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Der Wal-Verwandtschaft auf der Spur

Paläontologie. - Dass die Wale Säugetiere sind und deshalb irgendwann von Land zurück ins Wasser gegangen sein müssen, das wurde schon zu Darwins Zeiten diskutiert. Man wusste aber nicht, wie das abgelaufen sein sollte. Also fahnden die Biologen seitdem nach Verbindungsgliedern zwischen Walen und Landsäugetieren. Nun glauben amerikanische Paläontologen, die Geschichte eines Meergangs erzählen zu können.

Von Dagmar Röhrlich |
    Es sieht schon etwas bizarr aus, das Bindeglied zwischen Walen und Säugetieren: wie ein fuchsgroßer Hirsch ohne Geweih, dafür aber mit einem langen Schwanz. Indohyus - so heißt das Tier - lebte in Indien - so wie auch viele der frühen Wale:

    " Die frühen Wale finden wir in Indien und Pakistan, weshalb viele Paläontologen glauben, dass die Wale dort entstanden sind. In den vergangenen 15 Jahren haben wir zahlreiche Fossilien gefunden, die zeigen, dass die ersten echten Wale noch am ehesten Krokodilen oder Ottern glichen. Im Lauf der Evolution wurden die Hinterbeine dann kleiner und kleiner und die Vorderbeine bekamen mehr und mehr Paddelform. Aber bis Entdeckung von Indohyus hatten wir nur Fossilien von frühen Walen, die Bindeglieder zu den Landbewohnern fehlten. Mit Indohyus wissen wir nun, wie die Ahnen der Wale ausgesehen haben, bevor sie Wale wurden, "

    erklärt Hans Thewissen von den Northeastern Ohio University in Rootstown. Bereits vor einigen Jahren hatten Genetiker die Wal-DNA analysiert und herausgefunden, dass die Meeressäuger mit den Paarhufern verwandt sind - also mit Nilpferd und Giraffe, mit Schwein und Schaf, mit Ziege und Kuh.

    " Den Genetikern zufolge sind die Nilpferde wohl am nächsten mit den Wale verwandt. Aber die Paläontologen konnten das nie bestätigen, denn die ältesten Nilpferdfossilien sind 15 Millionen Jahre alt und stammen aus Afrika, während es die Wale auf 50 Millionen Jahre bringen und in Asien entstanden. Da klafft also eine große Lücke. "

    Indohyus ist mit 48 Millionen Jahren etwas zu jung, um der Stammvater aller Wale zu sein. Aber es gibt etliche Merkmale, die verraten, dass er ihr nächster Verwandter ist:

    " Am Schädel des Tiers finden wir Schlüsselmerkmale, die wir auch von fossilen Walen her kennen, das gilt ebenfalls für den Bau des Ohrs. Als wir die Knochen des Tiers untersuchten, erlebten wir eine weitere Überraschung. Denn die äußere Knochenschicht ist bereits verdickt, das Skelett des Tiers war also sehr schwer. So etwas kennen wir normalerweise nur von Nilpferden und anderen Lebewesen, die im Wasser waten. Mit leichteren Knochenwürden sie nämlich aufschwimmen. "

    Nicht nur die Knochen, sondern auch die chemische Zusammensetzung der Zähne beweist, dass sich Indohyus zumindest die meiste Zeit seines Lebens im Wasser verbrachte und höchstens hin und wieder an Land anzutreffen war. Und sie verraten noch etwas anderes:

    " Die Zähne der ältesten Wale legen nahe, dass sie entweder Fleisch oder Fisch fraßen. Hingegen zeigen die Zähne von Indohyus, dass er sich an eine vegetarische Diät hielt oder Allesfresser war. Wie sich die Ernährung während der Evolution verändert hat, das werde ich wohl als nächstes untersuchen. "

    Fürs erste präsentiert Hans Thewissen aber schon einmal eine Theorie dazu, warum sich die Ahnen aller Wale überhaupt ins Wasser zurückgezogen haben. Denn Indohyus ähnelt dem afrikanischen Hirschferkel, einem sehr urtümlichen Wiederkäuer, der gerade einmal hasengroß ist. Bei Gefahr flieht das Hirschferkel ins Wasser:

    " Wir glauben, dass auch die Urahnen der Wale ursprünglich das Wasser als Zufluchtsort genutzt haben. Sie könnten dann - wie das Hirschferkel - unter Wasser getaucht geflohen sein, um Räubern zu entkommen. Dieses Verhalten könnte unserer Meinung nach auch in der Wal-Linie aufgekommen sein. "

    Wenn das stimmt, dann hätten die heute so riesigen Wale damals also ganz klein angefangen - sozusagen auf der Flucht.