Christian Streich, Marco Rose, Uli Hoeneß - sie alle haben sich in den vergangenen Wochen klar gegen Rechts positioniert und Stellung gegen die AfD bezogen. Und sie waren nicht die einzigen Protagonisten aus der Fußball-Bundesliga. Freiburgs-Trainer Christian Streich fand deutliche Worte:
Es ist fünf Minuten vor zwölf. Es soll keiner rumjammern hinterher, wenn er von einer autoritären, rechtsnationalistischen Gruppierung regiert wird.
Christian Streich, Trainer des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg
Der Freiburger Trainer nannte die AfD "eine rechtsnationale Partei" und rief die Menschen dazu auf, sich an den bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu beteiligen. "Es kann mir keiner kommen und sich als Protestwähler bezeichnen", sagte der 58-Jährige: "Ich lebe seit 58 Jahren als freier Mensch in einer Demokratie. Dafür bin ich unendlich dankbar. Was da für ein Vokabular verwendet wird, ist unglaublich." Auch Marco Rose, Trainer beim Fußball-Bundesligisten RB Leipzig, und Bayern-Aufsichtsratsmitglied Uli Hoeneß waren klar in ihren Aussagen.
Hintergrund ist ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam, an denen Mitglieder der AfD, CDU und der Identitären Bewegung teilgenommen haben. Dabei wurde von Teilnehmern über die Ausweisungn von Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen. Das Medienhaus Correctiv hatte das Treffen öffentlich gemacht.
Gegen diese Ideen sind zuletzt Hunderttausende Menschen in großen Städten wie Hamburg, Köln oder München auf die Straße gegangen. Darüber hinaus demonstrierten in kleineren Städten wie Cottbus, Döbeln und Strausberg Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus und die AfD. Auch Sportverbände und Vereine beteiligen sich an den Aufrufen zu den Protesten.
Fairness, Toleranz, Schutz von Minderheiten
"Ich finde ich es schon sehr, sehr wichtig, dass sich Sportvereine auch positionieren und da auch klare Grenzen ziehen", sagt Maja Wallstein. Für die SPD-Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Cottbus, Spree, Neiße zählen der Sport, die Vereine und die aktiven Ehrenamtler zu einer wichtigen Säule der Demokratie. In jedem Verein werde automatisch Demokratie gelebt, es gebe eine Satzung, Mitgliederversammlungen und viele Themen würden auf demokratische Weise diskutiert, betont Wallstein. Es sei wichtig, dass Vereine sich für bestimmte Werte starkmachen.
Fußball-Vereine zeigen früh Position
Das taten vor allem viele Bundesliga-Vereine. Werder Bremen, der VfL Bochum, der 1. FSV Mainz 05, der 1. FC Köln, Hannover 96 und der FC St. Pauli setzten sich schon früh für die demokratischen Grundwerte sowie gegen Rechtsextremismus ein und riefen ihre Anhänger auf, an den Demonstrationen gegen Rechts teilzunehmen. Anders dagegen der Deutsche Handball-Bund - bis zum Halbfinal-Aus des deutschen Teams in dieser Woche gab es trotz der Heim-EM keine klare Aussage zu hören.
"Ich kann sagen, dass mich jede Äußerung aus dem Sport freut, weil ich mir das viele Jahre in der Vergangenheit erhofft habe. Aber es wird auch immer deutlicher, dass sich da niemand rausnehmen kann, der, wie der Sport auch, von einer demokratischen Gesellschaft profitiert", sagt Maja Wallstein, die selbst Fußball-Schiedsrichterin und großer Fan von Energie Cottbus ist. Die Klarheit der einzelnen Vereine brauche es flächendeckend.
Sollten Sportvereine unpolitisch sein?
Doch wo liegt die Grenze zwischen parteipolitischer und gesellschaftlicher Neutralität? "Eine parteipolitische Neutralität verbietet dem Sport, sich explizit und ausschließlich gegen eine Partei oder für eine Partei auszusprechen oder gegen sie zu stellen. Es entlässt den Sport aber nicht aus einer gesellschaftspolitischen Verantwortung", betont Angelika Ribler. Die Diplom-Psychologin ist Referatsleiterin Jugend und Sportpolitik der Sportjugend Hessen, wo sie Vereine im Umgang mit Rechtsextremismus berät.
Rechtsgutachten: Sportvereine dürfen sich zu aktuellen Themen verhalten
Die Klärung der Grenzen, die nicht die Gemeinnützigkeit der Vereine infrage stellt, ist nach Angaben von Angelika Ribler durch ein Rechtsgutachten von der Deutschen Sportjugend zur politischen Neutralität des Sports geklärt worden.
"Da steht eindeutig drin, dass der Sport sich als eingetragener Verein, also überhaupt Vereine, zu aktuellen politischen Themen, gesellschaftspolitischen Themen auf jeden Fall verhalten dürfen - und auch soll", betont sie.
Derzeit gebe es auch von Sportvereinen und von prominenten Sportler und Sportlerinnen ein großes Bedürfnis, sich Bündnissen anzuschließen sowie zu Demos und Kundgebung aufzurufen. "Und da würde ich jetzt im Moment keinem Sportverein sagen, nehmt daran nicht teil, weil da auch gegen die AfD aufgerufen wird", betont Ribler. Es sei aber wichtiger, sich inhaltlich zu positionieren als gegen die Partei auszusprechen.
Es geht um die Glaubwürdigkeit und Integrität des Sports
Auch in Thüringen gehen die Menschen auf die Straße gegen Rechts. Das Bundesland wählt am 1. September einen neuen Landtag. Laut Umfragen ist die AfD, die dort vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, stärkste Kraft. Inmitten dieses Umfelds arbeitet Thomas Zirkel als Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Thüringen.
Er begrüßt es, dass sich in Thüringen "zivilgesellschaftlich jetzt Leute positionieren und auch zeigen, dass es 70 Prozent der Menschen in Thüringen gibt, die auch deutlich anderer Meinung sind". Am Ende gehe es um die Glaubwürdigkeit und Integrität des Sports, sagt Zirkel.
"Die Wahrnehmung, die Sensibilität für dieses Thema insbesondere in den letzten Wochen oder Monaten hat sich noch mal deutlich verändert. Es geht um Glaubwürdigkeit, eben nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln, die Dinge auch umzusetzen." Ohne das Ehrenamt ist gerade in Sportvereinen vieles nicht denkbar. Thomas Zirkel überrascht es deshalb nicht, dass gerade die Ehrenamtler in Vereinen, aber Sportfunktionäre sich deutlich positionieren - auch über das Bündnis Weltoffenes Thüringen. Vielen von ihnen kämen aus Erfurt, Weimar oder Jena.
Gefälle zwischen Stadt und Land
Der Hauptgeschäftsführer des Landessportbundes Thüringens nimmt allerdings ein deutliches Stadt-Land-Gefälle wahr: "Wir müssen als Organisation überlegen: Wie stärken wir diejenigen vor Ort, die genau das in den Vereinen zum Thema machen, dort auch Haltung zeigen, sozusagen auch in die Auseinandersetzung gehen? Die können wir als Dachverband auch unterstützen. Dafür haben wir entsprechende Beratungsangebote."
Zudem brauche es einen Schulterschluss diverser gesellschaftspolitischer Organisationen. Die Feuerwehr sei in Thüringen beispielsweise genauso betroffen. Der Landessportbund stimme sich daher mit anderen Organisationen ab, um gemeinschaftlich eine breite Unterstützung zu geben.
Vereine als Ort des Zusammenkommens und nicht der Ausgrenzung
Das, was gerade von der AfD und anderen rechten Gruppierungen diskutiert wird, hat nach Angaben von Angelika Ribler Auswirkungen auf bestimmte Personen in Sportvereinen, die aus Sicht der AfD nicht dazugehören. Häufig werde "auf Täter, auf Menschen, die etwas sagen, das nicht in Ordnung ist", geschaut, und das müsse auch sein.
Aber, so Ribler: "Es muss auch noch mal deutlich herausgestellt werden: Welche Gefühle, welche Ängste werden zurzeit ausgelöst, wenn ich als Person, wie man so schön sagt, jetzt migrantisch gekennzeichnet werde, obwohl ich vielleicht in Thüringen oder in Brandenburg oder in Hessen geboren bin, aber aus der Sicht von Menschen eigentlich nicht dazugehören darf. Das spaltet Vereine."
Die Menschen in Vereinen müssten klar sagen, wofür sie sind, aber auch ihre Grenzen klar definieren. "Das heißt, wir geben den Werten einen politischen Raum. Wir verknüpfen sie mit den Menschen- und mit den Kinderrechten. Und dann können wir genau ableiten, wann ist ein vereinsschädigendes Verhalten angezeigt. Und dann geben wir auch den Verein eine Möglichkeit zu entscheiden, ist diese Person - unabhängig übrigens von der Parteizugehörigkeit, weil wir machen keine Gesinnungsprüfung - tragbar für den Verein und nicht nur tragbar, sondern schädigt sie sozusagen unsere Gemeinschaft, unsere Familie des Sports ", sagt Ribler. Dann sei man auf einer Ebene, wo man sich ganz praktisch um die Minderheitsrechte kümmere.
Papier von DOSB und Deutscher Sportjugend setzt Leitplanken
DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele hatte zuvor schon im Dlf betont: "Menschen, die die Werte des Sports infrage stellen, haben im Sport keinen Platz." Ribler sieht derzeit einen Prozess bei den Vereinen, sich stärker mit diesen Werten zu beschäftigen. "Das ist das Gute am Schlechten momentan, dass man gesehen hat, wir brauchen eine klare Haltung und wir orientieren uns an den Vorgaben."
Vorgaben, die der DOSB und die Deutsche Sportjugend 2020 in einem Positionspapier herausgegeben haben. Darin werde eine klare Haltung für eine offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft vertreten, so Ribler. "Es gibt klare Leitplanken und somit können wir die Vereine stark unterstützen und bestärken. Wir sind sehr gut aufgestellt durch die Satzung und ermutigen die Menschen zurzeit stark teilzunehmen. Wir müssen hier auch gar nicht viel tun, weil die rufen tatsächlich an und fragen."
Holocaust-Gedenktag - erinnern an die Befreiung von Auschwitz
Am 27. Januar, dem Holocaust-Gedenktag, erinnert auch der Sport an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz 1945. Anlässlich des Gedenktags warnten Vertreter aus Politik, Verbänden und Kirche vor rechtem Hass und Hetze. Durch die Correctiv-Recherche, sagt Ribler, sei noch mal klar geworden, "in welche Untiefen, auch nationalistische, völkische Untiefen, Teile der AfD, aber auch Teile der Werteunion und so weiter abgetaucht seien". Der Satz 'Nie wieder ist jetzt' bekomme eine ganz andere Aufladung. "Es geht im Moment schon eine Stärkung von dieser Haltung durchs Land", sagt Ribler.
Für Demokratie einstehen und ein Zeichen setzen
Nichtsdestotrotz dürfe man sich nichts vormachen, sagt die SPD-Politikerin Maja Wallstein. Demokratie müsse man in dem Sinne leben, dass man es zum Thema macht und nicht immer nur reagiere. "Demokratie, für die wir einstehen und für die öffentlich auch der Sport einstehen muss, ist anstrengend. Sie ist auch frustrierend und macht nicht alle in allen Bereichen und zu jederzeit glücklich", sagt Wallstein. Dennoch ist sie sicher: Die Mehrheit wird von einer Demokratie sehr viel mehr profitieren als von einer anderen politischen Form. Und deshalb müsste auch ein Verein ganz klare Zeichen setzen.