Der Ruf des Rotmilans. Dieser Greifvogel ist nur noch in Europa heimisch. Experten schätzen den Bestand auf 25.000 Paare. Mehr als die Hälfte davon brüten in Deutschland. Doch auch hierzulande ist der Rotmilan gefährdet, sagt Heinz Kowalski vom NABU, dem Naturschutzbund Deutschland. "Die werden also in Windkraftanlagen immer wieder zerschreddert, weil sie da reinfliegen und getötet werden, dann stellt sich für uns die Frage, welche Verluste an Biodiversität entstehen da? Und die zweite Frage ist dann, wie kriegen wir die Politik soweit, dass es also Entschädigungsregelungen gibt."
Im Bundesnaturschutzgesetz sei zwar verankert, dass die Natur einen Wert an sich habe. Doch das Artensterben gehe ungebremst weiter, kritisiert Kowalski. Der NABU setze deshalb nun auf die Sprache, die Politik und Wirtschaft verstehen: aufs Geld. Der Verband will dem Rotmilan und anderen Vogelarten ein Preisschild umhängen. Der Wert der Vögel ergebe sich unter anderem aus ihrer Leistung für das Ökosystem. "Bei Greifvögeln ist zum Beispiel, dass sie also für Hygiene in der Landschaft sorgen, also tote Tiere beispielsweise, überfahrene Igel oder so, dann aufnehmen und Seuchen oder ähnliche Dinge verhindern, aber das zu beziffern ist ausgesprochen schwierig. "
Der NABU arbeitet auch mit der Methode der Zahlungsbereitschaftsanalyse. Verbandsmitglieder wurden befragt, was sie bereit wären, für den Rotmilan zu bezahlen. "Das ging bis zu einer Million, aber hat sich so eingependelt um 10.000, 11.000, 12.000 Euro."
Und wenn das Preisschild des Milans kleiner ist als das des Bauprojektes?
Christoph Schröter-Schlaack ist Ökonom am Helmholtzzentrum für Umweltforschung in Leipzig. Er koordiniert die Studie "Naturkapital Deutschland". Diese soll erfassen und bewerten, welche natürlichen Leistungen etwa Wälder, Gewässer, Auen oder Äcker für den Menschen erbringen. Die Berechnungen sollen beweisen, dass es Wirtschaft und Gesellschaft nützt, naturverträglich und erhaltend mit der Umwelt umzugehen. Schröter-Schlaack hält aber nichts davon, einzelne Arten zu bewerten. "Weil so ein Preisschild sehr beliebig ist. Das ist nicht wirklich gut ökonomisch oder überhaupt wissenschaftlich zu begründen. Die Freude an einem Spaziergang im Grünen oder eben auch die Möglichkeit, seltene Vögel zu beobachten, das ist für viele Menschen sehr, sehr schwierig, das mit einer Zahlungsbereitschaft zu hinterlegen. Und es ist für uns ne große Herausforderung, immer klarzumachen, was wir eben ganz einfach methodisch mit so einem Ansatz nicht erfassen können."
Burkhard Schweppe-Kraft vom Bundesamt für Naturschutz in Bonn teilt zwar die Bedenken, würde das Anliegen des NABU aber trotzdem unterstützen. Denn die Mitgliedsstaaten der EU sollen bis 2020 ihre Ökosysteme kartieren, deren Leistungen bewerten und in umweltökonomischen Gesamtrechnungen ausweisen. Das erfordere ein Umdenken. "In der gesellschaftlichen Diskussion zählt natürlich viel mehr so etwas wie der Rotmilan oder der Storch oder der Adler. Wenn wir für diese Arten tatsächlich Werte beziffern könnten, sind die vielleicht in der Diskussion wesentlich wichtiger dann letztlich, als pro Extensivacker kommen wir auf einen Wert von 1000 Euro pro Hektar et cetera. Vielleicht ist die Argumentation über die Arten wesentlich wirksamer. Aber wir brauchen da noch 'ne gewisse Zeit, um da hinzukommen."
Der Biologe und Philosoph Thomas Potthast vom Ethikzentrum der Uni Tübingen hat jedoch einen grundsätzlichen Einwand. "Oftmals zählen im politischen Diskurs ausschließlich die finanziellen Argumente. Und wenn dann das Preisschild des Milans kleiner ist als das Preisschild des Bauprojektes, dann ist man geneigt, das Bauprojekt durchzuführen, weil das vielleicht mehr Gewinn verspricht."
Den Preis von Natur in Euro und Cent zu kennen, garantiert also noch lange nicht den pfleglichen Umgang mit ihr.