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Der Vater des Bären Pu

Er war der Schöpfer des weltberühmten "Bären von geringem Verstand". Vor 50 Jahren starb der Schriftsteller Alan Alexander Milne, der einen ganz gewöhnlichen Stoffbären zum literarischen Helden Winnie-der-Pu machte. Schon im Jahr des Erscheinens ging der erste Band von "Pu der Bär" eine Million Mal über den Ladentisch.

Von Maike Albath |
    "Hier kommt nun Eduard Bär die Treppe herunter, rumpeldipumpel, auf dem Hinterkopf, hinter Christopher Robin. Es ist dies, soweit er weiß, die einzige Art treppab zu gehen, aber manchmal hat er das Gefühl, als gäbe es in Wirklichkeit noch eine andere Art... Jedenfalls ist er jetzt unten angekommen und bereit, dir vorgestellt zu werden. Winnie-der-Pu."

    Da ist er also, der berühmteste Bär der Welt, pardon: der Kinderliteratur. Er heißt Pu der Bär oder Winnie der Pu oder einfach nur Pu, ist ein wenig einfältig, äußerst verfressen, aber sehr, sehr nett. Und immer unternehmungslustig, vor allem, wenn ein oder zwei Mund voll Honig dabei herausspringen könnten. Eigentlich handelt es sich bei Pu um ein ganz gewöhnliches Stofftier, das Christopher Robin gehört. Dass sein Teddy Pu der Bär genannt wird und jede Menge Abenteuer erlebt, war die Idee seines Vaters, des Schriftstellers Alan Alexander Milne.

    "'Wie wär’s mit einer Geschichte?', sagte Christopher Robin. 'Ja, wie wär’s mit einer Geschichte?', sagte ich. 'Könntest du bitte so lieb und nett sein, Winnie-dem-Pu eine zu erzählen?'"

    1926 veröffentlicht Milne den ersten Band von "Pu der Bär", in dem Pu allerlei Merkwürdigkeiten widerfahren, zum Beispiel als er den Kopf in einen Kaninchenbau steckt.

    "'Könnten Sie mir liebenswürdigerweise sagen, wo Kaninchen ist?' 'Kaninchen besucht gerade seinen Freund Pu Bär, mit dem es sehr befreundet ist.' 'Aber das bin ich doch', sagte Bär überaus erstaunt. 'Welche Sorte von Ich?' 'Pu Bär.' 'Bist du sicher?', fragte Kaninchen noch erstaunter. 'Ganz, ganz sicher', sagte Pu. 'Na, dann komm doch einfach rein.'"

    Mit seinen Nonsens-Dialogen, den kuriosen Reimen und spitzbübischen Kommentaren, für die deutsche Fassung allesamt von Harry Rowohlt großartig nachgedichtet, trifft Milne den Nerv der Zeit: endlich einmal ein Kinderbuch ohne anstrengendes Moralisieren und Besserwisserei. "Pu der Bär" ist eine Sensation. Überall in der Welt kommen Übersetzungen heraus, der echte Christopher Robin darf Schallplatten besingen, und seinem erfinderischen Vater werden Werbeverträge für Unterwäsche und Seife angeboten, was dieser standfest ablehnt.

    Der große Erfolg wird für Milne schon bald zum Fluch, denn eigentlich will er als Dramatiker und Schriftsteller ernst genommen werden und nicht als Schöpfer eines "Bären von geringem Verstand" in die Literaturgeschichte eingehen. 1882 in London geboren, hatte Milne in Cambridge Mathematik studiert und dann auf Journalismus umgesattelt. Er wurde Redakteur bei der Satirezeitschrift "Punch" und avancierte zu einem beliebten Verfasser kurzweiliger Bühnenstücke. Witzgedichte waren seine Spezialität, weshalb man ihn zur Mitarbeit bei einer Kinderzeitschrift einlud. Milne verfasste ein paar Lyrikserien, und als 1920 sein Sohn Christopher Robin geboren wurde, ließ er sich von dessen ersten Sprechversuchen inspirieren, bis ihm während eines verregneten Sommers in Wales die Idee für die schrulligen Bären-Geschichten kam. Dem erwachsenen Christopher Robin ist sein alter ego bald lästig.

    "Ich hatte das Gefühl, dass mein Vater dahin gekommen war, wo er war, indem er auf meine kindlichen Schultern kletterte, dass er mir meinen guten Namen gestohlen hatte und mich mit nichts als dem leeren Ruhm, sein Sohn zu sein, zurückließ."

    Milne senior sieht die Sache natürlich anders, er sei ein Gentleman mit einer Schwäche für Golf, Gartenarbeit und – ähnlich wie Pu – Honigbrote und habe niemals böse Absichten verfolgt. Dass er vor allem am Schreibtisch saß und die Erziehung seines Sohnes diversen Kindermädchen überließ, war damals schließlich gang und gäbe. Für alle, denen der am 31. Januar 1956 verstorbene Alan Alexander Milne als Vater erspart blieb, war dessen Fleiß ein Glücksfall. Denn was täten wir ohne Pu?

    "Oh, wie wohl wär mir am Morgen
    Mit Ruh,
    Oh, wie wohl ist mir am Morgen
    Als Pu.
    Denn es ist mir wurschtegal,
    Falls ich nicht fett werd wie ein Aal
    (und ich nehme nicht zu)
    Was ich tu."