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Der Zauber der Wirklichkeit

Für vieles, was in der Natur geschieht, hatten unsere Vorfahren keine Erklärung. Sie erdachten deshalb allerlei kreative und unterhaltsame Geschichten. Bis heute prägen sie als Mythen die Vorstellungswelt vieler Menschen. Richard Dawkins stellt den Überlieferungen verschiedener Kulturen die Antworten der Wissenschaft gegenüber.

Rezension: Michael Lange |
    Der Welterklärer Dawkins will deutlich machen, dass die naturwissenschaftliche Wirklichkeit die Welt nicht entzaubert, sondern ihr einen neuen, "wahren" Zauber verleiht. In einem abwechslungsreich illustrierten, sehr einfach geschriebenen Jugendbuch vermittelt er anschaulich und kompetent den aktuellen Wissensstand über Urknall, Aufbau der Materie sowie die Entstehung und Evolution der Arten. Außerdem widmet er sich typischen Kinder- und Alltagsfragen, die die meisten Wissenschaftler links liegen lassen, wie: "Warum geschehen schlimme Dinge?" oder "Was ist ein Wunder".

    Dawkins versucht die neuen Erzählungen über die Herkunft der Welt ebenso einfach und unterhaltsam zu gestalten wie ihre mythischen Vorgänger. So nimmt er seine Leser mit in eine Zeitmaschine. Bei einer Reise in die Vergangenheit steigt aus jeder Menschengeneration eine Person zu: Vater, Großvater, Urgroßvater, Ururgroßvater und so weiter. Bereits unser 400x. Urgroßvater lebte als Jäger in der Steinzeit. Er war in einer völlig anderen Kultur zu Hause als wir, sah aber genauso aus wie wir Menschen von heute.

    Dann werden die Schritte größer, und die Zeitmaschine reist immer schneller in die Vergangenheit. Unseren 250.000x. Urgroßvater würden wir heute schon nicht mehr als Artgenossen akzeptieren. Vieles an ihm erinnert eher an einen Affen. Dann wird die Zeitmaschine noch schneller. Unser 7.000.000x. Urgroßvater hat nichts Menschliches mehr an sich. Er lebte vor 63 Millionen Jahren, kurz nach dem Aussterben der Dinosaurier. Sein Aussehen erinnert eher an Lemuren oder Buschbabys. Dennoch ist er ebenso unser Urahn wie der Steinzeitmensch.

    Die beißende Polemik aus Dawkins letztem Buch, der Streitschrift "der Gotteswahn", fehlt in diesem Buch. Dennoch kann sich der überzeugte Atheist die eine oder andere spöttische Bemerkung über verschiedene Mythen nicht verkneifen. Leider fehlt ihm der Respekt vor den Überzeugungen unserer Vorfahren, die bis in unsere Zeit wirken und unsere Kultur prägen. Ansonsten ist dieses Jugendbuch nicht nur für Schlauberger ab zehn rundum empfehlenswert, auch und vielleicht gerade für Erwachsene. Es bietet allen, die sonst wenig oder nichts mit Naturwissenschaft am Hut haben, die Chance, veraltetes Schulwissen zu entstauben.

    Richard Dawkins: Der Zauber der Wirklichkeit. Die faszinierende Wahrheit hinter den Rätseln der Natur
    Illustrationen: Dave McKean
    ISBN: 978-3-550-08850-6
    Ullstein-Verlag, 272 Seiten, 26,99 Euro