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Der Übertritt in eine andere Religion

Konvertitinnen und Konvertiten fassen das, was ihnen beim Wechsel der Religion geschah, immer gleich zusammen, sagt der Kurator der Ausstellung "Treten Sie ein! Treten Sie aus!", Hannes Sulzenbacher. Das sei eins der wenigen Dinge, die sie eint.

Hannes Sulzenbacher im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Und wir bleiben in der Mainmetropole: "Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden" – so steht es in der Menschenrechts-Charta der UNO. Religionsfreiheit gilt also für die fromme Gemeinde und für den Einzelnen. Dazu gehört also auch das Recht, sich einer anderen Religion zuzuwenden, zu konvertieren. Doch Konversion war und ist, je nach Weltregion und Weltreligion, für Konvertiten oft eine heikle Sache.

    Das Jüdische Museum in Frankfurt hat die Konversion zum Thema einer Ausstellung gemacht. "Treten Sie ein! Treten Sie aus! Warum Menschen ihre Religion wechseln" lautet der Titel der Schau über Konversion vom Mittelalter bis heute: mit Briefen, Texten, Bildern und Filmen. Von welchen Konvertiten und ihren Lebensgeschichten erzählen Sie? Das habe ich den Kurator Hannes Sulzenbacher gefragt.

    Hannes Sulzenbacher: Wir erzählen von ziemlich vielen Konvertiten und Konvertitinnen in der Ausstellung. Da das Thema, sozusagen das zu bearbeitende Thema nichts als das Wort Konversion hieß, war für mich doch klar, dass ich über Konversion zu allen Zeiten und an allen Orten sprechen möchte, also über Konversion an sich. Und es war natürlich die Frage, wie man das alles in eine kleine Ausstellung bekommt, und ich habe mich sozusagen dazu entschieden, das Konzept an einem Phänomen entlangzuschreiben. Dieses Phänomen ist die Konvertitenerzählung. Das heißt, Konvertitinnen und Konvertiten fassen das, was ihnen geschah, im Nachhinein immer gleich zusammen. Das ist eines der wenigen Dinge, das sie eint. Und zwar: Es gibt in ihrem Leben ein vorher, ein während dessen und ein nachher. Das sind die drei grundlegenden Räume dieser Ausstellung und in diesen Räumen begegnen wir ziemlich vielen Menschen, die nicht nur vom Judentum oder zum Judentum konvertieren wollen, sondern die von allen Religionen zu allen Religionen gehen. Wir haben uns auch bemüht, nicht nur die großen Monotheisten zu haben, sondern durchaus neue religiöse Bewegungen, ungewöhnliche, seltene Religionen, die man hier weniger kennt, um zu zeigen: Diese Struktur, die eint alle, das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sie sich bringen lassen.

    Schmitz: Das heißt, Herr Sulzenbacher, Sie stellen einzelne Lebensschicksale ganz konkreter Menschen dar?

    Sulzenbacher: Ja und nein. Viele dieser Kandidatinnen und Kandidaten der Ausstellung, sozusagen Konversionskandidaten, begleitet man durch die ganze Ausstellung und kann wirklich schauen, was war die Krise, was war der Grund, warum wollten sie konvertieren, war es zum Beispiel eine Hochzeit, es gibt ja oft sehr pragmatische Gründe, war es, dass ein Kind im gemeinsamen Glauben erzogen wird, war es ein Karrieregrund, war es natürlich allen voran ein Gottsuchergrund, also war es einfach die Suche nach einer neuen Spiritualität im Leben, war es eine Zwangskonversion. Also es gibt im vorher verschiedene Startpositionen sozusagen, mit denen man in den nächsten Raum, in die Passage kommt, in dem man dann sieht, wie das dann aussieht. Das hat ja oft mit Wasser zu tun, das hat fast immer mit dem Körper zu tun, das ist ein sehr sinnlicher Teil der Konversionserfahrung, der klassische Rites de Passage. Manche dieser Kandidaten zur Konversion verliert man und manche kommen wieder, manche begleitet man durch die ganze Ausstellung und manche kommen nur einmal vor. Das war mir deshalb wichtig, um sozusagen die Struktur zu zeigen; sonst wären sie ja nur weiß Gott eine X-Anzahl von Einzelgeschichten gewesen. Gleichwohl: Man will ja wissen, wie es ausgegangen ist. Im nachher kommen fast alle wieder, damit man sehen kann, wie ist es denn ausgegangen, ist das Ziel erreicht worden, hat die Ehe gehalten und hat es den Konflikt, der ursprünglich dazu geführt hat, beseitigt.

    Schmitz: Welche zentralen Einsichten kann die Ausstellung vermitteln?

    Sulzenbacher: Vielleicht kann sie vermitteln, dass Konversion zwar natürlich geeignet ist, manchmal ein ganz konkretes Problem zu lösen, dass sie aber oft auch ein Weg ist, der vielleicht eingegangen wird, weil man glaubt, damit einen Konflikt zu lösen, und es wäre besser, man konvertiert und löst den Konflikt. Aber man macht das nicht als Ersatzhandlung.

    Schmitz: Eine abschließende Frage: In der Ankündigung der Ausstellung steht, dass das Thema Konvertiten vor dem Hintergrund globaler Migration und der begonnenen Neuerfindung Europas eine neue Dramatik bekommen habe und Minderheiten nicht überall Minderheiten und Mehrheiten nicht überall Mehrheiten seien. Was ist damit gemeint in aller Kürze?

    Sulzenbacher: Das sind jetzt viele Sachen auf einmal. Zum einen, ich nehme eine globale Migrationserfahrung, die sozusagen jetzt im Falle des Judentums eine sehr dramatische für die betroffenen ist. Es gibt in Nigeria das Volk der Igbo, das sind 20 Millionen Leute, die seit dem frühen 19. Jahrhundert Judaisierungstendenzen unterworfen sind und heute der fixen Ansicht sind, dass sie einer der verlorenen Stämme Israels sind und dort hinwandern wollen, also sozusagen Teil der, nennen wir es mal, ersten kapitalistischen Welt werden wollen und damit – das ist ein Volk, das in sehr großer Armut lebt – natürlich auch glauben, jetzt an den Reichtümern des Globus teilhaben zu können. Gleichwohl: In Israel gelten die Igbo nicht als verlorener Stamm und jeder Igbo, der nach Israel kommt, müsste theoretisch ganz normal konvertieren, auch wenn sie sich selber immer schon als Juden begriffen haben.

    Schmitz: …, erklärt Hannes Sulzenbacher, Kurator der Ausstellung "Treten Sie ein! Treten Sie aus!", zu sehen im Jüdischen Museum in Frankfurt.