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Der zögerliche Dänenprinz

Die Komische Oper in Berlin tut etwas für den Nachwuchs. Der junge Komponist Christian Jost ist dort "Composer in Residence". Am Montagabend wurde seine Version eines weltberühmten Zögerers, nämlich "Hamlet" uraufgeführt. Damit erfüllte sich für den 1963 geborenen Jost ein Jugendtraum.

Von Georg-Friedrich Kühn | 22.06.2009
    Wie eine Grabplatte hebt und senkt sich die bühnenfüllende weiße Scheibe, auf der die auch ganz in Weiß gehaltenen Figuren dieses "Hamlet" ihre Lauschangriffe, Machtkämpfe, Intrigen ausführen. Und indem Hamlet selber mit eingreift, selber Rache üben will, steuert er am Ende geradewegs in die Katastrophe.

    Eine Wendeltreppe im linken Scheibenrand, die sich hin und wieder auch wie ein Bohrkopf dreht, führt in die Tiefe, ins dunkle Innere von Hamlets Seele, seine Zerrissenheit, seine Fragen nach dem Geist des Vaters, der in Gestalt von sechs schwarzen Figuren gleich zu Beginn und immer wieder in ihn dringt.
    Mit der Auftrags-Komposition dieses "Hamlet" für die Berliner Komische Oper konnte der Komponist Christian Jost sich einen Jugendtraum erfüllen. Von früh an interessierte ihn diese Figur des Shakespeareschen Dänenprinzen Hamlet durch die existenziellen Fragen, die er stellt.

    Jost gliedert die Oper in zwölf Tableaus, deren Abfolge nicht bindend festgelegt ist. Jedes Tableau leitet er ein durch eine die Szene grundierende Musik. Hamlet wird bei Jost verkörpert durch eine Frauenstimme, einen Mezzo. Den Hamlet zeichnet Jost meist in weichen Farben, schattenhaft, traumwandlerisch, androgyn.

    Jost: "Dadurch dass er diese ganz grundlegenden Fragen stellt und sie auch ins Visier nimmt, ist er eine brüchige Figur, die durchlässig ist für die großen Fragen dieser Welt, und das macht ihn anfällig. Hamlet zeichnet sich hier aus durch die Figuren, die ihn umgeben. Es entspringt alles seiner Fantasie. Und daher hat das alles diese Brüchigkeit von Traumhaftem."

    Recht geschickt hat Jost das Shakespeare-Drama gekürzt, auch wenn einige opernträchtige Fäden wie die der Hexen und Schauspieler nicht weiter gesponnen werden. Etwas blass bleibt die Figur der Ophelia. Mehr Raum bekommen Mutter Gertrud und Stiefvater Claudius.

    Die Geiststimmen des Vaters werden verstärkt durch einen Chor im Orchestergraben. Wenn zum Abmarsch in den Krieg geblasen wird, sammeln die sich unter der Platte, werden gleichsam darunter zerquetscht.
    Reduziert wie die Ausstattung von Wolfgang Gussmann ist auch die Regie von Hausherr Andreas Homoki. Die einzelnen Bilder sind meist durch Vorhänge getrennt. Dem zwei-dreiviertelstündigen Abend nimmt das viel an Spannung. Auch sind die Figuren in ihren Haltungen sehr typisiert, standardisiert: Stiefvater Claudius als lächerlicher Hampelmann, Ophelias Bruder als draufgängerischer Stier, die Höflinge Rosenkranz und Güldenstern als tumbe Detektive.

    Carl St. Clair am Pult bringt Josts recht farbenreiche, durchaus kraftvolle Partitur gut zur Geltung. Von den Sängern können vor allem Stella Doufexis als Hamlet - ihr ist das Stück auch gewidmet - und Tom Erik Lie als sein Vertrauter Horatio beeindrucken. Das Publikum zollte am Ende allen Beteiligten insbesondere auch dem Komponisten sehr freundlichen Beifall.

    Ob ein Stück Weltliteratur wie Shakespeares "Hamlet" in eine bei aller Reduktion handlungsbetonte Musiktheater-Dramaturgie umsetzbar ist, kann dieser Abend nicht restlos klären. Es bleiben Fragen.