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Der Überseeclub in Hamburg - traditionell international

Der Club ist gemeinnützig und es werden keine Honorare an Redner gezahlt, stattdessen werden beim Übersseclub Hamburg gewisse Werte hochgehalten. Das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns zum Beispiel, der Respekt gegenüber den älteren erfahrenen Geschäftsleuten.

Von Verena Herb |
    Den Espresso nach dem Mittagessen nehmen die beiden Herren im Barbereich: Sitzen sich in dunklen Ledersesseln gegenüber. Auf dem Tisch steht eine silberne Etagere mit kleinen Pralinees. Die beiden Männer sind in ein Geschäftsgespräch versunken:

    "Natürlich ist das eine, dass man hier mittags isst. Das andere ist aber natürlich genau so wichtig, dass man mal vielleicht kleine Gespräche am Rande führt in einer gewissen Abgeschiedenheit. Und dass man die Club-Atmosphäre benutzen kann und hier mit einem Kaffee oder mit einem Tee in einer kurzen Zeit etwas erledigt."

    Burkhard von Cramm, der Geschäftsführer des Überseeclubs, nickt den beiden Herren am Nebentisch zu, bevor er beim Kellner ein Glas Selters bestellt. Seit sieben Jahren leitet er die Geschäfte der Traditionseinrichtung in der Hansestadt mit edler Adresse. Der Überseeclub residiert im Amsinck-Haus am Neuen Jungfernstieg vis-a-vis der Binnenalster. Die Küche ist ein Ableger des Hotels Atlantik - damit…

    "Wining und Dining stimmt", sagt Burkhard von Cramm.

    Doch nicht nur das: Stimmen muss auch die Kleidung. An der Garderobe gibt es eine kleine Holzkiste mit diversen Krawatten in gedeckten Farben – sollte jemand tatsächlich nur in Hemd und Hose kommen – ein Fauxpas:
    "Wir haben einen Schlips um, wir haben eine Jacke an. Das machen wir – das ist der Stil, den wir hier haben, und den wir auch nicht verwässern wollen."

    Für die weiblichen Mitglieder gilt die gleiche Etikette: Die Kleidung muss dem Rahmen angemessen sein. Auch wenn das viele denken: Der Überseeclub ist keine Einrichtung allein für Herren. Von den 2200 Mitgliedern sind 200 Frauen. Immerhin sagt Burkhard von Cramm. Schon früh wurden auch Geschäftsfrauen Mitglieder des Überseeclubs, erinnert er sich und erläutert die daraufhin die Geschichte seines Clubs.

    Der Bankier Max Warburg rief im Juni 1922 den Club ins Leben, um Politiker und Kaufleute zusammenzuführen, eine Stätte der Begegnung zu schaffen, erläutert von Cramm:

    "Man gründete einen Club, der in erster Linie freiheitlich ist, der international ist und der demokratisch ist."

    Mitglieder waren damals wie heute Vertreter des Handels, der Schifffahrt, des Gewerbes und der Industrie. Während des Dritten Reichs hatte der Club keinen Platz mehr – gründete sich jedoch 1948 wieder. Seither gilt der Überseeclub als eine Plattform für Vorträge namhafter Redner aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Die Liste ist lang: Konrad Adenauer oder Charles de Gaulle, Joseph Kardinal Ratzinger - der heutige Papst Benedikt – sowie viele Bundeskanzler und Bundespräsidenten, Unternehmer, Künstler, Wissenschaftler und natürlich alle Hamburger Bürgermeister – die automatisch Mitglieder des Überseeclubs sind. Der Club ist gemeinnützig – es werden keine Honorare gezahlt.

    Dienstagabend im großen Festsaal des Hotels Atlantik: Michael Behrend, der Vorstandsvorsitzende der Hapag Lloyd AG und Mitglied des Präsidiums des Überseeclubs begrüßt die rund 400 Zuhörer auf Englisch.
    "Philip Murphy, the ambassador of the United states of America. A warm welcome to the Überseeclub… "

    Begleitet vom Applaus stellt sich der amerikanische Botschafter hinters Rednerpult.

    "Guten Abend und vielen Dank für die freundliche Einladung..."

    30 Minuten spricht er über die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland, reißt Themen an, überspringt andere. Doch das stört den pensionierten Juristen Bernd Tiedemann nicht. Seit 15 Jahren ist er dem Überseeclub treu. Eine Mitgliedschaft gehöre in Hamburg halt zum guten Ton:
    "Der Überseeclub ist eines der großen – wie soll ich sagen – Zentren für Meinungsaustausch in dieser Stadt. Da ich damals im Bereich des Hafengeschäftes und des Verkehrswesens tätig war, eigentlich ein Muss, muss man schon sagen, für diesen Bereich."

    Peter Michael Vogler, auch schon im mittleren Alter, ist indes erst seit drei Jahren dabei. Er findet, dass

    "der Überseeclub für mich der beste Club in Hamburg ist, weil er die interessantesten Vorträge hat, weil man hinterher natürlich meist noch ein Essen hat und weil man am Ende mit vielen Menschen ins Gespräch kommt."
    Dass Wert auf angemessene Kleidung gelegt wird, für ihn als echten Hanseaten: selbstverständlich. Denn:
    "Man könnte sagen, das ist ein konservativer Club. Im positiven Sinne, ja."
    Bernd Tiedemann ist der gleichen Ansicht:
    "Sie finden hier vermutlich wenige Revolutionäre..."

    Stattdessen werden hier gewisse Werte hochgehalten. Das Prinzip des ehrbaren Kaufmanns zum Beispiel, der Respekt gegenüber den älteren erfahrenen Geschäftsleuten. Bernd Tiedemann:

    "Wenn ich hier heute die jungen Mitglieder sehe, die so zwischen 35 und 45 sind, die wollen sich gerne mit der älteren Generation unterhalten. Wie die das gemacht haben, wie die ihr Geschäft betrieben haben, oder wie sie sich positioniert haben. Weil ja die Welt heutzutage schnelllebiger geworden ist."

    Ein Ort der Beständigkeit in hektischen Zeiten – für manchen mag das antiquiert klingen: doch für einen Großteil der – zugegebenermaßen meist älteren – Mitglieder – ein wichtiges Attribut.

    Der Überseeclub: Ein Wirtschaftsclub – und ein Club für die ganze Familie, unterstreicht Burkhard von Cramm. So speisen beim Sonntagsbrunch gerne mal Großeltern mit Kindern und Enkeln am Jungfernstieg.

    "Es gibt schon einen gewissen Kern der Clubfamilie. Das mag vielleicht manch einer ein bisschen lockerer oder anders sehen. Aber im großen Ganzen macht es den Menschen Spaß, dazuzugehören und Mitglied im Überseeclub zu sein."

    Entgegen der Vorurteile kostet es vergleichsweise wenig, Mitglied zu werden. 350 Euro einmalige Aufnahmegebühr, dann 350 Euro Beitrag pro Jahr. Bei anderen Clubs sind das gerne mal vierstellige Summen. Doch müssen zwei Mitglieder – eines davon muss mindestens fünf Jahre dabei sein – für den Neuling bürgen. Das ist halt Tradition. Die letzten Konservativen in Deutschland – man findet sie also im Überseeclub? Burkhard von Cramm:

    "Ja. Durchaus. Aber die sind auch alle fortschrittlich. Nicht nur konservativ."

    Weitere Beiträge der Serie "Auf der Suche nach den wahren Konservativen:

    Besuch in einem türkischen Café in Berlin
    Bodenständig: Landfrauen in Mecklenburg-Vorpommern
    Tübinger Burschen