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Der Umbau des Stuttgarter Schauspielhauses

Zwölf Monate sollte die Renovierung des Stuttgarter Schauspielhauses dauern, am Ende waren es 37. Das lag unter anderem daran, dass die Drehbühne nicht funktionierte und die Zuschauer nicht ausreichend Beinfreiheit hatten. Immerhin litt die Qualität der Aufführungen nicht darunter.

Von Michael Brandt | 07.08.2013
    Noch sind die Handwerker zu Gange im Stuttgarter Schauspiel, aber sie arbeiten an den letzten Feinheiten.

    "Also man sieht jetzt hier die leere Bühne, wo jetzt gerade die Kollegen der Firma BBH die entsprechenden Programmierungen vornehmen. Wir sind jetzt gerade dabei, einen Seitenzug der Obermaschinerie einzustellen."

    Zwölf Monate sollte die Renovierung des Hauses dauern, am Ende waren es 37, eine beispiellose Geschichte, die von schlechtem Management, unfähigen Mitarbeitern und katastrophaler Kommunikation erzählt, so Marc-Oliver Hendriks, der geschäftsführende Intendant des Staatstheater Stuttgart im Rückblick:

    "Für mich war das Verstörende die Wahrnehmung, dass bestimmte Ereignisse oder Verzögerungen auf der Baustelle, die sachlich-fachlich wahrnehmbar waren, die aber vielleicht nicht sein durften, keine Umsetzung in die politische Wahrnehmung gefunden haben."

    Zum Beispiel die Drehbühne, die auch nach zwei Jahren Renovierung einfach nicht funktionierte, zum Beispiel die Bestuhlung, wie sich der scheidende Schauspiel-Intendant Hasko Weber erinnert:

    "Die Bestuhlung war eines der großen Signale, dass auf der Baustelle etwas nicht in die richtige Richtung läuft, weil zu erkennen war, dass im Zusammenhang mit den alten Stufenmaßen und den neuen Stühlen die Fußfreiheit für die Zuschauer zu eng war."

    Für Hasko Webers Intendanz war die immer wieder verschleppte Renovierung eine schwere Belastung, auch wenn alles eigentlich ganz gut angefangen hatte. Der Intendant und sein Ensemble zogen während der Spielzeit 2010/2011 in die Räumlichkeiten eines ehemaligen Autohauses in der Stuttgarter Türlenstraße um, und machten dort gutes Theater, und begeisterten das Publikum immer wieder:

    "Das was die Kompanie hier macht, ist ja einmalig, man merkt ja gar nicht, dass hier irgendwelche Improvisationen nötig waren"

    "Wir als Publikum haben unter dem Provisorium nicht gelitten."

    Erst mit erheblicher Verspätung kehrte das Ensemble dann im Frühjahr 2012 in sein Mutterhaus zurück, allerdings nur, um nach wenigen Vorstellungen festzustellen, dass Theaterspielen so unmöglich war, und um zum Ende der Spielzeit in ein neues Provisorium, die Probenbühne der Oper im Stuttgarter Norden, umzuziehen.

    Konnte an die Sanierung und das Spiel im Ausweichquartier bis dahin noch als künstlerisches Abenteuer sehen, so wurde sie spätestens jetzt für alle Beteiligten zur Zumutung für alle Beteiligten, so Marc-Oliver Hendriks

    "Gerade eingezogen mit dem gesamten Apparat: Maske, Garderobe, Bühnentechnik, Beleuchtung, Ton, alles was dazugehört; das alles wieder ab zustöpseln, hier wieder raus zu ziehen, sich in den Sommerferien nicht zu erholen, sondern in den Sommerferien wieder umzuziehen, ich glaube, das sind die großen Belastungen gewesen."

    Die große Belastung schließlich für Hasko Weber: Dass er nun bis zum Ende der Bilanz nicht ins Mutterhaus zurückkehren konnte. Aber auch wenn das zweite Provisorium an den Nerven zerrte, die künstlerische Qualität litt nach einhelliger Auffassung nicht. Im Gegenteil: Jüngst haben die Kritiker der Deutschen Bühne Hasko Weber für sein sozial engagiertes Theater in Stuttgart ausdrücklich gelobt. Kulturministerin Theresia Bauer:

    "Ich hoffe eigentlich am Ende, dass kein Schaden bleibt. In der Tat für Hasko Weber und sein Ensemble war das hart und das waren viele Zumutungen, die sie auszuhalten hatten. Aber ich finde, dass sie es über weite Teile hervorragend gemeistert haben. Denn die hatten ja in ihren Ersatzspielstätten auch einen enormen Erfolg, viel Zuspruch vom Publikum und ich finde, die haben auch in ihren Ersatzspielstätten Hervorragendes auf die Beine gestellt."

    Im Oktober wird also der neue Intendant Armin Petras das nun offenbar tatsächlich funktionsfähige Schauspiel eröffnen - nach 37 statt 12 Monaten, nach Kosten in Höhe von 28,5 statt 24 Millionen, und nachdem die Staatliche Hochbauverwaltung, die zumindest für einen Teil des Debakels die Verantwortung trägt einen neuen Leiter hat. Und das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer für die nächste Baustelle, die ansteht, die Renovierung des Opernhauses. Marc Oliver Hendriks:

    "Das Stichwort lautet Menetekel. Was wir mit dem Schauspiel erlebt haben und was am Ende die letzten Stufen des Schreckens in voller Ausprägung erfahren hat, muss für alle Beteiligten eine Warnung sein, dieses Debakel sich nicht wiederholen zu lassen."