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Der Wandel im polnisch-amerikanischen Verhältnis

Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September fragen wir in "Europa heute" nach den Auswirkungen der Terroranschläge auf die transatlantischen Beziehungen. Wir beginnen mit Polen, einem Land, das sich in langer Tradition als Verbündeter Amerikas verstand.

Von Ludger Kazmierczak |
    Ihre Liebe zu den damals noch nicht Vereinigten Staaten von Amerika entdeckten die Polen zu einer Zeit, als Preußen, Russen und Habsburger das ehemalige Königreich unter sich aufgeteilt hatten. Hunderttausende Polen wanderten im 18. Jahrhundert nach Amerika aus, viele von ihnen unterstützten General George Washington im Kampf gegen die britische Kolonialmacht. Die polnisch-amerikanische Freundschaft hat eine lange Tradition. Und die meisten Polen, wie dieser Passant in der Warschauer Altstadt, sind sich der historischen Bande sehr wohl bewusst.

    "Ich halte viel von Amerika. Dabei denke ich vor allem an die frühen 80er-Jahre und das Kriegsrecht, eine schreckliche Zeit für Polen. Damals gab es die Hoffnung, dass es wenigstens eine Macht gibt, die uns schützen kann. Das war Amerika. Ich mag den Kommunismus nicht, und schon deshalb, weil Amerika den Kommunismus bekämpft hat, kann ich 'Danke' sagen."

    Ihren Dank haben Polens Politiker immer wieder zum Ausdruck gebracht. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 konnte US-Präsident George W. Bush auf die Unterstützung Polens zählen – sowohl beim Kampf gegen den Terror in Afghanistan als auch während des Irakkrieges. Dieser Militäreinsatz markiert nach Auffassung des Amerikaexperten Slawomir Dabrowski eine Wende in den polnisch-amerikanischen Beziehungen.

    "Unser Irak-Engagement hat nicht zu der vertieften Zusammenarbeit geführt, die viele Politiker in Aussicht gestellt hatten. Weder wirtschaftlich noch praktisch haben wir davon profitiert. Seit 2004 hat sich die Situation verändert, weil sich die Polen in der EU frei bewegen und in vielen Ländern arbeiten können. Das beeinflusst die allgemeine Einstellung gegenüber den Vereinigten Staaten."

    Politisch sind die Polen in den vergangenen zehn Jahren zu oft von den USA enttäuscht worden. Dem von George W. Bush versprochenen Raketenschild erteilte dessen Nachfolger Barack Obama eine Absage. Und als Regierungschefs aus aller Welt vor zwei Jahren in Danzig an den 70. Jahrestag des Kriegsbeginns erinnerten, glänzte der US-Präsident durch Abwesenheit. Viele Polen hat das verärgert, aber nur kurzzeitig, meint der frühere Diplomat und heutige Leiter des Zentrums für Internationale Beziehungen Janusz Reiter. Amerika sei einfach nicht mehr so wichtig für Polen.

    "Amerika war so wichtig, weil Amerika der unentbehrliche Partner in der Sicherheitspolitik war. Sicherheitspolitik ist heute nicht mehr die absolute Priorität, und deshalb ist auch die sicherheitspolitische Partnerschaft mit Amerika nicht mehr absolute Priorität. Diese Rolle wurde relativiert, weil sich das Land sicherer fühlt. Dazu hat beigetragen der EU-Beitritt, aber eben auch das neue Verhältnis zu Russland."

    Anders als sein Vorgänger Jaroslaw Kaczynski sucht Premier Donald Tusk den Dialog mit Moskau. Noch immer sind die Beziehungen schwierig, aber die Eiszeit ist vorbei. Die Polen haben ein Selbstbewusstsein entwickelt, das dazu beiträgt, alte Komplexe abzulegen und alte Partnerschaften nüchterner zu betrachten. Umgekehrt, so Reiter, sei auch den Amerikanern bewusst, dass sie die Polen nicht mehr so brauchen wie in früheren Jahrzehnten.

    "Die Amerikaner erwarten nicht zu viel von Polen. Polen ist heute kein Brückenkopf Amerikas in Europa. Polen liegt auch nicht in einer Region, die von irgendjemandem militärisch bedroht wird. Und genau so eben sieht Polen sich selbst. Das bedeutet: Hier herrscht eine größere Gelassenheit."

    Dass Barack Obama während seiner Europatour im Mai einen Abstecher nach Warschau machte, hat die Polen gefreut. Mehr auch nicht. Sein Besuch wurde zur Kenntnis genommen, aber nicht übertrieben gefeiert. Eine solche Gelassenheit, so Janusz Reiter, kann den polnisch-amerikanischen Beziehungen nur gut tun.

    "Dieses Land hat eine lange Tradition von Sympathie für Amerika und von engen Verbindungen mit Amerika. Solches Kapital kann nicht verspielt werden innerhalb von ein paar Jahren. Nur, das Kapital wird heute nicht mehr vermehrt."

    Sammelportal 9/11 - Zehn Jahre danach