Teufelin, das heißt die Liebe in Gestalt der verführerischen Kräfte, über die eine Frau angeblich qua böser Natur verfügt, die ist das genuin Teuflische, aber das ist eine männliche Projektion, die lange Traditionen hat und natürlich auch sehr leicht instrumentalisierbar ist."
Das schaurigste Beispiel für die Instrumentalisierung solcher Projektionen sind die Hexenprozesse des 15. bis 17. Jahrhunderts, denen Tausende von Frauen zum Opfer fielen, weil man ihnen die Teufelsbuhlschaft unterstellte. Verurteilt und verbrannt von den Phantasien männlicher Beichtväter, Inquisitoren, Folterknechte und Richter. Aus einer weiteren Perspektive hatte die zur Schau Stellung, Verurteilung und Vernichtung des angeblich Teuflischen für die Gesellschaft der frühen Neuzeit vermutlich eine bestimmte Funktion. Irmela von der Lühe:
" Es sind Stigmatisierungsprozesse, die mit der Teufelsfigur beziehungsweise dem Hexenbild möglich sind, Stigmatisierungen, derer offenbar eine Mehrheitsgesellschaft bedarf um sich zu vergewissern, dass sie die Mehrheit bildet. Und dieser Ausgrenzungsvorgang ist womöglich auch ein typischer Vorgang bei der Entstehung der Moderne. Moderne Gesellschaften, die sich nicht mehr selbstverständlich auf metaphysische und kosmische Legitimationen und Strategien der Selbstrechtfertigung verlassen können, müssen sich durch sich selbst rechtfertigen, und diese Selbstrechtfertigung vollzieht sich in aller Regel durch Konfrontation mit den Anderen, die auf diese Weise natürlich zu allererst geschaffen und konstruiert werden."
In der Moderne angekommen, droht Teufelinnen nicht mehr der organisierte Tod. Aber die Verteufelung weiblicher Lust im Schein männlicher Projektionen bleibt vorhanden und gefährlich. Im besten Fall wird das Teufelsweib vom Mann nur im Thriller geschlachtet - und das mit Hilfe schaurig schöner Bilder. Von der Lühe:
" Für spätere Jahrhunderte in der Geschichte etwa der Bilder vom weiblichen Teufel, spielt dann ein merkwürdiger, aber für die Literaturwissenschaft natürlich hochbrisanter Vorgang der Ästhetisierung dieser Bilder eine Rolle. Da sprechen wir von der verführerischen Frau, die Männer mordend, vampirhaft oder femme fatale gleich als Salome oder Lulu durch die Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts geistert oder sie bevölkert und genau das auslöst, was in der frühen Neuzeit auch realiter vollzogen wird, nämlich diese merkwürdige Angstlust, also das Faszinosum vor der andersartigen projektiv verschlingenden und gefährlichen Frau einerseits und dem Empfinden, sie zu besitzen oder sie auszumerzen andererseits."
Das Teuflische geistert also weiter durch die Kulturgeschichte, dient immer neuen Bildern und Spielen mit alten Ängsten und Vorstellungen. Ob eine Kultur auch ohne den Teufel auskommt? Um den Bogen zu schließen, plante die Vorlesungsreihe auch einen Beitrag zum Teufel im Buddhismus. Aber da ergaben sich überraschende Neuigkeiten, erzählt der Veranstalter Professor Alt:
" Dann habe ich gelernt von einer Kollegin, die zunächst einmal zugesagt hatte, an dieser Vorlesung teilzunehmen, dass der Buddhismus eigentlich keine Teufelsfigur kennt! Das war eine sehr nette Erkenntnis, die Kollegin schrieb mir dann nach einer Woche, sie könne nicht teilnehmen, sie habe bei genauerem Nachdenken festgestellt, dass sie mit keiner äquivalenten Teufelsfigur im Hinduismus aufwarten könne, und im Buddhismus. Man sieht also, dass die friedlichste aller Weltreligionen vielleicht am wenigsten auf eine Figur wie diesen Erzbösewicht und Rebellen angewiesen ist, auch das sind ja sehr interessante Einsichten!"
Geben Sie mir mein Telefon zurück.
War mir ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern.