Das Ideal einer Stadt und ihre Aufgabe können wir darin erblicken, dass hier die Einwohner ein friedliches, möglichst sorgenloses und von Beunruhigung freies Leben führen.
So formulierte es der Humanist, Schriftsteller und Renaissancearchitekt Leon Battista Alberti Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Utopie einer Stadt - das Wort erfand Thomas Morus, Lordkanzler Heinrich des Achten.
"Es kommt aus dem Griechischen und zwar aus der Vorsilbe U oder Eu und Topos. Topos bedeutet Ort; und U würde ohne Ort heißen; und Eu schöner Ort - und da spielt so ein bisschen die Ambivalenz des Utopischen. Das Utopische, das ist ja der Wunsch nach einem schöneren Leben, also der schöne Ort. Aber halt das U-Topos, was es auch heißen könnte, ohne Ort, ist ein Ort, der eigentlich nicht zu realisieren ist, ein Fantasiegespinst."
Der Stadtplaner Jochen Witthinrich lehrt Architektur und Philosophie an der Technischen Hochschule München. Beschrieben hatte die utopische Stadt schon der griechische Philosoph Platon.
Poseidon aber von Liebe zu ihr ergriffen, machte den Hügel, den sie bewohnte, zu einem wohlbefestigten, indem er ihn ringsum durch größere und kleinere Gürtel abwechselnd von Wasser und Erde abgrenzte.
Platons Atlantislegende beschreibt den Kampf zweier Systeme. Eines erinnert an Athen, das andere an Sparte. Eines ist eher lässig, das andere straff organisiert. Allerdings versagen letztlich beide Systeme: sowohl das hierarchisch aufgebaute und bis ins letzte Detail strukturierte, als auch das eher demokratisch auf Individuen bezogene müssen untergehen. Alles, was der unvollkommene Mensch macht, trägt demnach den Keim des Verderbens schon in sich.
"Und das Utopische, was dahinter steht, ist eigentlich ein Gegenentwurf zu den bestehenden Verhältnissen. Das ist das Utopische, was auf Platon zurückgeht; und dass halt ein Gesellschaftssystem mit einer Stadtstruktur verbunden wird. Und der Topos, dass zu einer Gesellschaft immer ein Rahmen gehört, ein städtebaulicher Rahmen, der zieht sich seit Platon bis heute durch das utopische Denken und Planen."
Heute sollten Stadtplaner sich wieder vermehrt auf die utopischen Wurzeln der Renaissance beziehen, zum Beispiel auf Thomas Morus.
Es gibt kein Haus, das nicht, genauso wie es sein Vordertor zur Straße hat, eine Hinterpforte zum Garten besitzt. Diese zweiflügligen Türen, die durch einen leichten Druck der Hand zu öffnen sind, lassen einen jeden ein. Es gibt keinerlei Privatbesitz. Denn sogar die Häuser wechseln sie alle zehn Jahre durch Auslosung.
"Der beste Freund von Thomas Morus war Erasmus von Rotterdam, den er auch sehr häufig besucht hat. Und in Holland waren diese Beginenhöfe beziehungsweise diese klösterlichen Gemeinschaften sehr stark. Und immer, wenn er ihn besuchte, wohnte er auch in so einer Gemeinschaft. Eine klösterliche Gemeinschaft legt ja Wert auf das Individuum, aber trotzdem starken Wert auf die Gemeinschaft; also ein wunderbares Beispiel für eine kleine Stadt. Und die Stadt von Thomas Morus ist eigentlich eine 200-fache Vervielfachung dieses klösterlichen Typus. Seine Stadt besteht aus 200 dieser Einheiten."
Auch der Schweizer Architekt und Schriftsteller Max Frisch hat 1955 eine utopische Stadt entworfen; eine Stadt, wo Privatheit und Öffentlichkeit beieinander sind, ein Gegenentwurf zu den isolierenden Einfamilienhaussiedlungen in der Schweiz.
Es geht darum, eine Musterstadt oder Versuchsstadt aufzustellen, die Gelegenheit bietet, alle lebenswichtigen Probleme unserer Existenz gemäß den neuesten Erkenntnissen in Angriff zu nehmen. Sie soll Anspruch erheben können, Ausdruck der schweizerischen Demokratie im 20. Jahrhundert zu sein, nicht mehr und nicht weniger.
"Was er dort niedergeschrieben hat, ist eine Art Manifest; ein Manifest, wie eine Stadt sein sollte. Und das ist genau das, was eine Stadt ausmacht. Das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft. Und ich glaube, Max Frisch hat aus heutiger Sicht eigentlich die Utopie, wie sie heute in der Stadt eigentlich sein sollte."
Die Griechen der Antike glaubten noch, dass man durch Architektur die Menschen zu besseren Menschen erziehen könne. Jochen Witthinrich weiß allerdings, dass es so etwas nicht gibt. Aber man könne Strukturen schaffen, in denen Urbanität, die Symbiose von gelebter Individualität und Gemeinschaft, funktioniert.
"Das könnte eine Schule sein oder ein Kindergarten und einen gemeinsamen Hof, wo man auch private Freiräume mieten kann. Diese etwas transparenteren Hofstrukturen, die sind meiner Meinung nach immer noch das beste Lebens- und Architektursystem, was jemals der Mensch erfunden hat."
Überhaupt müsse man heutzutage wieder viel mehr Utopien entwickeln, fordert der Stadtplaner.
"Und ich glaube viele Architekten, viele Kollegen, sind in einen Pragmatismus gefallen, sich nur auf die Ökonomie zu berufen und nicht auf Gesellschaft. Und sich zu überlegen, wie wir eigentlich bauen, wie wir eine gute Gemeinschaft in der Stadt wieder bilden können. Und da ist eigentlich die Utopie eine gute Grundlage."
Der Stadtplaner Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung in Hamburg Wilhelmsburg, hat erfahren, wie sehr Pragmatismus und Ökonomie heute auch zum Geschäft gehören.
"Es ist sicherlich richtig, dass es heute kaum einen Freiraum in dem Jenseits von Vorschriften, von funktionalistischen und rationalistischen Restriktionen, von wirtschaftlichen Restriktionen und so weiter [gibt], [dass kaum] noch frei gedacht werden kann. Das können sich vielleicht noch reiche private Bauherren erlauben. Das ist für eine öffentliche Hand schon viel, viel schwieriger."
Selbst die Internationale Bauausstellung, erklärtermaßen ein Stadtlabor, muss sich nach wirtschaftlichen Kriterien richten. Das läge aber auch daran, dass es wirkliche Utopien heute nicht mehr gebe.
"Corbusier war noch der Meinung er könnte Paris abreißen, um sein neues Paris zu bauen. Diese Illusion kann heute sich keiner mehr leisten. Und insofern glaube ich, sind wir auf einem anderen Weg. Er ist ein Stück weit pragmatischer, weil wir unsere Utopien in einzelnen Aspekten … Also nehmen wir das Beispiel unseres Energiebunkers: Wir nehmen einen alten Flagbunker aus dem Zweiten Weltkrieg und wir bauen jetzt daraus eine regenerative Energieversorgungszentrale für 2000 Haushalte."
Was Uli Hellweg traurig findet, sind die Städte, die auch deutsche Architekten in Ländern wie China oder Dubai bauen; und das, obwohl genug Geld für Utopien vorhanden wäre. Stattdessen verkörpern diese Städte …
"… den Mangel an realer sozialer und gesellschaftlicher Utopie. Denn das, was da in China oder Dubai gebaut wird, das verkörpert ja in keiner Phase irgendeine Form gesellschaftlicher Emanzipation, ob es im Bereich der Frauen ist oder im Bereich der kulturellen Diversifikation oder was auch immer. Sondern das sind technizistisch hochgezüchtete Spielzeuge, die sich teilweise hinter dem Ökoanspruch verstecken."
Auch mit der Vision des Architekten und Philosophen Jochen Witthinrich von der TU München haben solche Städte nichts zu tun.
"Meine persönliche Utopie ist die Stadt, die dem Menschen soviel Freiheit gibt, dass er sich wohlfühlt, aber dem trotzdem ein Ordnungssystem zugrunde liegt, das dem Menschen das Gefühl gibt, er fühlt sich geborgen."
So formulierte es der Humanist, Schriftsteller und Renaissancearchitekt Leon Battista Alberti Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Utopie einer Stadt - das Wort erfand Thomas Morus, Lordkanzler Heinrich des Achten.
"Es kommt aus dem Griechischen und zwar aus der Vorsilbe U oder Eu und Topos. Topos bedeutet Ort; und U würde ohne Ort heißen; und Eu schöner Ort - und da spielt so ein bisschen die Ambivalenz des Utopischen. Das Utopische, das ist ja der Wunsch nach einem schöneren Leben, also der schöne Ort. Aber halt das U-Topos, was es auch heißen könnte, ohne Ort, ist ein Ort, der eigentlich nicht zu realisieren ist, ein Fantasiegespinst."
Der Stadtplaner Jochen Witthinrich lehrt Architektur und Philosophie an der Technischen Hochschule München. Beschrieben hatte die utopische Stadt schon der griechische Philosoph Platon.
Poseidon aber von Liebe zu ihr ergriffen, machte den Hügel, den sie bewohnte, zu einem wohlbefestigten, indem er ihn ringsum durch größere und kleinere Gürtel abwechselnd von Wasser und Erde abgrenzte.
Platons Atlantislegende beschreibt den Kampf zweier Systeme. Eines erinnert an Athen, das andere an Sparte. Eines ist eher lässig, das andere straff organisiert. Allerdings versagen letztlich beide Systeme: sowohl das hierarchisch aufgebaute und bis ins letzte Detail strukturierte, als auch das eher demokratisch auf Individuen bezogene müssen untergehen. Alles, was der unvollkommene Mensch macht, trägt demnach den Keim des Verderbens schon in sich.
"Und das Utopische, was dahinter steht, ist eigentlich ein Gegenentwurf zu den bestehenden Verhältnissen. Das ist das Utopische, was auf Platon zurückgeht; und dass halt ein Gesellschaftssystem mit einer Stadtstruktur verbunden wird. Und der Topos, dass zu einer Gesellschaft immer ein Rahmen gehört, ein städtebaulicher Rahmen, der zieht sich seit Platon bis heute durch das utopische Denken und Planen."
Heute sollten Stadtplaner sich wieder vermehrt auf die utopischen Wurzeln der Renaissance beziehen, zum Beispiel auf Thomas Morus.
Es gibt kein Haus, das nicht, genauso wie es sein Vordertor zur Straße hat, eine Hinterpforte zum Garten besitzt. Diese zweiflügligen Türen, die durch einen leichten Druck der Hand zu öffnen sind, lassen einen jeden ein. Es gibt keinerlei Privatbesitz. Denn sogar die Häuser wechseln sie alle zehn Jahre durch Auslosung.
"Der beste Freund von Thomas Morus war Erasmus von Rotterdam, den er auch sehr häufig besucht hat. Und in Holland waren diese Beginenhöfe beziehungsweise diese klösterlichen Gemeinschaften sehr stark. Und immer, wenn er ihn besuchte, wohnte er auch in so einer Gemeinschaft. Eine klösterliche Gemeinschaft legt ja Wert auf das Individuum, aber trotzdem starken Wert auf die Gemeinschaft; also ein wunderbares Beispiel für eine kleine Stadt. Und die Stadt von Thomas Morus ist eigentlich eine 200-fache Vervielfachung dieses klösterlichen Typus. Seine Stadt besteht aus 200 dieser Einheiten."
Auch der Schweizer Architekt und Schriftsteller Max Frisch hat 1955 eine utopische Stadt entworfen; eine Stadt, wo Privatheit und Öffentlichkeit beieinander sind, ein Gegenentwurf zu den isolierenden Einfamilienhaussiedlungen in der Schweiz.
Es geht darum, eine Musterstadt oder Versuchsstadt aufzustellen, die Gelegenheit bietet, alle lebenswichtigen Probleme unserer Existenz gemäß den neuesten Erkenntnissen in Angriff zu nehmen. Sie soll Anspruch erheben können, Ausdruck der schweizerischen Demokratie im 20. Jahrhundert zu sein, nicht mehr und nicht weniger.
"Was er dort niedergeschrieben hat, ist eine Art Manifest; ein Manifest, wie eine Stadt sein sollte. Und das ist genau das, was eine Stadt ausmacht. Das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft. Und ich glaube, Max Frisch hat aus heutiger Sicht eigentlich die Utopie, wie sie heute in der Stadt eigentlich sein sollte."
Die Griechen der Antike glaubten noch, dass man durch Architektur die Menschen zu besseren Menschen erziehen könne. Jochen Witthinrich weiß allerdings, dass es so etwas nicht gibt. Aber man könne Strukturen schaffen, in denen Urbanität, die Symbiose von gelebter Individualität und Gemeinschaft, funktioniert.
"Das könnte eine Schule sein oder ein Kindergarten und einen gemeinsamen Hof, wo man auch private Freiräume mieten kann. Diese etwas transparenteren Hofstrukturen, die sind meiner Meinung nach immer noch das beste Lebens- und Architektursystem, was jemals der Mensch erfunden hat."
Überhaupt müsse man heutzutage wieder viel mehr Utopien entwickeln, fordert der Stadtplaner.
"Und ich glaube viele Architekten, viele Kollegen, sind in einen Pragmatismus gefallen, sich nur auf die Ökonomie zu berufen und nicht auf Gesellschaft. Und sich zu überlegen, wie wir eigentlich bauen, wie wir eine gute Gemeinschaft in der Stadt wieder bilden können. Und da ist eigentlich die Utopie eine gute Grundlage."
Der Stadtplaner Uli Hellweg, Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung in Hamburg Wilhelmsburg, hat erfahren, wie sehr Pragmatismus und Ökonomie heute auch zum Geschäft gehören.
"Es ist sicherlich richtig, dass es heute kaum einen Freiraum in dem Jenseits von Vorschriften, von funktionalistischen und rationalistischen Restriktionen, von wirtschaftlichen Restriktionen und so weiter [gibt], [dass kaum] noch frei gedacht werden kann. Das können sich vielleicht noch reiche private Bauherren erlauben. Das ist für eine öffentliche Hand schon viel, viel schwieriger."
Selbst die Internationale Bauausstellung, erklärtermaßen ein Stadtlabor, muss sich nach wirtschaftlichen Kriterien richten. Das läge aber auch daran, dass es wirkliche Utopien heute nicht mehr gebe.
"Corbusier war noch der Meinung er könnte Paris abreißen, um sein neues Paris zu bauen. Diese Illusion kann heute sich keiner mehr leisten. Und insofern glaube ich, sind wir auf einem anderen Weg. Er ist ein Stück weit pragmatischer, weil wir unsere Utopien in einzelnen Aspekten … Also nehmen wir das Beispiel unseres Energiebunkers: Wir nehmen einen alten Flagbunker aus dem Zweiten Weltkrieg und wir bauen jetzt daraus eine regenerative Energieversorgungszentrale für 2000 Haushalte."
Was Uli Hellweg traurig findet, sind die Städte, die auch deutsche Architekten in Ländern wie China oder Dubai bauen; und das, obwohl genug Geld für Utopien vorhanden wäre. Stattdessen verkörpern diese Städte …
"… den Mangel an realer sozialer und gesellschaftlicher Utopie. Denn das, was da in China oder Dubai gebaut wird, das verkörpert ja in keiner Phase irgendeine Form gesellschaftlicher Emanzipation, ob es im Bereich der Frauen ist oder im Bereich der kulturellen Diversifikation oder was auch immer. Sondern das sind technizistisch hochgezüchtete Spielzeuge, die sich teilweise hinter dem Ökoanspruch verstecken."
Auch mit der Vision des Architekten und Philosophen Jochen Witthinrich von der TU München haben solche Städte nichts zu tun.
"Meine persönliche Utopie ist die Stadt, die dem Menschen soviel Freiheit gibt, dass er sich wohlfühlt, aber dem trotzdem ein Ordnungssystem zugrunde liegt, das dem Menschen das Gefühl gibt, er fühlt sich geborgen."