Fast muss man ab und an die Augen schließen. Der Anblick der Tausenden grün-blau gemusterten Kacheln an den Fassade der Bibi-Khanum-Moschee in Samarkand ist einfach überwältigend. Mit ihrer 41 Meter hohen Kuppel gehörte sie einst zu den größten Bauwerken der islamischen Welt.
"Diese Moschee ist auf Timurs Befehl gebaut im Jahre 1399/1404. Nach siegreichem Feldzug von Timur nach Indien aus Geld dieses Feldzuges."
Erzählt unsere Führerin Kutbija Rofiewa. Der Feldherr Timur seinerzeit vom heutigen Armenien bis Delhi unterwegs um neue Gebiete zu erobern und sein Reich zu vergrößern. Da er ständig außer Haus war, legte er die Oberaufsicht über den Bau seiner prächtigen Moschee in die Hand seiner ältesten Frau Bibi Khanum.
"Der Bau war in vollem Gange, aber plötzlich war er aufgehört. Der Grund bestand darin, dass der Hauptbaumeister der Moschee in Bibi Khanum verliebt war und wollte als Belohnung für den schnellen Bau der Moschee einen Kuss von Bibi Khanum haben."
Bibi Khanum lehnte das zunächst empört ab, sah aber nach einer Weile ein, dass die Moschee nicht rechtzeitig bis zur Rückkehr Timurs fertig werden würde. So lenkte sie schließlich ein.
"Der Baumeister küsste die Bibi Khanum, aber nach einer Legende ist ein kleiner Fleck geblieben. Und Timur sah selbst diesen Fleck und war sehr böse und wollte den Architekten von der Höhe seines Minaretts hinabstürzen. Aber plötzlich durch ein Wunder beim Baumeister wuchsen die Flügel und er flog nach Mekka."
Diese legendenumwobene Moschee ist nur eines von vielen fantastischen alten Bauwerken Samarkands. Verschwenderisch gestaltete, gewaltige Gotteshäuser, Koranschulen und Mausoleen zeugen vom einstigem Reichtum und der Herrschaft des Islam. Doch obwohl in Usbekistan viele solcher Bauwerke stehen, findet sich in dem Land kein muslimisches Leben, wie man es aus Ägypten oder der Türkei kennt. Bis 1991 gehörte das Land zur Sowjetunion. 70 Jahre russische Herrschaft und das Verbot der Religionsausübung haben ihre Spuren hinterlassen. Die meisten Frauen sind unverschleiert und der Muezzin darf auch heute noch allenfalls in Zimmerlautstärke vom Minarett zum Gebet rufen.
Nur ganz vereinzelt trifft man in den Moscheen auf Betende und selbst in den Gotteshäusern gibt es keine Kleidungsvorschriften als die, an der Schwelle die Schuhe auszuziehen.
Obwohl nur wenige Gläubige die Mausoleen und Moscheen besuchen, um darin zu beten, sind diese historischen Monumente Samarkands in einem ausgezeichnet Zustand. Die Russen erkannten ihren Wert und restaurierten sie so sorgfältig, dass man sich manchmal fragt, ob sie tatsächlich mehrere hundert Jahre alt sind.
Doch die fantastischen alten Bauwerke wirken manchmal ein wenig fehl am Platz. Oft ragt im Hintergrund ein sozialistischer Plattenbau in die Höhe oder es dröhnt der Verkehr einer vielspurigen Straße herüber. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie das Leben vor der Sowjetzeit im alten Samarkand aussah, muss man in die Altstadt gehen.
Die Gassen sind gerade breit genug für ein Auto – aber davon sieht man kaum welche. Viel wahrscheinlicher ist es, dass eine wacklige, hoch beladene Eselskarre um die Ecke biegt. Die kleinen, zweistöckigen Häuser sind weiß getüncht. Es könnten einfache Neubauten sein. Doch bei genauem Hinsehen entdeckt man hier und da verwitterte Schnitzereien an den Torbögen und Dachbalken.
"Dieses Haus wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für meine Urgroßmutter von ihrem Schwiegervater gebaut. Er handelte auf der Seidenstraße mit Waren aus Indien, Afghanistan, China, Iran und aus der Türkei. Dieses Haus wurde als Hochzeitsgeschenk für meine Urgroßmutter gebaut. Alleine an diesem Raum hier, wo Sie Ihr Abendessen einnehmen, haben 18 Künstler sechs Monate lang gearbeitet."
Asis Musaen und seine Familie laden Touristen in das altehrwürdige Haus zum Abendessen ein. Unter kunstvollen Holzschnitzarbeiten und mit feinem Pinsel aufgetragenen Malereien und arabischer Kaligrafie wird ein typisches usbekisches Gericht serviert: Plov, bestehend aus Reis und gebratenem Gemüse.
Es ist eine bunte Schar, die da zusammengekommen ist: Ein Paar aus Indien, eine Archäologin aus der Türkei, eine aus Belgien, Architekturstudenten aus den USA. Sie alle hören fasziniert zu, als Asis die Geschichte des Hauses erzählt.
"Als die Russen nach Zentralasien kamen, zwang die neue Regierung die Reichen ihre Häuser zu verlassen und meine Großeltern mussten ausziehen. Für eine Weile lebten hier Menschen von der Straße, die in diesem Raum Feuer anzündeten. Wenn sie genau hin schauen, sehen Sie, dass die Decke sehr dunkel ist vom Rauch."
Es gelang der Familie, das Haus zurück zu kaufen, doch sie hatten kein Geld für die Restaurierung des alten Händlerhauses. Es drohte zu verfallen. Um das Gebäude zu erhalten, verfiel die Familie auf die Idee, in den alten Räumen Touristen zu bewirten. Ganze acht US-Dollar kostet das Abendessen. Die Nachfrage ist groß genug um das alte Händlerhaus zu erhalten.
"Wir sind sehr dankbar dafür, dass Sie bei uns zu Abend essen, denn damit leisten Sie einen Beitrag um das Haus zu erhalten. Es ist uns inzwischen gelungen, die wichtigsten Arbeiten durchführen zu lassen, aber es sind noch weitere Renovierungen nötig. Danke dass Sie hier sind!"
Samarkand ist nur eine der vielen Stationen auf der legendären Seidenstraße. Von hier aus waren die Kamelkarawanen fünf bis sieben Tage durch die Wüste unterwegs, bis sie die nächste Stadt erreichten. Buchara. Der Zug schafft die Strecke durch die staubtrockene, steinige Ebene heute in gut fünf Stunden.
Buchara war einst eine Handelsmetropole, berühmt für ihre vielen Karawansereien – Unterkünfte, in denen die Händler mit ihren Kamelen unterkamen. Die Händler kamen aus allen teilen der damals bekannten Welt, erzählt Komil Kadirow.
"Buchara liegt im Herzen der Seidenstraße und die Händler kamen aus Westen und Osten mit Waren beladen hier her. In Buchara konnte man damals einfach alles finden. Die Russen brachten Geschirr und Textilien, die Inder Tee und Leder und aus China kam die Seide."
Gehandelt wurden all diese Schätze in den überdachten Basaren. Hier im Schatten den fest gebauten Kuppeldächern konnten die Händler trotz der erbarmungslos brennenden Sonne in relativer Kühle ihren Geschäften nachgehen. Teppichliebhabern ist die Stadt seit jeher ein Begriff: Buchara-Teppiche, gefertigt aus Kamelhaar und mit abstrakten Mustern werden auch in Europa geschätzt. Dabei stammen die Teppiche gar nicht aus dieser Stadt.
"Sie kommen aus einer Gegend Turkmenistans, die früher zum Emirat von Buchara gehörte. Aber sie heißen nun mal Buchara-Teppiche und sind weltberühmt. Die Teppiche werden von verschiedenen Stämmen hergestellt und jeder Stamm hat sein eigenes Muster.
Wer einen Teppich kaufen will, der findet bis heute die größte Auswahl Zentralasiens in Buchara. Besonders vielfältig ist das Angebot in der alten Seidenweberei Tim Abdulla Khan."
An den Wänden des Gebäudes aus dem späten 16 Jahrhundert hängen unzählige Teppiche in allen Größen und Farben, antike, leicht angefressene Stücke neben Brandneuen, die direkt aus der Knüpferei kommen. Auch heute noch findet man hier Stücke aus dem gesamten Orient.
"Das hier ist ein Kilim in Buchara-Design aus Turkmenistan. Wir haben viele verschiedene Teppiche! Aus Afghanistan, aus dem Iran. Aus Buchara – von überall! Dieser hier ist aus Indien – Seide mit Baumwolle, handgemacht."
Die alte Teppichhändlerin breitet einen prachtvollen Teppich nach dem anderen vor ihren Kunden aus. Sie scheint jedes einzelne ihrer vielen hundert Stücke ganz genau zu kennen. Beim Teppichkauf gilt: Einen festen Preis gibt es nicht, jeder Teppich ist genau das wert, was der Käufer bereit ist dafür zu zahlen. Der erste Preis ist nur der Auftakt zu einer längeren Verhandlung.
"Dieser hier kostet 650 Dollar, der hier 1400. Das ist nur der erste Preis. Ich gebe Dir einen Nachlass – Du musst handeln!"
Wie einst die Teppichhändler mit ihren Karawanen ziehen auch wir weiter gen Westen. Unser nächstes Ziel heißt Khiva. Die Fahrt ist lang. Acht Stunden geht es auf oft holpriger Straße durch die karge Ebene. Die Karawanen brauchten für diese Strecke früher bis zu 15 Tage. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, weit und breit gibt es nichts, was Schatten spenden würde. In der unendlich erscheinenden Ebene wachsen nur ein paar stachelige Büsche. Hin und wieder begegnen wir ein paar Schafen, die an dem kargen Grün knabbern. Und ein paar Meter abseits der Straße passieren wir ab und an Jurten, runde Zelte, in denen die Hirten dieser Schafe leben.
Usbekistan ist ganz gewiss kein Massenreiseziel. Aber das Land hat Touristen mit seinen architektonischen Schätzen aus der Blütezeit der Seidenstraße eine ganze Menge zu bieten und die Besucherzahlen steigen kontinuierlich.
Im letzten Jahr kamen etwas über 24.000 Besucher nach Khiva, diese Zahl wurde bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres übertroffen. Der Tourismus könnte für das Land eine wichtige und dringend benötigte Einnahmequelle werden. Denn außer Baumwolle gibt es in der zentralasiatischen Republik kaum etwas, womit Devisen erwirtschaften werden könnte. Doch dazu muss sich im Tourismussektor noch einiges tun. Simon Kirchhof wurde vom deutschen Entwicklungsdienst in die usbekische Wüstenoase Khiva geschickt. Sie erklärt den verschiedensten Tourismusdienstleitern, worauf Besucher aus Europa Wert legen.
"Dass die ein Gespür für die Mentalität europäischer Gäste bekommen. Der Taxifahrer lernt, dass er die Musik leiser macht und nicht mehr 180 über die Seidenstraße fährt, weil er hat ja eine teure Fracht an Bord hat, nämlich die Touristen. Und der Kellner lernt, dass er nicht mehr in Badelatschen erscheint, dass er eben halt gepflegt zur Arbeit kommt. Er lernt, dass, wenn er einen Wein anbietet, den Leuten das Etikett zeigt und dann auch weiß, was steht eigentlich auf so einem Weinetikett."
Simon Kirchhof ist keine Theoretikerin, die Entwicklungshilfe studiert hat, sondern gelernte Restaurant- und Hotelfachfrau. In Khiva gibt sie ihre Berufserfahrung auch an die dortigen Hotels und Restaurants weiter. Beispielsweise beriet sie das Hotel Malika Kheivak bei der Gestaltung der Terrasse. Dort stehen nun unter einem Schattendach Tapschans, Divane auf Stelzen. Hier können die Besucher in die Kissen fallen, Tee oder Bier bestellen und per WLan zu Hause erzählen, wie gut es ihnen in Usbekistan gefällt.
"Da gab es einfach die Beratung. Macht es nicht zu bunt, macht es nicht zu schrill, macht es nicht zu laut, macht es nicht zu eng. Das ist die Beratung für die kleinen, mittelständischen Unternehmen. Finanziert selber von dieser Hotelgruppe, durchgeführt selber von dieser Hotelgruppe aber beratend und begleitend vom DED."
Das Konzept ging auf – in der Tapschan-Oase sind jeden Abend alle Plätze besetzt, denn so einen schön gestalteten Ruheort gibt es in Khiva sonst nirgendwo. Die Hoffnung ist, dass dieses Beispiel Schule macht und Khiva nach und nach für Touristen noch attraktiver wird.
Die historische Altstadt der Wüstenoase Khiva wurde 1990 als erste aller UNESCO-Stätten Usbekistans in die Liste der Weltkulturerben aufgenommen. Enge Gassen führen vorbei an alten Wohnhäusern, Koranschulen, Palästen und Moscheen. Verlaufen kann man sich nicht – früher oder später stößt man auf die große alte Stadtmauer und findet daran entlang wieder zu einem der beiden Haupttore zurück. In Khiva schmücken nicht nur bunten Kacheln die Baudenkmäler, sondern auch fein ziselierte Schnitzereien. Mischa erklärt uns die Bedeutung der floralen und geometrischen Muster.
"Hier können Sie ein altes Detail sehen, das aus unserer lokalen Kultur kommt: Das böse Gesicht. Es soll das Böse und das Unglück von den Häusern fern halten. An dieser Türe können Sie kreisförmige Ornamente entdecken: Die sollen diejenigen verwirren, die mit schlechten Absichten herkommen. Und diese Blumenornamente hier sollen die wohl gesinnten Gäste willkommen heißen."
Einige der alten Türen stammen noch aus der Blütezeit Khivas im 16. Jahrhundert, als die Oase mit dem Sklavenhandel reich wurde. Genauso findet man aber auch Holzschnitzereien jüngeren Datums. Nur, wer sich genau auskennt, kann sagen, aus welchem Jahrhundert die Arbeiten stammen.
In einer kleinen Hinterhofwerkstatt hämmern Knaben auf ihre Schnitzbeitel ein und schneiden ein verschlungenes Muster ins Holz.
"Die Handwerker in Khiva versuchen die alten Muster und Fertigkeiten zu erhalten. Khiva ist in ganz Zentralasien für seine Schnitzkunst berühmt. Dieses Handwerk hat eine Tausende Jahre alte Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die Leute wollen sie erhalten. Sie schicken sie ihre Kinder nach der Schule in die Werkstätten, damit sie das alte Handwerk erlernen."
Noch sind es nur wenige ausländische Besucher, die die vielen im Westen noch unbekannten Baudenkmäler, Traditionen und Bräuche Usbekistans kennen lernen wollen. Aber es werden mehr werden. Am besten, man kommt bald, um diesen etwas abseits gelegenen Abschnitt der Seidenstraße für sich zu entdecken.
"Diese Moschee ist auf Timurs Befehl gebaut im Jahre 1399/1404. Nach siegreichem Feldzug von Timur nach Indien aus Geld dieses Feldzuges."
Erzählt unsere Führerin Kutbija Rofiewa. Der Feldherr Timur seinerzeit vom heutigen Armenien bis Delhi unterwegs um neue Gebiete zu erobern und sein Reich zu vergrößern. Da er ständig außer Haus war, legte er die Oberaufsicht über den Bau seiner prächtigen Moschee in die Hand seiner ältesten Frau Bibi Khanum.
"Der Bau war in vollem Gange, aber plötzlich war er aufgehört. Der Grund bestand darin, dass der Hauptbaumeister der Moschee in Bibi Khanum verliebt war und wollte als Belohnung für den schnellen Bau der Moschee einen Kuss von Bibi Khanum haben."
Bibi Khanum lehnte das zunächst empört ab, sah aber nach einer Weile ein, dass die Moschee nicht rechtzeitig bis zur Rückkehr Timurs fertig werden würde. So lenkte sie schließlich ein.
"Der Baumeister küsste die Bibi Khanum, aber nach einer Legende ist ein kleiner Fleck geblieben. Und Timur sah selbst diesen Fleck und war sehr böse und wollte den Architekten von der Höhe seines Minaretts hinabstürzen. Aber plötzlich durch ein Wunder beim Baumeister wuchsen die Flügel und er flog nach Mekka."
Diese legendenumwobene Moschee ist nur eines von vielen fantastischen alten Bauwerken Samarkands. Verschwenderisch gestaltete, gewaltige Gotteshäuser, Koranschulen und Mausoleen zeugen vom einstigem Reichtum und der Herrschaft des Islam. Doch obwohl in Usbekistan viele solcher Bauwerke stehen, findet sich in dem Land kein muslimisches Leben, wie man es aus Ägypten oder der Türkei kennt. Bis 1991 gehörte das Land zur Sowjetunion. 70 Jahre russische Herrschaft und das Verbot der Religionsausübung haben ihre Spuren hinterlassen. Die meisten Frauen sind unverschleiert und der Muezzin darf auch heute noch allenfalls in Zimmerlautstärke vom Minarett zum Gebet rufen.
Nur ganz vereinzelt trifft man in den Moscheen auf Betende und selbst in den Gotteshäusern gibt es keine Kleidungsvorschriften als die, an der Schwelle die Schuhe auszuziehen.
Obwohl nur wenige Gläubige die Mausoleen und Moscheen besuchen, um darin zu beten, sind diese historischen Monumente Samarkands in einem ausgezeichnet Zustand. Die Russen erkannten ihren Wert und restaurierten sie so sorgfältig, dass man sich manchmal fragt, ob sie tatsächlich mehrere hundert Jahre alt sind.
Doch die fantastischen alten Bauwerke wirken manchmal ein wenig fehl am Platz. Oft ragt im Hintergrund ein sozialistischer Plattenbau in die Höhe oder es dröhnt der Verkehr einer vielspurigen Straße herüber. Um eine Ahnung davon zu bekommen, wie das Leben vor der Sowjetzeit im alten Samarkand aussah, muss man in die Altstadt gehen.
Die Gassen sind gerade breit genug für ein Auto – aber davon sieht man kaum welche. Viel wahrscheinlicher ist es, dass eine wacklige, hoch beladene Eselskarre um die Ecke biegt. Die kleinen, zweistöckigen Häuser sind weiß getüncht. Es könnten einfache Neubauten sein. Doch bei genauem Hinsehen entdeckt man hier und da verwitterte Schnitzereien an den Torbögen und Dachbalken.
"Dieses Haus wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für meine Urgroßmutter von ihrem Schwiegervater gebaut. Er handelte auf der Seidenstraße mit Waren aus Indien, Afghanistan, China, Iran und aus der Türkei. Dieses Haus wurde als Hochzeitsgeschenk für meine Urgroßmutter gebaut. Alleine an diesem Raum hier, wo Sie Ihr Abendessen einnehmen, haben 18 Künstler sechs Monate lang gearbeitet."
Asis Musaen und seine Familie laden Touristen in das altehrwürdige Haus zum Abendessen ein. Unter kunstvollen Holzschnitzarbeiten und mit feinem Pinsel aufgetragenen Malereien und arabischer Kaligrafie wird ein typisches usbekisches Gericht serviert: Plov, bestehend aus Reis und gebratenem Gemüse.
Es ist eine bunte Schar, die da zusammengekommen ist: Ein Paar aus Indien, eine Archäologin aus der Türkei, eine aus Belgien, Architekturstudenten aus den USA. Sie alle hören fasziniert zu, als Asis die Geschichte des Hauses erzählt.
"Als die Russen nach Zentralasien kamen, zwang die neue Regierung die Reichen ihre Häuser zu verlassen und meine Großeltern mussten ausziehen. Für eine Weile lebten hier Menschen von der Straße, die in diesem Raum Feuer anzündeten. Wenn sie genau hin schauen, sehen Sie, dass die Decke sehr dunkel ist vom Rauch."
Es gelang der Familie, das Haus zurück zu kaufen, doch sie hatten kein Geld für die Restaurierung des alten Händlerhauses. Es drohte zu verfallen. Um das Gebäude zu erhalten, verfiel die Familie auf die Idee, in den alten Räumen Touristen zu bewirten. Ganze acht US-Dollar kostet das Abendessen. Die Nachfrage ist groß genug um das alte Händlerhaus zu erhalten.
"Wir sind sehr dankbar dafür, dass Sie bei uns zu Abend essen, denn damit leisten Sie einen Beitrag um das Haus zu erhalten. Es ist uns inzwischen gelungen, die wichtigsten Arbeiten durchführen zu lassen, aber es sind noch weitere Renovierungen nötig. Danke dass Sie hier sind!"
Samarkand ist nur eine der vielen Stationen auf der legendären Seidenstraße. Von hier aus waren die Kamelkarawanen fünf bis sieben Tage durch die Wüste unterwegs, bis sie die nächste Stadt erreichten. Buchara. Der Zug schafft die Strecke durch die staubtrockene, steinige Ebene heute in gut fünf Stunden.
Buchara war einst eine Handelsmetropole, berühmt für ihre vielen Karawansereien – Unterkünfte, in denen die Händler mit ihren Kamelen unterkamen. Die Händler kamen aus allen teilen der damals bekannten Welt, erzählt Komil Kadirow.
"Buchara liegt im Herzen der Seidenstraße und die Händler kamen aus Westen und Osten mit Waren beladen hier her. In Buchara konnte man damals einfach alles finden. Die Russen brachten Geschirr und Textilien, die Inder Tee und Leder und aus China kam die Seide."
Gehandelt wurden all diese Schätze in den überdachten Basaren. Hier im Schatten den fest gebauten Kuppeldächern konnten die Händler trotz der erbarmungslos brennenden Sonne in relativer Kühle ihren Geschäften nachgehen. Teppichliebhabern ist die Stadt seit jeher ein Begriff: Buchara-Teppiche, gefertigt aus Kamelhaar und mit abstrakten Mustern werden auch in Europa geschätzt. Dabei stammen die Teppiche gar nicht aus dieser Stadt.
"Sie kommen aus einer Gegend Turkmenistans, die früher zum Emirat von Buchara gehörte. Aber sie heißen nun mal Buchara-Teppiche und sind weltberühmt. Die Teppiche werden von verschiedenen Stämmen hergestellt und jeder Stamm hat sein eigenes Muster.
Wer einen Teppich kaufen will, der findet bis heute die größte Auswahl Zentralasiens in Buchara. Besonders vielfältig ist das Angebot in der alten Seidenweberei Tim Abdulla Khan."
An den Wänden des Gebäudes aus dem späten 16 Jahrhundert hängen unzählige Teppiche in allen Größen und Farben, antike, leicht angefressene Stücke neben Brandneuen, die direkt aus der Knüpferei kommen. Auch heute noch findet man hier Stücke aus dem gesamten Orient.
"Das hier ist ein Kilim in Buchara-Design aus Turkmenistan. Wir haben viele verschiedene Teppiche! Aus Afghanistan, aus dem Iran. Aus Buchara – von überall! Dieser hier ist aus Indien – Seide mit Baumwolle, handgemacht."
Die alte Teppichhändlerin breitet einen prachtvollen Teppich nach dem anderen vor ihren Kunden aus. Sie scheint jedes einzelne ihrer vielen hundert Stücke ganz genau zu kennen. Beim Teppichkauf gilt: Einen festen Preis gibt es nicht, jeder Teppich ist genau das wert, was der Käufer bereit ist dafür zu zahlen. Der erste Preis ist nur der Auftakt zu einer längeren Verhandlung.
"Dieser hier kostet 650 Dollar, der hier 1400. Das ist nur der erste Preis. Ich gebe Dir einen Nachlass – Du musst handeln!"
Wie einst die Teppichhändler mit ihren Karawanen ziehen auch wir weiter gen Westen. Unser nächstes Ziel heißt Khiva. Die Fahrt ist lang. Acht Stunden geht es auf oft holpriger Straße durch die karge Ebene. Die Karawanen brauchten für diese Strecke früher bis zu 15 Tage. Die Sonne brennt erbarmungslos vom Himmel, weit und breit gibt es nichts, was Schatten spenden würde. In der unendlich erscheinenden Ebene wachsen nur ein paar stachelige Büsche. Hin und wieder begegnen wir ein paar Schafen, die an dem kargen Grün knabbern. Und ein paar Meter abseits der Straße passieren wir ab und an Jurten, runde Zelte, in denen die Hirten dieser Schafe leben.
Usbekistan ist ganz gewiss kein Massenreiseziel. Aber das Land hat Touristen mit seinen architektonischen Schätzen aus der Blütezeit der Seidenstraße eine ganze Menge zu bieten und die Besucherzahlen steigen kontinuierlich.
Im letzten Jahr kamen etwas über 24.000 Besucher nach Khiva, diese Zahl wurde bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres übertroffen. Der Tourismus könnte für das Land eine wichtige und dringend benötigte Einnahmequelle werden. Denn außer Baumwolle gibt es in der zentralasiatischen Republik kaum etwas, womit Devisen erwirtschaften werden könnte. Doch dazu muss sich im Tourismussektor noch einiges tun. Simon Kirchhof wurde vom deutschen Entwicklungsdienst in die usbekische Wüstenoase Khiva geschickt. Sie erklärt den verschiedensten Tourismusdienstleitern, worauf Besucher aus Europa Wert legen.
"Dass die ein Gespür für die Mentalität europäischer Gäste bekommen. Der Taxifahrer lernt, dass er die Musik leiser macht und nicht mehr 180 über die Seidenstraße fährt, weil er hat ja eine teure Fracht an Bord hat, nämlich die Touristen. Und der Kellner lernt, dass er nicht mehr in Badelatschen erscheint, dass er eben halt gepflegt zur Arbeit kommt. Er lernt, dass, wenn er einen Wein anbietet, den Leuten das Etikett zeigt und dann auch weiß, was steht eigentlich auf so einem Weinetikett."
Simon Kirchhof ist keine Theoretikerin, die Entwicklungshilfe studiert hat, sondern gelernte Restaurant- und Hotelfachfrau. In Khiva gibt sie ihre Berufserfahrung auch an die dortigen Hotels und Restaurants weiter. Beispielsweise beriet sie das Hotel Malika Kheivak bei der Gestaltung der Terrasse. Dort stehen nun unter einem Schattendach Tapschans, Divane auf Stelzen. Hier können die Besucher in die Kissen fallen, Tee oder Bier bestellen und per WLan zu Hause erzählen, wie gut es ihnen in Usbekistan gefällt.
"Da gab es einfach die Beratung. Macht es nicht zu bunt, macht es nicht zu schrill, macht es nicht zu laut, macht es nicht zu eng. Das ist die Beratung für die kleinen, mittelständischen Unternehmen. Finanziert selber von dieser Hotelgruppe, durchgeführt selber von dieser Hotelgruppe aber beratend und begleitend vom DED."
Das Konzept ging auf – in der Tapschan-Oase sind jeden Abend alle Plätze besetzt, denn so einen schön gestalteten Ruheort gibt es in Khiva sonst nirgendwo. Die Hoffnung ist, dass dieses Beispiel Schule macht und Khiva nach und nach für Touristen noch attraktiver wird.
Die historische Altstadt der Wüstenoase Khiva wurde 1990 als erste aller UNESCO-Stätten Usbekistans in die Liste der Weltkulturerben aufgenommen. Enge Gassen führen vorbei an alten Wohnhäusern, Koranschulen, Palästen und Moscheen. Verlaufen kann man sich nicht – früher oder später stößt man auf die große alte Stadtmauer und findet daran entlang wieder zu einem der beiden Haupttore zurück. In Khiva schmücken nicht nur bunten Kacheln die Baudenkmäler, sondern auch fein ziselierte Schnitzereien. Mischa erklärt uns die Bedeutung der floralen und geometrischen Muster.
"Hier können Sie ein altes Detail sehen, das aus unserer lokalen Kultur kommt: Das böse Gesicht. Es soll das Böse und das Unglück von den Häusern fern halten. An dieser Türe können Sie kreisförmige Ornamente entdecken: Die sollen diejenigen verwirren, die mit schlechten Absichten herkommen. Und diese Blumenornamente hier sollen die wohl gesinnten Gäste willkommen heißen."
Einige der alten Türen stammen noch aus der Blütezeit Khivas im 16. Jahrhundert, als die Oase mit dem Sklavenhandel reich wurde. Genauso findet man aber auch Holzschnitzereien jüngeren Datums. Nur, wer sich genau auskennt, kann sagen, aus welchem Jahrhundert die Arbeiten stammen.
In einer kleinen Hinterhofwerkstatt hämmern Knaben auf ihre Schnitzbeitel ein und schneiden ein verschlungenes Muster ins Holz.
"Die Handwerker in Khiva versuchen die alten Muster und Fertigkeiten zu erhalten. Khiva ist in ganz Zentralasien für seine Schnitzkunst berühmt. Dieses Handwerk hat eine Tausende Jahre alte Tradition, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die Leute wollen sie erhalten. Sie schicken sie ihre Kinder nach der Schule in die Werkstätten, damit sie das alte Handwerk erlernen."
Noch sind es nur wenige ausländische Besucher, die die vielen im Westen noch unbekannten Baudenkmäler, Traditionen und Bräuche Usbekistans kennen lernen wollen. Aber es werden mehr werden. Am besten, man kommt bald, um diesen etwas abseits gelegenen Abschnitt der Seidenstraße für sich zu entdecken.